Ipf- und Jagst-Zeitung

Tauziehen um die Taurus-Raketen

Bundestag fordert Regierung zur Lieferung von Waffen mit großer Reichweite auf – Union kritisiert Zurückhalt­ung der Ampel

- Von Michael Fischer und Ulrich Steinkohl

(dpa) - Der Bundestag hat die Regierung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) zwar mit den Stimmen der Ampel-Koalition aufgeforde­rt, der Ukraine zusätzlich­e „weitreiche­nde Waffensyst­eme“für den Abwehrkamp­f gegen Russland zu liefern. Offen blieb am Donnerstag aber, ob damit die Marschf lugkörper Taurus gemeint sind, die sich durch eine hohe Treffsiche­rheit und eine Reichweite von 500 Kilometern auszeichne­n. Grüne und FDP verstehen den von der Koalition beschlosse­nen Antrag zum Ukraine-Krieg überwiegen­d so, die SPD dagegen „nicht zwingend“. Ein CDU/CSU-Antrag, in dem Taurus explizit genannt wird, fand am Donnerstag im Bundestag keine Mehrheit.

Bundeskanz­ler Scholz hatte bereits am Mittwoch über seinen Regierungs­sprecher Steffen Hebestreit ausrichten lassen, dass er derzeit weiterhin nicht beabsichti­gt, die Raketen zu liefern. Er selbst hat das Wort „Taurus“zuletzt nicht einmal mehr in den Mund genommen. Die Diskussion dürfte aber weitergehe­n.

Die Ukraine bittet eindringli­ch um die Raketen, mit denen sie den Nachschub für die russischen Truppen an der Front kappen will. Kiews Bürgermeis­ter Vitali Klitschko sagte, dies sei „eine der wichtigste­n Fragen“für die Ukraine. „Wir verteidige­n unser Land. Und deswegen brauchen wir Taurus. Wir können damit die Militärlog­istik der Russen zerstören.“Er erwarte von der Bundesregi­erung eine positive Entscheidu­ng. Die Regierung in Kiew hatte die Taurus-Marschflug­körper bereits im Mai vergangene­n Jahres bei der Bundesregi­erung erbeten. Im Oktober lehnte Kanzler Scholz eine Lieferung vorläufig ab. Dahinter steckt die Befürchtun­g, die Raketen könnten russisches Territoriu­m treffen, was Deutschlan­d möglicherw­eise in den Konflikt hineinzieh­en würde.

Die drei Ampel-Fraktionen hatten lange um die Formulieru­ng zu

Taurus in ihrem Antrag zu zwei Jahren russische Invasion in der Ukraine und zehn Jahren russische Annexion der Halbinsel Krim gerungen. Die SPD verhindert­e schließlic­h, dass die Marschflug­körper ausdrückli­ch genannt wurden. FDP und Grüne wären dafür gewesen. Für den Antrag stimmten 382 Abgeordnet­e, dagegen 284. Es gab 2 Enthaltung­en.

Als Kompromiss­formel wird nun die Lieferung von „zusätzlich erforderli­chen weitreiche­nden Waffensyst­emen“verlangt. Dies wird folgenderm­aßen begründet: „Insbesonde­re muss die Ukraine auch künftig in die Lage versetzt werden, Angriffe auf militärisc­he Ziele wie Munitionsd­epots, Versorgung­srouten und Kommandopo­sten weit hinter den Frontlinie­n durchzufüh­ren und ihre Soldatinne­n und Soldaten vor den vielgestal­tigen Attacken des russischen Militärs bestmöglic­h schützen zu können.“

Als Reaktion auf die Zurückhalt­ung der Koalition legte die Union einen eigenen Antrag vor, der die Lieferung von Taurus ausdrückli­ch fordert. Der wurde vom Bundestag aber mehrheitli­ch (182 Ja, 480 Nein, 5 Enthaltung­en) abgelehnt. Die FDP-Verteidigu­ngspolitik­erin Marie-Agnes Strack-Zimmermann stimmte allerdings zu – ein ungewöhnli­cher Vorgang. Normalerwe­ise lehnen Koalitions­abgeordnet­e Anträge der Opposition prinzipiel­l ab. „Ich möchte mir nicht eines Tages vorwerfen lassen, im richtigen Augenblick nicht das Richtige getan zu haben“, begründete Strack-Zimmermann ihre Entscheidu­ng. Die Union fragte im Bundestag immer wieder Koalitions­redner, ob mit der Formulieru­ng der zusätzlich erforderli­chen weitreiche­nden Waffensyst­eme auch Taurus gemeint sei. Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius musste sich diese Frage ebenfalls gefallen lassen. „Das kann ich nicht beantworte­n“, sagte der SPD-Politiker. „Ich habe den Antrag gelesen. Die Antragstel­ler werden sich ihren Teil dabei gedacht haben.“

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Ein Marschflug­körper spaltet die Ampel

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