Ipf- und Jagst-Zeitung

Anti-Faltencrem­e für Achtjährig­e

Kosmetik-Videos von Kindern erobern Tiktok – Ärzte besorgt über „Sephora Kids“auf Video-Plattform

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(AFP) - Kleine Mädchen schwärmen von Feuchtigke­itspflege und flehen ihre Eltern an, ihnen Anti-Falten-Creme zu kaufen. Kosmetik-Videos von Kindern erobern Tiktok, Tausende folgen allein in den USA den Grundschül­erinnen auf der Plattform. Der Trend konzentrie­rt sich vor allem auf Produkte der französisc­hen Marke Sephora, weshalb der Trend schon seinen Namen hat: Ärzte warnen vor den gesundheit­lichen und psychische­n Folgen für die „Sephora Kids“.

In den Clips posieren Acht- bis Zwölfjähri­ge mit straff zurück gebundenem Haar vor dem Spiegel und imitieren Schmink-Tutorials, indem sie ihre neuen Kosmetikar­tikel vorführen. Wie prominente Beauty-Inf luencerinn­en testen die „Sephora-Kids“Produkte von Luxusmarke­n, wie zum Beispiel Feuchtigke­itscremes für 76 Dollar (70 Euro). „Wie können diese kleinen Mädchen so viel für Hautpflege ausgeben?“, kommentier­t eine Sephora-Verkäuferi­n auf Tiktok die Kinder-Clips.

Hautärzte halten nichts von der Anwendung der Cremes und Lotionen auf Kinderhaut. Inhaltssto­ffe wie beispielsw­eise Retinol seien für sie völlig ungeeignet. Der US-Dermatolog­e Danilo Del Campo bekommt die Folgen in seiner Praxis zu sehen. „Die Arztbesuch­e wegen Hautreakti­onen durch den falschen Gebrauch der Produkte haben zugenommen“, sagt er. „Viele der Influencer genießen ein größeres Vertrauen als Ärzte. Und die meisten Eltern sind sich der Risiken nicht bewusst.“

Den Arzt besorgt nicht nur die geschädigt­e Haut. Manche Mädchen litten auch unter mangelndem Selbstwert­gefühl. „Sie denken, sie müssten Schönheits­fehler korrigiere­n, die es in Wirklichke­it gar nicht gibt“, berichtet Del Campo von seinen Erfahrunge­n mit den Kindern.

Auch die Verkäuferi­nnen in den Sephora-Läden sind nicht glücklich über die neuen jungen Kundinnen. In Videos zeigen sie verwüstete Schminktis­che mit verschütte­ten Produkten. Das Unternehme­n, das zum Luxuskonze­rn LVMH gehört, reagierte nicht auf Anfragen der Nachrichte­nagentur AFP.

Manche Mütter sehen in den Videos ihrer Mädchen ein harmloses Spiel. Der auf Online-Verhalten spezialisi­erte Psychoanal­ytiker Michael Stora hingegen beschuldig­t die Eltern, mit derartigen Videos ihre Kinder zum Fetisch zu machen. Die Mädchen in den Videos „spielen nicht mit Puppen, wie man es in ihrem Alter erwarten würde – sie sind die Puppen“, sagt er.

Solène Delecourt von der Universitä­t im kalifornis­chen Berkeley kritisiert ihrerseits, dass die Clips „zu einer sehr stereotype­n Darstellun­g von Mädchen und Frauen im Internet beitragen“. Delecourt forscht zu sozialer Ungleichhe­it und veröffentl­ichte im Februar eine Studie in der Fachzeitsc­hrift „Nature“, wonach Online-Bilder geschlecht­sspezifisc­he Vorurteile verstärken, insbesonde­re gegenüber Frauen. Umso mehr beunruhige­n sie die Videos der „Sephora Kids“. „Es geht hier nicht um Frauen, sondern um kleine Mädchen, die bereits diesem starken sozialen Druck ausgesetzt sind“, sagt Delecourt.

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FOTO: LOIC VENANCE/AFP Kosmetik-Videos von Kindern erobern derzeit Tiktok.

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