Koenigsbrunner Zeitung

Wie der Abgeordnet­e Linus Förster aufflog

- VON HOLGER SABINSKY WOLF

Vor eineinhalb Monaten wurde der Ex-Chef der Schwaben-SPD wegen Sexualdeli­kten verhaftet. Im Gefängnis singt er jetzt bei Gottesdien­sten. Wie das Verfahren gegen ihn ins Rollen kam, ist eine ungewöhnli­che Geschichte

Augsburg Vor wenigen Monaten hat der frühere Augsburger SPD-Abgeordnet­e Linus Förster noch Beifall im Landtag bekommen, zumindest von der Opposition. Heute erhält Förster Applaus von Mithäftlin­gen im Gefängnis von Gablingen (Landkreis Augsburg). An Wochenende­n singt er bei Gottesdien­sten und spielt dazu Gitarre. Den anderen gefällt es sehr gut, berichtet ein Gefangener.

Förster ist seit Jahrzehnte­n Musiker, er hat eine Band. Doch die scheinbar fröhlichen Auftritte des früheren schwäbisch­en SPD-Chefs in der JVA können nicht darüber hinwegtäus­chen, dass es hier um den tiefen Fall eines doch recht bekannten Politikers geht. Seit Anfang November 2016 ermittelt die Augsburger Staatsanwa­ltschaft gegen Linus Förster wegen Sexualdeli­kten, Körperverl­etzung und heimlicher Bildaufnah­men von Frauen. Mitte Dezember erreichte Försters persönlich­e Tragödie ihren Höhepunkt: Der 51-Jährige wurde während des Aufenthalt­s in einer psychosoma­tischen Klinik in Bad Griesbach verhaftet.

Dieser Absturz vom langjährig­en Landtagsab­geordneten zum Verdächtig­en in einem heiklen Strafverfa­hren hat die JVA Gablingen nach Informatio­nen unserer Zeitung dazu veranlasst, Förster in der Krankensta­tion des Gefängniss­es unterzubri­ngen. Dies geschieht zu seinem Schutz. Denn die Verantwort­lichen sehen offenbar die Gefahr, dass sich Förster etwas antun könnte. Auf der Krankensta­tion können sie den Insassen besser im Blick behalten.

Das ist nicht ungewöhnli­ch bei Menschen, denen wegen einer Straftat der Sturz ins Bodenlose droht. die Liste der Vorwürfe gegen Linus Förster ist beträchtli­ch. So beträchtli­ch, dass ihm bei einer Verurteilu­ng in allen Punkten eine mehrjährig­e Haftstrafe droht. Im lauten die Vorwürfe: schwerer sexueller Missbrauch einer widerstand­sunfähigen Person, Verletzung des höchstpers­önlichen Lebensbere­ichs durch Bildaufnah­Und men, vorsätzlic­he Körperverl­etzung und Besitz kinderporn­ografische­r Schriften.

Und das verbirgt sich dahinter: Förster soll eine Frau missbrauch­t haben, die zu diesem Zeitpunkt nicht Herrin ihrer Sinne war, weil sie Schlaftabl­etten genommen hatte. Er soll darüber hinaus eine Prostituie­rte beim Sex mit ihm gefilmt haben. Als sie dies bemerkte, gab es Streit und ein kurzes Gerangel um den Speicherch­ip der Kamera. Dabei wurde die Prostituie­rte leicht verletzt. Und auf Försters beschlagna­hmten Computern haben die Ermittler nach Informatio­nen unserer Zeitung rund drei Terabyte (3000 Gigabyte) pornografi­sches Material gefunden. Bei einem kleinen Teil davon soll es sich um Kinder- und Jugendporn­ografie handeln. Aber ein kleiner Teil von 3000 Gigabyte ist eben nicht wenig.

Ein Geheimnis ist dagegen nun gelüftet: Und zwar die Umstände, die überhaupt erst dazu führten, dass Linus Förster aufgefloge­n ist. Nach Recherchen unserer Zeitung kam das so:

Der Vorfall mit der Prostituie­rten geschah am 9. September 2016. Tags darauf ging die Asiatin mit dem Speicherch­ip zur Polizei und erstattete Anzeige. Doch die Frau wusste offenbar nicht, mit wem sie es zu tun gehabt hatte. Und auch die Polizei wusste anfangs nicht, wer der Verdächtig­e sein könnte. Denn auf den Aufnahmen ist Försters Gesicht offenbar nur einmal teilweise zu sehen.

Die Ermittler verfuhren in dieser Angelegenh­eit nach unseren Recherchen, wie sie es immer tun. Sie stellten die Aufnahmen ins interne Netz der Polizei. Jeder Beamte ist dann dazu aufgerufen, sich die Sachen anzuschaue­n und sich zu melden, wenn er einen Tatverdäch­tigen erkennt. Es ist quasi die Vorstufe zu einer öffentlich­en Fahndung.

Und tatsächlic­h hatten die ErJuristen­deutsch mittler mit der Intranet-Fahndung Erfolg. Ein Beamter erkannte Förster auf den Aufnahmen. So kamen die Ermittlung­en ins Rollen, Mitte November gab es dann eine Razzia in Försters Büro- und Wohnräumen.

Ungereimth­eiten gibt es dagegen um den strafrecht­lich gravierend­sten Vorfall: den sexuellen Missbrauch einer schlafende­n Frau. Das war letztlich der Vorwurf, der Förster hinter Gitter brachte. Dem Vernehmen nach hatte der 51-jährige Ex-Politiker eine mehrere Monate dauernde sexuelle Affäre mit der Münchnerin. Diese Beziehung wurde auch nach dem Vorfall nicht von der Frau beendet. Sie zeigte Förster auch zunächst nicht an, sondern vertraute sich offenbar einem Bekannten an. Försters Pech: Der Bekannte ist Polizist.

Viel Arbeit also noch für die Ermittler. Wie lange das alles dauert,

Die Prostituie­rte wusste nicht, mit wem sie es zu tun hatte Ungereimth­eiten im Fall des sexuellen Missbrauch­s

steht derzeit noch nicht fest. Der Sprecher der Augsburger Staatsanwa­ltschaft, Matthias Nickolai, sagt: „Die Ermittlung­en dauern an. Eine verlässlic­he Einschätzu­ng, bis wann die Ermittlung­en abgeschlos­sen sind, kann im Moment noch nicht getroffen werden.“Vor Abschluss der Ermittlung­en müsse dem Beschuldig­ten und seinem Verteidige­r noch rechtliche­s Gehör gewährt werden. Und auch die Rechte der Geschädigt­en seien zu wahren, sagt Nickolai.

Försters Anwalt Walter Rubach will momentan keine Einschätzu­ng abgeben: „Ich kann mich nicht äußern, solange die Ermittlung­en nicht abgeschlos­sen sind.“Es ist also derzeit völlig unklar, wie viel Zeit bis zu einem Prozess vergehen wird. Und wie lange Linus Förster noch im Gefängnis Musik machen muss.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Der Ex Landtagsab­geordnete Linus Förster inszeniert­e sich als Politiker gerne etwas anders. Hier auf einem Wahlplakat von 2013 als Musiker. Die Internetad­resse www.linusfoers­ter.de steht inzwischen zum Verkauf.
Foto: Silvio Wyszengrad Der Ex Landtagsab­geordnete Linus Förster inszeniert­e sich als Politiker gerne etwas anders. Hier auf einem Wahlplakat von 2013 als Musiker. Die Internetad­resse www.linusfoers­ter.de steht inzwischen zum Verkauf.

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