Grundversorger oder Gesundheitscampus?
Diskussion fokussiert auf zwei Varianten – Mack gegen Virngrund-Klinik als Basisversorger
ELLWANGEN-NEUNHEIM - Verschiedene Szenarien, wie die Kliniklandschaft im Ostalbkreis künftig aussehen soll, liegen seit einigen Monaten vor – eine konkrete Entscheidung gibt es dagegen noch nicht. Um die wahrscheinlichsten Varianten noch einmal ausführlich zu diskutieren, haben die CDU Röhlingen und der Landtagsabgeordnete Winfried Mack, Kreisräte, Ärzte und Interessierte zu einer Veranstaltung zum Thema Krankenhausversorgung ins Landhotel Hirsch nach Neunheim eingeladen. Im Fokus des Abends stand die Standortdebatte der Kliniken im Ostalbkreis. Ergänzend dazu hat Stefan Teufel, Sprecher der CDULandtagsfraktion für Soziales, Gesundheit und Integration, einen Vortrag zur medizinischen Versorgung und zum Pflegeengpass im ländlichen Raum gehalten, und Robert Kohler, Geschäftsführer der Neresheimer Firma ADK-Modulraum, hat außerdem einen Einblick gegeben, wie das Unternehmen in Fertigbauweise moderne Operationsäle fertigt.
Einführend in die Klinikdebatte hat Rudolf Wiedmann (CDU), Stadtrat und Geschäftsführer des Intensivpflegediensts „Lebenswert“, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen skizziert, die eine Reform der Struktur im Ostalbkreis erforderlich machen: Seit 2010 seien seinen Ausführungen nach die finanziellen Defizite in den Kliniken im Ostalbkreis immer weiter gestiegen. Die Leitung hatte daraufhin mit Einsparungen an Sach- und Energiekosten versucht, der negativen Entwicklung gegenzusteuern. Ab 2017 wurden die drei Kliniken dafür zunächst zu einer Einrichtung mit drei Standorten zusammengeführt und pro Standort Schwerpunkte gesetzt. Allerdings verschlechterte sich die Situation um 2019 immer weiter aufgrund steigenden Fachkräftemangels bei den Ärzten und beim Pflegepersonal.
Die Folge: Ganze Stationen mussten geschlossen werden, was wiederum massive Umsatzeinbrüche mit sich brachte. Denn aufgrund der sogenannten Fallpauschale berechnen die Krankenkassen die Kosten für Patienten in deutschen Krankenhäusern seit 2003 nicht mehr nach einem Tagessatz, sondern pauschal nach Fall unabhängig von der Verweildauer. Eine Operation am Blinddarm kostet demnach zum Beispiel weniger als die Transplantation einer Niere. Fehlt Personal oder kann ein Haus nicht nachweisen, einen bestimmten Eingriff regelmäßig durchzuführen, kann dieser auf Dauer nicht mehr angeboten werden. So auch im Falle der Kliniken im Ostalbkreis. Bis 2021 summierte sich das Defizit auf 23 Millionen Euro.
In Zusammenarbeit mit dem Klinikvorstand und der Landkreisverwaltung wurden daraufhin sechs Varianten ausgearbeitet, wie die drei Standorte im Ostalbkreis effizienzsteigernd reformiert werden könnten. Das Essener Institute for Health Care Business wurde in diesem Zuge beauftragt, alle Varianten auf verschiedene Faktoren wie Investitionsbedarf, Erreichbarkeit oder Wirtschaftlichkeit zu prüfen und miteinander zu vergleichen. Daraus ergab sich, dass das Institut eine Fusion von Aalen und Mutlangen sowie ein Erhalt der Sankt-Anna-VirngrundKlinik im Sinne eines Grundversorgers als effizienteste Option bewertete – eine Variante, die zunächst beim Personalrat und beim Landrat, weiterhin auch bei Kreisräten wie dem Ellenberger Alt-Bürgermeister Rainer Knecht (CDU), und bei Wiedmann selbst Zuspruch findet. Am schlechtesten schnitt in dieser Untersuchung im Übrigen die Option ab, den aktuellen Status Quo zu halten. Nicht einmal die Hälfte der festgelegten Kriterien konnte mit dieser Variante noch erfüllt werden. „Das haben wir inzwischen alle verstanden: Wir können die Situation so nicht belassen“, betonte Wiedmann ergänzend.
Als Vorteile einer Fusion der beiden Krankenhäuser mit Erhalt der Ellwanger Einrichtung führte der 57Jährige den deutlich geringeren Investitionsbedarf an der verhältnismäßig neu gebauten Virngrund-Klinik an, des Weiteren sei die Erreichbarkeit weiterhin für Patienten aus allen
Regionen des Kreises gegeben. Auch bündele man mit dieser Lösung die beiden Kliniken mit den größten Defiziten – an den Standorten wären Investitionen in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrages nötig – und gleichzeitig könne die Klinikleitung mit der Fusionierung attraktivere Arbeitsbedingungen bieten. Seit Ende des vergangenen Jahres ist allerdings eine andere Variante auf dem Vormarsch, die der vom Essener Institut empfohlenen Konkurrenz macht: Vorstellbar wäre bei diesem Entwurf ein Regionalversorger nahe Essingen mit rund 650 bis 700 Betten, der durch Gesundheitscampus in Ellwangen und Mutlangen ergänzt wird. Zusätzlich soll in Bopfingen ein Gesundheitszentrum entstehen.
Jens Mayer, Chefarzt und Facharzt für Chirurgie am onkologischen Zentrum des Stauferklinikums Mutlangen, zeigte sich skeptisch, ob diese Varianten letzten Endes eine Mehrheit finden wird: „Objektiv gesehen ist die Variante 2d (Anmerkung der Redaktion: Fusion Aalen und Gmünd, Erhalt Ellwangen) die beste, ich kann jeden Oberbürgermeister verstehen, der eine Klinik in seiner Stadt haben will.“Demnach werde die 2d-Lösung nach Ansicht des stellvertretenden Kreisvorsitzenden aufgrund kommunalpolitischer Interessen schwer durchsetzbar sein.
In seiner weiteren Rede argumentierte Mayer für die gestaffelte Versorgung aus, wie sie mit einem Regionalversorger und mehreren Stützpunkten möglich wäre. Die Qualität der Versorgung im Ostalbkreis sei sehr hoch. Es gebe führende medizinische Fachabteilungen wie das Endoprothetikzentrum Ellwangen, die Onkologie in Mutlangen oder die Kinder- und Jugendmedizin in Aalen, die es mit der regionalen Struktur zu erhalten gelte. „Das Ziel muss sein, dass jeder einen leichten Zugang zu seinem Regionalversorger hat“, so Mayer.
Winfried Mack sprach sich gegen die aktuell präferierte Variante aus: „Ich bin mit einem Gesundheitscampus in Ellwangen auf Stufe 1 (Grundversorgung) nicht einverstanden.“Ellwangen sei mit der Sanierung im Wert von 120 Millionen Euro das modernste Krankenhaus im Kreis. Angesichts der schnelllebigen Medizintechnik werde auch nach der Reform in allen Häusern Investitionsbedarf bestehen – mit dem Erhalt der Ellwanger Klinik könnte im Gegensatz zu einem Neubau oder einer Sanierung der anderen Häuser somit Kosten gespart werden. Auch dürfe in der Debatte nicht vernachlässigt werden, dass die Unterstützung von Angehörigen maßgeblich zur Genesung von Patienten beitrage. Insbesondere für ältere Menschen aus dem Virngrund könnte die Erreichbarkeit eines Klinikums bei Essingen aber zum Problem werden, zumal auch die Zukunft des dann nähergelegenen Dinkelsbühler Krankenhauses noch ungesichert ist.
Weitere Informationen zur Klinikdebatte und zu den Varianten gibt es auf der Internetseite der Kliniken Ostalb unter www.klinikenostalb.de/zukunftskonzept