Mit Jesus verliert die Gewaltlogik der Welt ihre Dominanz
Im Alltag sind Ärger und Konflikte programmiert. An allen Ecken und Enden „menschelt“es. Wie kann jemand nur so gemein, gedankenlos oder hinterhältig sein?! So ein Verhalten ist unterste Schublade! Gedanken, die wir alle kennen. Oft frage ich mich: Wie soll ich reagieren? Wie kann ich mich wehren? Es gibt mehrere Möglichkeiten.
Ich könnte das Vorgefallene einfach ignorieren. So spare ich mir die offene Auseinandersetzung. Aber eines zeigt sich dabei: Unsere Beziehung ist mir nicht so wichtig, dass ich eine Klärung möchte. Das Problem könnte sein: Im Untergrund gärt es irgendwann doch. Ein schlechtes Gefühl bleibt.
Eine zweite Möglichkeit ist Vergeltung. Mit gleicher Münze heimzuzahlen. Ich lasse mir nichts gefallen. Ich hoffe, dass der andere aus Schmerzen lernt und kapiert, dass er so nicht mit mir umgehen kann! Problem: Wenn er sich wieder zurückrächt dreht sich das Rad der Verletzungen immer weiter.
Es gäbe auch noch einen dritten Weg. Das ist der Weg der stummen Anklage und des Nichtvergessens. Er hält das erlittene Unrecht am Leben, indem ich immer wieder daran denke. Mitunter hält das Nachtragen sehr lange, vielleicht sogar über Generationen. Diese Möglichkeiten sind allgemein bekannt und alltäglich. Sie können im Privatleben und global begangen werden. So unterschiedlich sie sind, haben sie doch eine Gemeinsamkeit: Das Unrecht bleibt in der Welt. Es ist in der Erinnerung präsent. Wie ein unaufgeräumter Keller, vollgestellte Räume. Ein dunkles Fundament unserer Lebensräume.
Dieser Freitag ist Karfreitag. Dieser besondere Feiertag hat viele Aspekte und manche Menschen begegnen ihm mit Skepsis oder Ablehnung. Ich kann gar nicht alle Blickwinkel benennen oder dafür Rede und Antwort stehen.
Stattdessen möchte ich Ihnen etwas erzählen: Eines Tages komme ich am Karfreitag mit einer neuen Kiste, angefüllt mit ungelöstem Ärger und aufgestauter Wut in meinen vollgestellten Keller und schalte mit dem Ellbogen das Licht an. Es ist ungefähr um die sechste Stunde. Draußen wird es schon dunkel, obwohl es mitten am Tag ist. Merkwürdig, oder? Als das Licht angeht, bemerke ich zwei Dinge. Zum einen ist der Keller plötzlich leer und zum andern steht da ein langhaariger, hagerer junger Mann und streckt seine Arme aus. „Das alles kannst du mir auch gleich noch geben!“, sagt er und greift nach der Kiste in meinen Händen. Ich bin sonst schlagfertig, aber jetzt bin ich so überrascht, dass mir nichts einfällt. „Ich kenne eine Möglichkeit, wie dein Keller hier leer bleibt …“, sagt er in die Stille.
Karfreitag stirbt Jesus. So erzählt es die Bibel. Dieser Tod eröffnet denen, die an ihn glauben, eine neue Möglichkeit. Mit Jesus stirbt die Beschränkung auf die herkömmlichen Möglichkeiten, mit Unrecht umzugehen. Mit Jesus verliert die Gewaltlogik der Welt ihre Dominanz und Liebe wird möglich. Die Lösungsansätze von Vergeltung, nachtragen oder verdrängen, kommen an ihr Ende. Leid und Verletzung, die uns zugefügt werden können wir nun vergeben. Weil durch Jesus die Sünde ihre Macht verloren hat. Nichts wird ungeschehen dadurch. Nichts wird zugedeckt. Dafür wird aufgeräumt, wo ich als Mensch nicht die Kraft dazu habe.
Karfreitag ist mein Rettungsanker in diesen Zeiten, wo mich Gewalt und Krieg in Gedanken bedrängen. Überall auf der Welt beklagenswerte Zustände. Und auf viele Probleme weiß ich keine Lösung. Alles ist so komplex und verflochten. Manchmal möchte man auswandern oder der Welt den Rücken zukehren, alles hinschmeißen, so schwierig scheint die Gegenwart.
In meinem Keller steht der Mann mit meiner letzten Kiste in der Hand. Wir sehen uns an. „Wie soll ich jetzt weitermachen?“, frage ich. Ich hatte mich auf ein paar Stunden hier unten eingestellt und wollte mir all das alte Gerümpel vornehmen. „Wie wäre es mit leben? Ab heute versöhnlicher und unbeschwerter?“, fragt er. Ich zögere erst, sage dann: „Ok! Aber soll ich dir jetzt nicht besser die letzte Kiste abnehmen? Du musst doch erschöpft sein, wenn du schon alles von da unten weggebracht hast. Die will ich dir nicht auch noch zumuten!“„Ach lass mal!“, entgegnet er. „Warum tust du das?“, frage ich. Und während er auf die Treppe zugeht flüstert er hörbar: „Weil ich dich kenne und trotzdem liebe.“
Als ich nach oben komme nehme ich verschiedene Gefühle in mir wahr. Ein bisschen ungläubig, etwas beschämt, irritiert und verwirrt bin ich. Oben ist es hell und warm. Angesichts des Lichtes beschließe ich einfach mal dankbar zu sein. Was den Keller betrifft, habe ich doch ganz neue Möglichkeiten. Die Erinnerung an meinen alten Müll ist zwar noch präsent. Aber es gibt jetzt auch viel Raum für etwas ganz Neues. Ich könnte auch besseres Licht installieren. Ein Satz von Jesus fällt mir ein: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, irrt nicht mehr in der Finsternis umher. Vielmehr wird er das Licht des Lebens haben.“
In diesem Licht erkennen wir die Möglichkeiten, die Jesu Stellvertretung für uns eröffnet. In allen Schwierigkeiten und aller Not, in denen wir Menschheit mit unseren Möglichkeiten an Grenzen stoßen. Da gibt es die, die gesetzt sind, wie der Tod. Doch es gibt viele Grenzen, die wir selbst aufrichten. Das sind die zwischen Menschen, die aus Hass, Angst oder Habgier entstehen. Jesu Tod bedeutet, dass er alles Unrecht, Schuld und Schmerz verarbeitet und überwindet. Er gibt es nicht an uns zurück. Er schleppt die Kisten weg. Trägt das Leid mit. Wir werden weder gefragt, noch ob wir das wollen oder ob wir es unserer Ansicht nach brauchen. Es reicht, dass es Gottes Wille ist. Er sieht für uns nur diese Möglichkeit. Doch so haben wir letztlich die Hände frei für Liebe und Versöhnung.