Tauziehen um die Taurus-Raketen
Bundestag fordert Regierung zur Lieferung von Waffen mit großer Reichweite auf – Union kritisiert Zurückhaltung der Ampel
(dpa) - Der Bundestag hat die Regierung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) zwar mit den Stimmen der Ampel-Koalition aufgefordert, der Ukraine zusätzliche „weitreichende Waffensysteme“für den Abwehrkampf gegen Russland zu liefern. Offen blieb am Donnerstag aber, ob damit die Marschf lugkörper Taurus gemeint sind, die sich durch eine hohe Treffsicherheit und eine Reichweite von 500 Kilometern auszeichnen. Grüne und FDP verstehen den von der Koalition beschlossenen Antrag zum Ukraine-Krieg überwiegend so, die SPD dagegen „nicht zwingend“. Ein CDU/CSU-Antrag, in dem Taurus explizit genannt wird, fand am Donnerstag im Bundestag keine Mehrheit.
Bundeskanzler Scholz hatte bereits am Mittwoch über seinen Regierungssprecher Steffen Hebestreit ausrichten lassen, dass er derzeit weiterhin nicht beabsichtigt, die Raketen zu liefern. Er selbst hat das Wort „Taurus“zuletzt nicht einmal mehr in den Mund genommen. Die Diskussion dürfte aber weitergehen.
Die Ukraine bittet eindringlich um die Raketen, mit denen sie den Nachschub für die russischen Truppen an der Front kappen will. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko sagte, dies sei „eine der wichtigsten Fragen“für die Ukraine. „Wir verteidigen unser Land. Und deswegen brauchen wir Taurus. Wir können damit die Militärlogistik der Russen zerstören.“Er erwarte von der Bundesregierung eine positive Entscheidung. Die Regierung in Kiew hatte die Taurus-Marschflugkörper bereits im Mai vergangenen Jahres bei der Bundesregierung erbeten. Im Oktober lehnte Kanzler Scholz eine Lieferung vorläufig ab. Dahinter steckt die Befürchtung, die Raketen könnten russisches Territorium treffen, was Deutschland möglicherweise in den Konflikt hineinziehen würde.
Die drei Ampel-Fraktionen hatten lange um die Formulierung zu
Taurus in ihrem Antrag zu zwei Jahren russische Invasion in der Ukraine und zehn Jahren russische Annexion der Halbinsel Krim gerungen. Die SPD verhinderte schließlich, dass die Marschflugkörper ausdrücklich genannt wurden. FDP und Grüne wären dafür gewesen. Für den Antrag stimmten 382 Abgeordnete, dagegen 284. Es gab 2 Enthaltungen.
Als Kompromissformel wird nun die Lieferung von „zusätzlich erforderlichen weitreichenden Waffensystemen“verlangt. Dies wird folgendermaßen begründet: „Insbesondere muss die Ukraine auch künftig in die Lage versetzt werden, Angriffe auf militärische Ziele wie Munitionsdepots, Versorgungsrouten und Kommandoposten weit hinter den Frontlinien durchzuführen und ihre Soldatinnen und Soldaten vor den vielgestaltigen Attacken des russischen Militärs bestmöglich schützen zu können.“
Als Reaktion auf die Zurückhaltung der Koalition legte die Union einen eigenen Antrag vor, der die Lieferung von Taurus ausdrücklich fordert. Der wurde vom Bundestag aber mehrheitlich (182 Ja, 480 Nein, 5 Enthaltungen) abgelehnt. Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann stimmte allerdings zu – ein ungewöhnlicher Vorgang. Normalerweise lehnen Koalitionsabgeordnete Anträge der Opposition prinzipiell ab. „Ich möchte mir nicht eines Tages vorwerfen lassen, im richtigen Augenblick nicht das Richtige getan zu haben“, begründete Strack-Zimmermann ihre Entscheidung. Die Union fragte im Bundestag immer wieder Koalitionsredner, ob mit der Formulierung der zusätzlich erforderlichen weitreichenden Waffensysteme auch Taurus gemeint sei. Verteidigungsminister Boris Pistorius musste sich diese Frage ebenfalls gefallen lassen. „Das kann ich nicht beantworten“, sagte der SPD-Politiker. „Ich habe den Antrag gelesen. Die Antragsteller werden sich ihren Teil dabei gedacht haben.“