„Man muss nicht alles glattbügeln“
Der Lindauer Schönheitschirurg Werner Mang über die Macht der Eitelkeit, Problemzonen bei Männern und warum er nicht in den Supermarkt geht.
- Professor Werner Mang (74) scheint allgegenwärtig, das gilt für seine Präsenz in den Medien genauso wie für sein Büro in der Bodenseeklinik auf der Lindauer Insel. Auf seinem Schreibtisch steht neben Familienfotos ein Bild, das ihn mit Top-Model Naomi Campbell zeigt, auf einem anderen ist er mit Papst Benedikt bei einer Audienz zu sehen. Auch die Wände schmücken Dutzende Fotos, Mang mit Siegfried und Roy, mit Ralf Moeller, mit Fritz Wepper, und mit vielen anderen Stars. Im Interview erklärt der berühmte Schönheitschirurg – der in Ulm geboren wurde und in Lindau aufwuchs – wie er zu seiner eigenen Prominenz steht, warum sich das Schönheitsideal zum Negativen verändert habe und welche Auswüchse der ästhetischen Chirurgie er ablehnt.
Herr Mang, ist es richtig, dass die Schönheitschirurgie ausgerechnet vom Homeoffice profitiert?
Ja, durch den Handywahn, durch Facebook, Instagram und auch das Homeoffice mit den Videokonferenzen betrachtet man sich permanent selbst. Früher haben sich die Leute zum Zähneputzen im Spiegel gesehen und das war’s. Nun nimmt auch noch die Eitelkeit zu, wovon das Geschäft der ästhetischen Chirurgie partizipiert.
Die Menschen sind demnach noch eitler als früher?
Ich sehe schon, dass in der abendländischen Kultur zunehmend Wert auf das Äußere gelegt wird. Als Pionier der ästhetischen Chirurgie habe ich damals bei Ingrid Steeger das erste Facelifting gemacht und schon in den 80er-Jahren Götz George, der sich beim „Tatort“nicht doubeln lassen wollte, im Gesicht zusammengeflickt. Seit dieser Zeit haben sich die Indikatoren jedoch geändert. Lag der Altersdurchschnitt in der Schönheitschirurgie vor 20 Jahren noch bei 18 bis 60, kommen heute 14- bis 80-Jährige zu mir.
Was wollen denn 14-Jährige bei Ihnen?
Ich kann nur sagen: Horror Internet, mit den sozialen Medien wurden gewisse Monster erschaffen. Untersuchungen zeigen, dass jedes vierte Mädchen zwischen 14 und 16 unzufrieden ist mit seinem Aussehen. Warum: Die Zehnjährigen hängen alle am Handy, werden von Influencerinnen beeinflusst, nach dem Motto, wenn du gut aussiehst, kannst du viel Geld verdienen, wirst anerkannt und bist selbstbewusst. Wenn du Lippen aufspritzt und den Busen vergrößerst, kommst du privat und beruflich weiter. Ich sage dagegen, Hände weg von Schönheitsoperationen vor dem 18. Lebensjahr, Schlauchbootlippen gehören auf den Bodensee und nicht ins Gesicht.
Schönheitsoperationen können den Ausdruck eines Menschen verändern, entsteht da manchmal eine gewisse Leere im Gesicht?
Ja, wie geklont. Darauf haben aber auch die Medien einen Einfluss. Bis 1945 herrschte immer das gleiche Schönheitsideal aus der Antike, der David von Michelangelo, die Venus von Milo. Frauen hatten kleinere Brüste, üppige Formen und ebenmäßige Gesichter. Ab ’45 hat sich das durch Print und Fernsehen gewandelt, durch Brigitte Bardot wollten alle größere Brüste und neue Lippen, dann kam Twiggy und alle wollten plötzlich abnehmen. Claudia Schiffer stand noch für eine gewisse Normalität, dann folgte aber mit Kylie Jenner oder Romina Palm die Internetzeit. Das hat die Schönheitschirurgie völlig verändert mit aufgespritzten Lippen, Barbiepuppen-Nasen, Megabrüsten und Po-Implantaten. Ich mache diesen Trend nicht mit – vernünftige Schönheitschirurgie ja, Schönheitswahn nein.
Was ist für Sie denn noch vernünftig?
Mädchen, die von der Oma eine Reithose und eine spindeldürre Taille geerbt haben. Das genetische Fett bekommt sie durch Abnehmen nicht weg, das lässt sich gut absaugen. Die Mädchen sind danach glücklicher, selbstbewusster und trauen sich wieder ins Schwimmbad. Genauso gibt es Mädchen, die haben Riesenbrüste oder gar keine Brüste. Und acht Prozent haben ungleiche Brüste, das ist ein großes Feld. Oder ein Junge mit Hakennase und fliehendem Kinn, der unter psychischen Problemen leidet, das kann man operieren.
Männer sind auch ohne psychische Probleme nicht mehr so zimperlich bei Schönheitsoperationen, oder?
Untersuchungen zeigen, dass der Männeranteil bei Schönheitsoperationen im Jahr 2000 noch bei acht Prozent lag, 2010 waren es schon 15 Prozent und heute liegt er bei weit über 20 Prozent.
Und wo wähnen die Mannsbilder ihre Problemzonen?
Wir haben viele Männer mit 50 plus, die im Beruf nochmal durchstarten, Akademiker, Schullehrer, Politiker, alles querbeet, die lassen sich Schlupflider, Tränensäcke und Doppelkinn machen. Man fühlt sich heute mit 60 oder 65 wie früher mit 40 oder 50. Ich selbst bin 70 plus, stehe jeden Morgen um 7.30 Uhr auf, bekomme einen Pfefferminztee mit Zitrone und eine Banane. Dann fahre ich über die Seebrücke in die Klinik und danke dem lieben Gott, dass ich gesund bin. Um 8 Uhr starte ich dann mit einer OP. Das ist mein Leben, der Beruf hält mich jung.
Aber unterliegen wir nicht auch einem gewissen Jugend- wahn?
Die Zauberformel „forever young“ist in jedem Kopf drin. Altern will keiner, die Zähne werden schlechter, Knochen und Muskeln bauen ab, die Leistungsfähigkeit sinkt. Gebrechlichkeit ist nicht schön. Das nützt uns Schönheitschirurgen, weil wir die Hülle anpassen können. Ich habe schon 1984 die erste Faltenunterspritzung in Deutschland gemacht, heute können wir zehn, 15 Jahre an der Optik gewinnen. Wir müssen aber auch selbst etwas dafür tun, auf Süßigkeiten und Junkfood verzichten, dreimal die Woche den Puls auf über 120 bringen, sich vernünftig und vitaminreich ernähren.
Kommt Schönheit heute denn gar nicht mehr von innen?
Ausstrahlung ist noch immer wichtig. Barbies Ken ist ein langweiliger Mensch, leblos und ohne Ausstrahlung. Zu einem charismatischen und gut aussehenden Menschen gehören auch Intelligenz und Vitalität. Ich kann auch mit einem Höcker auf der Nase gut aussehen, man muss nicht alles glattbügeln.
Ihrem Schönheitsideal entspricht das aber nicht gerade?
Als Operateur bin ich immer für die zeitlose Schönheit. Grace Kelly steht für mich dafür, die Nase, die Lider, die Harmonie und der goldene Schnitt bei den Abständen. In der Antike ist das der frühgotische Typ, beim Mann der frühgriechische Typ, wie Georg Clooney. Viele haben jedoch Kim Kardashian im Kopf, das sind die Antipoden zu diesem Schönheitsideal. Radikaleingriffe und Riesenfaceliftings mache ich aber nicht.
Was machen denn andere in dieser Hinsicht?
In Amerika liegt es im Trend, die siebte Rippe rauszuschneiden, um eine enge Taille zu bekommen, das ist medizinisch unverantwortlich. Genauso wie der neueste Trend, bei der Frau den Mittelfuß rauszuschneiden, damit sie High-Heels über 15 Zentimeter tragen kann. Oder der Brazilian-Butt-Lift zur Vergrößerung des Pos, da gab es sogar schon zwei Todesfälle in Deutschland. Früher wurde das mit Silikonimplantaten gemacht, heute nimmt man Fett ab und spritzt es wieder ein, das kann jedoch zu Thrombosen und Embolien mit Todesfolge führen.
Sind Schönheitsoperationen grundsätzlich riskant?
Wichtig ist, sich nicht ambulant operieren zu lassen, sondern dass eine Klinik dahintersteht, die bei Komplikationen eingreifen kann. Dann ist die plastische Chirurgie sehr sicher. Wir sind nur eine Oberflächenchirurgie, da passiert relativ wenig. Bis zu drei Prozent der Kunden sind auch bei uns unzufrieden, weil sie eine Narbe bekommen oder bei der Nase gewisse Unebenheiten entstehen, das kann bei der Operation passieren. Die Anspruchshaltung wird jedoch immer höher.
Anspruchsvoll sind womöglich auch die Prominenten, von denen sie zahlreiche kennen, wie die Fotos in Ihrem Büro zeigen ...
Ich habe Papst Benedikt die Hand geschüttelt, war beim Dalai Lama, bei Bill Clinton, viele Prominente sind meine Freunde. Ich habe nicht alle operiert, aber ihnen medizinisch mit Rat und Tat geholfen. So bin ich weltweit vernetzt.
Und gehören inzwischen selbst zur Prominenz?
Ich fühle mich gar nicht so prominent und bin oft überrascht. Neulich beim Discounter musste ich Selfies und Autogramme geben, ich kann nicht einkaufen gehen, so gerne ich das möchte. Ich bin aber streng erzogen und hatte eine glückliche Kindheit. Obwohl ich einer der erfolgreichsten Ärzte geworden bin, bin ich auf dem Boden geblieben. Für mich sind zehn Euro noch immer viel Geld.
Einkaufen fällt Ihnen schwer, dafür genießen Sie den medialen Auftritt in Zeitungen und Fernsehen. Wie schätzen Sie die öffentliche Wahrnehmung Ihrer Person ein?
Jeder prominente Mensch polarisiert. 50 Prozent mögen mich, 50 Prozent mögen mich nicht. Ich kann es nicht jedem recht machen. Natürlich wird man nachdenklich, wenn Neid und Missgunst einen treffen. Aber sobald jemand aus der Pyramide herausragt und oben ankommt, sei es ein Vorstand oder ein Politiker, bietet er Angriffsfläche. Es gefällt nicht jedem, wenn ich mit meinem alten Rolls Royce rumfahre, mit 60 noch den Hubschrauberführerschein mache oder das ZDF einen großen Beitrag über mein Leben dreht.
Stört die Menschen vielleicht auch Ihre Eitelkeit?
Eitel bin ich ja nicht. Ich bin am Bodensee verwurzelt und stolz auf das Geleistete. Ich bin jemand, der weiß, dass er charismatisch und selbstbewusst ist. Der weiß, dass er manchmal undiplomatisch und ehrlich ist. Und wenn ich einen Fehler gemacht habe, entschuldige ich mich. Ich bin ganz menschlich.
Menschlich ist auch Ihr Markenzeichen – die Nase. Stimmt es, dass Sie sogar Ihre Villa danach benannt haben?
Ja, Rhino, die Nasenvilla, und unser Apartment in Zürs heißt Rhino Monte. Die Nase ist der Ursprung meines Erfolges, die Nase ist mein Leben (lacht).
Das Buch „Schönheitschirurgie – Ihr persönlicher Ratgeber“von Werner L. Mang, 24,99 Euro, ist jetzt in einer Neuauflage erschienen.