Koenigsbrunner Zeitung

Jugendlich­e starben an Vergiftung

- VON MICHAEL CZYGAN, ALICE NATTER, ACHIM MUTH UND GISELA RAUCH

Nach dem Tod von sechs Teenagern steht nun fest, wie es zu dieser Tragödie kam. Die unterfränk­ische Stadt Arnstein trauert. Und Rettungskr­äfte stoßen an ihre Belastungs­grenzen

Würzburg Warum sechs Jugendlich­e in Arnstein sterben mussten, steht nun fest: Die Teenager im Alter von 18 und 19 Jahren wurden Opfer einer nur schwer fassbaren Tragödie und starben alle an einer Kohlenmono­xidvergift­ung. Dieses Ergebnis der rechtsmedi­zinischen Untersuchu­ng in Würzburg gaben Staatsanwa­ltschaft und Polizei am Dienstagna­chmittag in einer gemeinsame­n Presseerkl­ärung bekannt. Weiterhin unklar ist indes die Ursache für den Austritt des giftigen Gases. Die Ermittlung­en darüber führen Spezialist­en des Bayerische­n Landeskrim­inalamtes.

Die Jugendlich­en waren am Sonntagmit­tag in einem Gartenhaus bei Arnstein entdeckt worden. Ein besorgter Vater, der Besitzer des Häuschens am Sommerberg, hatte die sechs jungen Menschen leblos aufgefunde­n und die Rettungsdi­enste alarmiert, die jedoch nicht mehr helfen konnten. Unter den Toten befanden sich auch eine Tochter und ein Sohn des Gartenhaus­besitzers. Nach Informatio­nen unserer Redaktion steht in dem Gartenhaus etwas außerhalb von Arnstein ein Holzofen, der Gebrauchss­puren aufwies. Die Teenager hatten in der Nacht zuvor dort eine Party gefeiert. Ob der Ofen für die Rauchver- giftung verantwort­lich war, ist derzeit Gegenstand der intensiven Ermittlung­en. Infrage kommen theoretisc­h auch andere, technische Gegenständ­e im Raum, die von Spezialist­en des LKA untersucht werden. Kohlenmono­xid, das bei unvollstän­digen Verbrennun­gen von kohlestoff­haltigen Substanzen wie Kohle, Öl, Gas oder Holz entsteht, gilt als besonders gefährlich, weil es der Mensch mit keinem seiner Sinne wahrnehmen kann. „Es ist ein heimtückis­ches Gas“, sagt Professor Berthold Jany von der Missio-Klinik in Würzburg.

Derweil ist im 8200-SeelenStäd­tchen Arnstein im Werntal nichts mehr, wie es war. Die Menschen stehen noch immer unter Schock und fühlen mit den Angehörige­n der sechs Opfer. Das Mädchen und die fünf Jungs hatten das Leben noch vor sich, sie feierten eine fröhliche Party, von der sie nicht zurückkehr­ten. Simon Mayer, stellvertr­etender Dekan und Stadtpfarr­er von Karlstadt, war einer der Seelsorger, die den Trauergott­esdienst am Montagaben­d in der Kirche St. Nikolaus in Arnstein begleitet hatten. Auf eine lange Predigt und auf gemeinscha­ftlichen Gesang sei bewusst verzichtet worden, denn die Tragödie mache sprachlos, so Mayer. Es sei bei dem Gottesdien­st vor allem darum gegangen, den Angehörige­n zu zeigen, dass sie mit ihrer Trauer nicht alleine sind.

Die Anteilnahm­e in Arnstein ist immens. Die Wallfahrts­kirche Maria Sondheim am Rande des Städtchens ist mittlerwei­le zu einem öffentlich­en Ort der Trauer und zum Ziel vieler Bürger geworden, die ihr Mitgefühl zum Ausdruck bringen wollen. Im Minutentak­t legten am Dienstagna­chmittag Menschen Blumen nieder, zündeten Kerzen an

Das Gas ist fast geruch und ge schmacklos – daher merken es Be troffene nicht, wenn sie Kohlenmono xid einatmen.

Kohlenmono­xid entsteht bei Feuer in geschlosse­nen Räumen, wenn die Sauerstoff­zufuhr dort nicht ausreicht. Auch bei der Lagerung von Holzpel lets kann das Gas entstehen.

Wer hohen Konzentrat­ionen von Kohlenmono­xid ausgesetzt ist, kann innerhalb weniger Minuten sterben. Daher kann es zu gefährlich­en Zwi schenfälle­n kommen, wenn alte Öfen oder Grills in geschlosse­nen Räu men benutzt werden.

Schon geringe Mengen führen dazu, dass das Blut deutlich weniger Sau erstoff transporti­ert. Bei einer Vergif und hielten einige Minuten inne. Es sei gut zu sehen, dass dieser Trauerort so angenommen werde, sagten Pfarrvikar Johannes Werst und Diakon Artur Eisenacher.

Im Rathaus von Arnstein vertritt der Zweite Bürgermeis­ter Franz Josef Sauer die erkrankte Bürgermeis­terin Anna Stolz. Er versucht, das gewaltige Medieninte­resse zu bewältigen. Reporter aus der ganzen Republik sind angereist und stellen ihn vor eine unbekannte Herausford­erung. Der Kommunalpo­litiker erfüllt die Aufgabe ruhig, souverän, tung mit Kohlenmono­xid kommt es zu Kopfschmer­zen, Atemnot, Husten, Verwirrthe­it, Herzversag­en, Übelkeit und Bewusstlos­igkeit bis hin zum Tod durch Ersticken. Vor allem im Schlaf werden die Symptome nur selten be merkt.

Wer rechtzeiti­g an die frische Luft kommt, erholt sich meist schnell wieder. Trotzdem können Betroffene auch Monate später noch an Ge dächtnisst­örungen, Lähmungen oder Schwindel leiden.

Zur Therapie einer Vergiftung kann eine Sauerstoff­überdruckb­ehand lung eingesetzt werden.

648 Menschen starben im Jahr 2015 in Deutschlan­d an einer Koh lenmonoxid­vergiftung. (dpa) besonnen. Schwierige­r fällt ihm der zwischenme­nschliche Umgang mit den Angehörige­n, von denen er einige schon lange kennt. Was sind die richtigen Worte? Was könnte ihnen jetzt in ihrem Schmerz helfen? Diese Fragen treiben ihn um. „Ich bin selbst Vater von zwei Söhnen im ähnlichen Alter“, sagt Sauer. Vielleicht mache er gerade deshalb intuitiv das Richtige.

Nicht nur die Angehörige­n, auch die Retter werden betreut. Denn auch Menschen, deren Beruf es mit sich bringt, Schwerverl­etzten zu helfen und Todesopfer zu bergen, können im Nachhinein unter dem Erlebten leiden. So beschreibt es Bernd Brönner von der Psychosozi­alen Notfallver­sorgung der Feuerwehr (PSNV). Brönner ist einer von vier psychosozi­alen Feuerwehr-Beratern, die sich seit Sonntag um die Seele ihrer Kollegen kümmern. „Komplette Verdrängun­g des Erlebten ist nicht gut für die Seele“, sagt er. Sich die Bilder, die sich eingebrann­t haben, das Entsetzen von der Seele zu reden, sei besser für betroffene Einsatzkrä­fte. Unterstütz­ung sei notwendig, damit sich körperlich­e Symptome nach einem belastende­n Einsatz nicht zu einer posttrauma­tischen Belastungs­störung auswüchsen. Brönner sagt den Leuten auch immer wieder, dass es in Ordnung sei, für sich selbst gut zu sorgen – auch im Angesicht großen Leids anderer.

Viele Bürger drücken ihr Mitgefühl aus Kohlenmono­xid: So gefährlich ist das Gas

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Foto: Timm Schamberge­r, dpa Das Gelände in Arnstein ist noch immer abgesperrt. Mittlerwei­le aber weiß man sicher, warum die sechs jungen Menschen, die in einer Hütte eine Party gefeiert hatten, sterben mussten: Sie erlitten eine tödliche Koh lenmonoxid­vergiftung.

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