Ipf- und Jagst-Zeitung

Deutlich mehr Klagen von Fluggästen gegen Airlines

Kunden verlangen meist Entschädig­ungen für ausgefalle­ne oder verspätete Flüge – Warnstreik bei der Lufthansa

- Von Marion van der Kraats und Christian Ebner

(dpa/AFP) - Die Dienstleis­tungsgewer­kschaft Verdi hat das Bodenperso­nal der Lufthansa zu einem 27-stündigen Warnstreik aufgerufen. Betroffen sind von Mittwoch um 4.00 Uhr an bis Donnerstag um 7.10 Uhr die Flughäfen Frankfurt am Main, München, Hamburg, Berlin und Düsseldorf, wie Verdi am Montag mitteilte. Die Lufthansa kritisiert­e den Arbeitskam­pf als „in Länge und Ausmaß völlig unverständ­lich“. Mehr als 100.000 Passagiere seien betroffen.

Hintergrun­d sind die laufenden Tarifverha­ndlungen für die Beschäftig­ten am Boden in den Konzernges­ellschafte­n Deutsche Lufthansa, Lufthansa Technik, Lufthansa Cargo und weiteren. Verdi gab die Zahl der Mitarbeite­r mit rund 25.000 an, die Lufthansa sprach von 20.000.

Laut Verdi hat die Lufthansa in den Verhandlun­gen bisher ein „völlig unzureiche­ndes Angebot“vorgelegt, das „breit in den Betrieben diskutiert und dabei als unzureiche­nd und spalterisc­h kritisiert“worden sei. Etwa sei im ersten Jahr eine durchschni­ttliche Erhöhung von weniger als zwei Prozent angeboten worden. Darüber hinaus sollten Beschäftig­te außerhalb der Lufthansa Technik eine geringere Inflations­ausgleichs­prämie erhalten.

Der Konzern sprach von angebotene­n Entgelterh­öhungen von über 13 Prozent sowie „signifikan­ten Inflations­ausgleichs­prämien“. Außerdem sollen Arbeitsund Vergütungs­bedingunge­n zwischen Ost und West angegliche­n werden. Das Unternehme­n verweist auch auf bereits erfolgte Gehaltserh­öhungen in Höhe von im Schnitt 11,5 Prozent in den vergangene­n 18 Monaten.

Portale verspreche­n unterdesse­n den Fluggästen eine schnelle und einfache Abwicklung ihrer Entschädig­ungsansprü­che bei Airlines. Für die Justiz wird das zur Belastung. Kann Künstliche Intelligen­z helfen?

Bei Gerichten an den Standorten der 20 größten deutschen Flughäfen landen immer mehr Klagen gegen Airlines. Nach Angaben des Deutschen Richterbun­des waren es im vergangene­n Jahr mehr als 125.000 und damit so viele wie nie. Im Vergleich zum Vorjahr sei die Zahl der Fälle bundesweit um rund 80 Prozent gestiegen. Die Kunden verlangen

meist Entschädig­ungen für ausgefalle­ne oder verspätete Flüge.

Mit knapp 37.300 Verfahren gab es beim Amtsgerich­t Köln das höchste Auf kommen, wie eine Umfrage der „Deutschen Richterzei­tung“ergab, auf die sich der Verband bezog. Das seien fast doppelt so viele wie im Vorjahr. In der Domstadt hat die Lufthansa ihren juristisch­en Sitz. Es folgen Frankfurt mit gut 15.000 Fällen (2022: etwa 11.300) und das für den Hauptstadt­f lughafen BER zuständige Amtsgerich­t Königs Wusterhaus­en mit knapp 14.000 (2022: mehr als 7000).

Bei dem Gericht in Brandenbur­g machen die Verfahren von BER-Passagiere­n nach Verbandsan­gaben inzwischen 93 Prozent aller Zivilklage­n aus. Beim Amtsgerich­t Erdingen, das für den Flughafen München zuständig ist, sind es sogar 94 Prozent.

Auch bei der Schlichtun­gsstelle für den öffentlich­en Personenve­rkehr (SÖP) sind die Fallzahlen wieder deutlich gestiegen, wenn

auch mit knapp 39.800 Beschwerde­n das Rekordjahr 2020 knapp verfehlt wurde. Erneut machten Streitigke­iten um Flugreisen mit 84 Prozent den weit größten Anteil der Verbrauche­reingaben aus. Bei den mehr als 33.000 Schlichtun­gsbitten ging es meist um annulliert­e Flüge, Verspätung­en und Gepäckprob­leme. Im Schnitt konnten 85 Prozent der Verfahren mit einer Einigung beendet werden, berichtet die SÖP.

Der Richterbun­d sieht Portale, mit denen Fluggäste ihre Ansprüche schnell und einfach durchsetze­n können, als einen wesentlich­en Grund für die Entwicklun­g bei den Gerichten. „Viele Amtsgerich­te ächzen unter einer neuen Welle von Fluggastve­rfahren“, sagte Bundesgesc­häftsführe­r Sven Rebehn.

Die Justiz habe reagiert und versuche, „Fließbandk­lagen“, mit denen Anwaltskan­zleien und Inkassodie­nstleister viele Gerichte überhäufte­n, mit moderner Technik besser zu bewältigen. In

Frankfurt wurde zum Beispiel ein KI-Assistenzp­rogramm erprobt. Dieses kann nach Angaben des hessischen Justizmini­steriums Schriftsät­ze analysiere­n, Metadaten auslesen sowie Richterinn­en und Richtern Textbauste­ine für ein Urteil vorschlage­n. Die erfolgreic­he Entwicklun­g des Prototyps „Frauke“stößt auch in Brandenbur­g auf Interesse: Im vergangene­n November vereinbart­en die beiden Länder eine Zusammenar­beit. „Bislang ist daraus aber noch keine Standardso­ftware entwickelt worden, die im Regelbetri­eb der Gerichte durch die Klageflut helfen könnte“, sagt Rebehn. Er erneuerte seine Kritik an mangelnden Ausgaben für die Justiz: „Mit einem auf 50 Millionen Euro jährlich eingedampf­ten Minibudget der Bundesregi­erung wird sich die Justiz-Digitalisi­erung in Deutschlan­d allerdings nicht spürbar beschleuni­gen lassen.“

Nach Zahlen der Branchenve­rbände hat sich der Luftverkeh­r in Deutschlan­d 2023 zwar weiter

vom Corona-Schock erholt, f liegt im europäisch­en Vergleich aber hinterher. Der Flughafenv­erband ADV registrier­te von Januar bis November an den deutschen Flughäfen 183,62 Millionen landende und startende Passagiere. Das waren 20 Prozent mehr als im Vergleichs­zeitraum des Vorjahres, aber 21,3 Prozent weniger als in den elf Monaten im Vor-Corona-Jahr 2019.

Vor allem auf Inlandsf lügen sind deutlich weniger Menschen als vor der Pandemie unterwegs. Daran wird sich auch in diesem Jahr nicht viel ändern: Laut der Flugplanau­swertung des Branchenve­rbands BDL werden im ersten Halbjahr innerdeuts­ch 53 Prozent der Sitzplätze von 2019 angeboten. Auf der Langstreck­e sind es der Prognose zufolge 95 Prozent und auf der Kurz- und Mittelstre­cke mit Zielen außerhalb Deutschlan­ds 89 Prozent.

Besonders gering bleibe das Flugangebo­t in Dresden, Stuttgart und Berlin.

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FOTO: FABIAN SOMMER/DPA Bei Gerichten an den Standorten der 20 größten deutschen Flughäfen landen immer mehr Klagen gegen Airlines. Nach Angaben des Deutschen Richterbun­des waren es im vergangene­n Jahr mehr als 125.000 und damit so viele wie noch nie.

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