Opel muss mit harter Hand saniert werden
Leitartikel Dass sich die Amerikaner von dem Hersteller trennen wollen, ist verständlich. Zu lange hat der Autobauer Verluste geschrieben. Die Zukunft für Opel bleibt ungewiss
Es war eine Frau, die aus der mit Nähmaschinen und Fahrrädern groß gewordenen Firma Opel einen Autohersteller gemacht hat. Und es ist eine Frau, die den europäischen Fahrzeugproduzenten jetzt verstoßen will. Die eine, Sophie Opel, eine kluge und energische Unternehmerin, wagte nach dem Tod ihres Mannes 1899 den Sprung in die Kraftfahrzeugwelt.
Die andere, General-MotorsChefin Mary Barra, ist nicht minder klug und energisch. Vor allem kann sie rechnen. Wer die Geschäftsbücher der GM-Tochter Opel studiert, erkennt rasch: Das finanzielle Desaster muss ein Ende haben. Seit 1999 fuhr der Autobauer für die US-Mutter nur rote Zahlen ein. Nach Berechnungen des Handelsblatts türmte Opel samt britischer Schwestermarke Vauxhall allein seit 2009 mehr als neun Milliarden Dollar Verluste auf. Unter normalen Umständen wäre ein solch chronisch defizitäres Unternehmen längst pleite. Opel ist aber kein normales Unternehmen. General Motors wollte lange mit den nach weltweiter Dominanz strebenden Riesen VW und Toyota mitfahren. Daher hielten die Amerikaner gegen jede betriebswirtschaftliche Logik an dem europäischen Sorgenkind fest und gönnten ihm (was ein großer Fehler war) zu wenig unternehmerische Freiheit.
Einmal stand GM kurz davor, sich vom Opel-Schrecken ohne Ende zu trennen. Doch der als sicher geltende Käufer Magna, ein Zulieferer, sprang ab. Damals, zu Zeiten der Finanzkrise, überlebte General Motors selbst nur durch Staatshilfe. Wieder keimte Hoffnung auf, Opel könnte gesunden. Wieder wurden die Hoffnungen enttäuscht. So riss GM-Chefin Barra der Geduldsfaden. Sie hat sich aus dem größenwahnsinnigen Rennen um die weltweite Auto-Krone verabschiedet und setzt vernünftig auf Ertragsklasse statt Absatzmasse.
Zudem stehen die Autohersteller durch die technologischen Revolutionen der Digitalisierung, der Elektrifizierung und des autonomen Fahrens vor Jahrhundertaufgaben. Um die Herausforderungen zu meistern, sind Milliarden-Investitionen notwendig. Auf der Branche lastet enormer Druck. Sie muss das Automobil teils neu erfinden.
Da liegt es für GM nahe, Opel an einen Konkurrenten weiterzureichen, der sein Glück mit dem Sanierungsfall versuchen soll. Ein Verkauf an den Peugeot-Konzern PSA scheint sich aufzudrängen, weil das Unternehmen bereits mit Opel kooperiert. Doch die Franzosen sind keine Musterknaben. Nur dank staatlicher Hilfe und dem Einstieg eines chinesischen Partners konnte PSA überleben. Zuletzt wurde der Konzern mit harter Hand erfolgreich saniert – ein Schicksal, das auch Opel nicht erspart bleibt.
Nach einer politisch herausgehandelten Anstandsfrist werden und müssen die Franzosen den Beschäftigten in Deutschland sicher Schmerzen zufügen. Ob dies das Opel-Werk in Eisenach überlebt, bezweifeln Insider. Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer glaubt, dass allein tausende Arbeitsplätze am Opel-Standort Rüsselsheim gefährdet sind. Französische Manager können sich durchsetzen. Ihre Netzwerke sind – wie das Beispiel des französisch-deutschen AirbusKonzerns zeigt – berüchtigt. Am Ende werden alle wesentlichen Entscheidungen in Paris gefällt.
Opel würde zu einer Marke im PSA-Kosmos. Das kann gut gehen, wie das Beispiel „Skoda“im VW-Reich zeigt, aber auch trotz kräftiger Restrukturierung zu einer langen Fahrt der Rückschläge führen. So hat die spanische Volkswagen-Tochter Seat nach vielen Verlustjahren erst 2016 wieder einen Mini-Gewinn eingefahren. Würde Peugeot mit Opel ein ähnliches Schicksal erleiden, ist die Gefahr groß, dass irgendwann die Existenz der Marke auf dem Spiel steht.
Wenn es gut läuft, wird Opel eine Art Skoda für Peugeot