Magirus kommt in neue Hände
Finanzinvestor übernimmt den traditonsreichen Hersteller von Feuerwehrfahrzeugen aus Ulm – Was der neue Eigentümer vorhat
- Seit rund einem Jahr halten sich Gerüchte, der italienische Nutzfahrzeughersteller Iveco wolle sich von seiner Feuerwehr-sparte Magirus in Ulm trennen. Nun haben sich die Gerüchte bestätigt: Nach mehrmonatigen Verhandlungen, bei denen zuletzt noch drei Interessenten um den Zuschlag buhlten, hat der Münchener Finanzinvestor Mutares das Unternehmen übernommen. Die entsprechenden Verträge seien am Mittwoch unterschrieben worden. Zum Kaufpreis äußerten sich weder Iveco noch Mutares. Bis Magirus ganz in den Händen von Mutares ist, soll es aber noch bis Januar 2025 dauern. Die Entflechtung von der Iveco-Gruppe benötige Zeit, hieß es in einer Mitteilung von Mutares.
Das 1864 gegründete Unternehmen Magirus beschäftigt aktuell rund 1300 Mitarbeiter an vier Standorten in Deutschland, Italien, Österreich und Frankreich, ist weltweit in mehr als 70 Ländern vertreten und beliefert hauptsächlich Kommunen und öffentliche Verwaltungen, Flughäfen und Industrieunternehmen.
Hauptsitz ist Ulm mit 1100 Mitarbeitern. Dort werden nicht nur Löschfahrzeuge und Drehleitern gefertigt. Das Werk im Donautal ist als Kompetenzzentrum auch Entwicklungsstandort. Zuletzt erwirtschaftete Magirus mit Feuerwehrfahrzeugen, Leitern,
Pumpen sowie Komponenten und Systemen einen Jahresumsatz von 300 Millionen Euro, schrieb operativ aber Verluste – nach Angaben der Muttergesellschaft Iveco in Höhe von 35 Millionen Euro.
Die schon seit Jahren anhaltende Ergebniskrise dürfte auch der Grund gewesen sein, weshalb sich Iveco von Magirus trennt. Probleme gibt es wohl vor allem im Geschäft mit Löschfahrzeugen. Bei Drehleitern hingegen reklamiert Magirus nicht nur die Weltmarktführerschaft für sich, auch operativ laufe es in der Sparte „gut“, wie ein Unternehmenssprecher der „Schwäbischen Zeitung“verriet.
Magirus-Chef Thomas Hilse will in dem Verkauf aber vor allem Positives sehen. Die Transaktion werde Magirus „die vollständige Unabhängigkeit von der IvecoGruppe verschaffen und einen eigenständigen Weg in die Zukunft des Feuerwehrgeschäfts ermöglichen“, sagte der Manager. Die Verflechtung in der Iveco-Gruppe hatte für Magirus in den vergangenen Jahren nämlich nicht nur Vorteile. Von eingeschränkter Flexibilität, die für einen Mittelständler wie Magirus mit einem sehr kundenindividuellen Geschäft wichtig sei, und komplexen Prozessen war die Rede.
Ändern soll sich durch den Verkauf in Ulm vorerst nichts. Alle Vertriebs-, Service- und Produktionsaktivitäten würden wie gewohnt weitergeführt, sagte Hilse.
Die Beschäftigten sind am Donnerstag über den Deal informiert worden. Auch für sie, hieß es, ändere sich zunächst nichts. Das hat aber vor allem mit den noch ausstehenden Prüfungen und behördlichen Genehmigungen zu tun, die spätestens im Januar 2025 abgeschlossen sein sollen.
Dass das auch danach so bleibt, ist unwahrscheinlich. Mutares ist eine börsennotierte Beteiligungsgesellschaft, die sich auf die Übernahme von Unternehmensteilen großer Konzerne und von mittelständischen Unternehmen in Sondersituationen spezialisiert hat. Der Finanzinvestor kauft in der Regel ertragsschwache Unternehmen, bringt diese auf Wachstumskurs und verkauft sie nach drei bis fünf Jahren wieder. Im Idealfall mit kräftigen Wertzuwächsen. Das funktioniert jedoch nicht, wenn alles beim Alten bleibt.
Der Magirus-Unternehmenssprecher betonte jedoch, dass Mutares „keine klassische Heuschrecke“sei, die Unternehmen kaufe, sie in Einzelteile zerlege und wieder verkaufe. Die Übernahme, so seine Einschätzung, biete für Magirus vielmehr die Chance, an die erfolgreichen Zeiten von vor zehn Jahren anzuknüpfen. Zudem gebe es für Ulm einen Standortsicherungsvertrag.
Auch Mutares bemühte sich, für das Ulmer Unternehmen eine positive Zukunft zu zeichnen. Magirus sei eine starke Marke, habe erstklassige Innovationen und fortschrittliche Technologien sowie eine starke Wettbewerbsposition. Es sei eine „typische Mutares-Akquisition, bei der das Unternehmen für eine renommierte Marke mit hoher Qualität steht und ein überzeugendes Wertversprechen bietet“, sagte der Finanzchef von Mutares, Mark Friedrich. Deshalb sehe man im Unternehmen ein großes Potenzial und freue sich, Magirus’ Position in Europa und weltweit weiter auszubauen.
Mutares entwickelt seine Zukäufe im Rahmen einer sogenannten Buy-and-Build-Strategie weiter. Das heißt, dass durch weitere Übernahmen in der Branche eine größere, schlagkräftigere und wertvollere Einheit gebildet wird. Magirus soll dabei als sogenannte Plattform-Investition dienen, um die herum die größere Einheit aufgebaut werden soll.
Iveco, selbst eine Abspaltung vom Landtechnik-Konzern CNH (Case-New Holland), hatte Magirus vor einem Jahr zum Verkauf gestellt. Zuletzt steuerte die Tochter zwei Prozent zum Umsatz des italienischen Nutzfahrzeugherstellers bei. Im Zuge der Übernahme durch Mutares erwartet der Konzern einen negativen Ergebniseffekt von 115 Millionen Euro im ersten Quartal dieses Jahres.