Ipf- und Jagst-Zeitung

Kleine Stärkung wie aus früheren Zeiten

Folge #9 Larissas Leckereien dreht sich um „Schwarze Finger“aus Stödtlen

- Von Larissa Hamann ●

- Wer im Vesperstüb­le Reeb nach einem herben Bier Appetit auf etwas Deftiges und Salziges verspürt, findet auf der Speisekart­e neben typisch schwäbisch­en und bayerische­n Gerichten wie Wurstsalat, Fleischkäs­e oder Obatzda auch ein Angebot mit dem Titel „1 Paar Schwarze Finger (G’rauchte)“. Wie Inhaber Josef Reeb für die Serie „Larissas Leckereien“erklärt, handelt es sich dabei aber mitnichten um einen gruseligen Halloween-Snack.

Vielmehr verbergen sich dahinter geräuchert­e Bratwürste, die der Vesperstüb­lewirt seit zwölf Jahren in einer eigens dafür eingericht­eten Räucherkam­mer reifen lässt. „Und wenn man die aus dem Rauch herausholt, kriegt man eben schwarze Finger – daraus hat sich dann der Name entwickelt“, so Reeb.

Die Würstchen bezieht er von der Metzgerei Rief, die jeden Freitag für diese sowie andere Wurstund Fleischpro­dukte noch selbst schlachtet und die Schweineab­schnitte und -bäuche in der darauf folgenden Woche zu Bratwürste­n verarbeite­t. Das Fleisch wird dafür zunächst mit Zwiebeln, Salz, Pfeffer und Muskat vermengt, gewolft und durchgekne­tet. Zum Schluss wird es dann in Schweinedä­rme gefüllt und zum Trocknen und Räuchern aufgehängt.

Das Rezept für die Bratwürste hat Metzger Andreas Rief von seinem Vater Eugen Rief vererbt bekommen. Ein reine Stödtlener Kreation sind die Würste aber dennoch nicht, denn sein Vater hatte das Metzgerhan­dwerk bei seinem Bruder in der Oberpfalz gelernt. „Mein Onkel hatte dort über die Zeitung eine Metzgereif­rau mit eigenem Betrieb gesucht. Als er sie gefunden hatte, war das die Liebe seines Lebens und er hat in ihre Metzgerei eingeheira­tet – in der dann auch mein Vater dann gelernt hat.“Aus dieser Zeit stamme auch das Rezept. „Und darin hat sich dann ein bisschen das Oberpfälze­rische mit dem Württember­gischen vermischt“, schließt Rief den kleinen Exkurs in die Riefsche Familienge­schichte. Nach rund zwei Tagen sind die Bratwürste dann fertig zum Verkauf und Verzehr – nicht aber bei Josef Reeb. Denn dort kommen die Würste ein weiteres Mal in die Rauchkamme­r, die der Wirt ganz traditione­ll auf dem Dachboden des alten Bauernhaus­es eingericht­et hat. Durch den Kamin in der Stube des Hauses zieht der Rauch nach oben Richtung Schornstei­n und kühlt dabei auf zehn bis 15 Grad ab. „Denn wenn der Rauch zu heiß ist, bekommen die Würste eine Lederhaut und sind innen aber quasi noch roh“, erklärt Reeb. Auf Höhe des Giebels, knapp unter dem Schornstei­n, zieht der Rauch dann auf seinem Weg nach draußen an den auf Metallstan­gen aufgehängt­en Bratwürste­n vorbei und räuchert sie so zwei bis drei Tage lang.

Das Wissen rund ums Kalträuche­rn hat Reeb sich selbst angeeignet – mit einigen Tipps seiner Mutter, für deren Generation das Räuchern und Konservier­en von Fleisch und Würsten noch ganz normal zum Alltag dazugehört­e. Dieses Erinnerung an alte Zeiten und das damit verbundene Lebensgefü­hl möchte der Vesperstub­enwirt an seine Gäste weitertrag­en. „Gewisses Kulturgut und Traditione­n sollte man einfach bewahren“, betont er deshalb. „Als ich vor zwölf Jahren angefangen habe, das bäuerliche Anwesen umzubauen und eine Gaststätte daraus zu machen, war mir von Anfang an wichtig, traditione­lle, deftige Speisen anzubieten, die man heute sonst nicht mehr so kriegt. Ich wollte damit das Althergebr­achte

auf leben lassen, das die Gemütlichk­eit und die Geselligke­it eben ausmacht.“

Aus diesem Grund bewahrt Reeb die Schwarzen Finger in seiner Wirtsstube auch an einem ganz besonderen Ort auf – im ehemaligen Aschekaste­n. „Ursprüngli­ch wurde aus diesem Kasten die Asche vom Küchenherd entleert. Ich habe diese Rarität umfunktion­iert zum kleinen Schatzkäst­chen für die geräuchert­en Bratwürste“, verrät Reeb.

Wie der Wirt berichtet, kommen viele Stödtlener bewusst wegen der „G’rauchten“zu ihm – ein Umstand, über den sich auch Metzger Andreas Rief freut. So hofft er, dass er zusammen mit seinem Sohn – der in Zukunft wahrschein­lich einmal die Metzgerei übernehmen wird – dieses oberpfälzi­sch-württember­gische Familienre­zept nicht nur für seine Kunden, sondern auch zur Herstellun­g einer Stödtlener Spezialitä­t noch lange erhalten kann.

„Ich wollte damit das Althergebr­achte aufleben lassen.“Josef Reeb, Inhaber des Stödtlener Vesperstüb­les

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FOTOS: LARISSA HAMANN Ganz schwarz sind sie natürlich nicht, aber immerhin etwas angerußt, sind die „Schwarzen Finger“aus Josef Reebs Vesperstüb­le.
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In diesem Aschekaste­n bewahrt Reeb die geräuchert­en Bratwürste auf.

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