Koenigsbrunner Zeitung

Dasselbe in Grün

Auto Der Opel Laubfrosch war das erste am Fließband produziert­e Auto Deutschlan­ds – und eine Kopie des 5CV von Citroën. Jetzt soll Opel an den französisc­hen Konzern PSA Peugeot Citroën verkauft werden. Wie tief die einstige Kultmarke gefallen ist, zeigt e

- VON ARNE BENSIEK

Rüsselshei­m Uwe F. ist ein Mann, der die Zukunft von Opel jeden Tag in den Händen hat. Am Stammsitz des Unternehme­ns in Rüsselshei­m baut er Prototypen. Neue Autos, die eines Tages in den Opel-Werken in Serie vom Band rollen und der Marke neuen Aufwind geben sollen. Einer wie Udo F. schaut nach vorne, ist Optimist schon von Berufs wegen, erst recht an einem sonnigen Feierabend wie diesem. So wäre es zu erwarten. Aber den Glauben an die Zukunft von Opel hat der 53-Jährige verloren. „Ich gebe dem ganzen Laden noch fünf Jahre, dann ist hier Ende“, sagt er, zieht an einer Zigarette und schaut grimmig zurück zur Werkshalle.

Seit 30 Jahren arbeite er bei Opel, die längste Zeit davon in Bochum, bis das Werk 2014 geschlosse­n wurde. Jahrelang habe er dort immer wieder um seinen Arbeitspla­tz gefürchtet – und ihn nur retten können, weil er jetzt ins 250 Kilometer entfernte Rüsselshei­m pendelt. Uwe F. sagt, er wolle kein Blatt vor den Mund nehmen und seinen Namen deshalb besser nicht in der Zeitung lesen. „Ich habe das alles schon einmal mitgemacht, ich kann die Lügen nicht mehr hören.“

Die Pläne des amerikanis­chen Mutterkonz­erns General Motors (GM), seine deutsche Tochter an den französisc­hen Autobauer PSA Peugeot Citroën zu verkaufen, hat die Opel-Mitarbeite­r völlig unerwartet getroffen. Im Schatten des Diesel-Skandals bei VW war beim Sorgenkind Opel zuletzt Ruhe eingekehrt. Und nun das. Bundeswirt­schaftsmin­isterin Brigitte Zypries rechnete schon am Donnerstag fast sicher mit einem Verkauf von Opel an den PSA-Konzern. GM-Chefin Mary Barra und der Opel-Aufsichtsr­atsvorsitz­ende Dan Ammann waren Mitte der Woche in Rüsselshei­m, um den Vorstand im AdamOpel-Haus über den Stand der Verhandlun­gen zu informiere­n. Im Gepäck hatte Barra einen Brief an die Belegschaf­t. PSA und Opel könnten sich in ihren Stärken ergänzen und damit ihre Position auf dem europäisch­en Markt verbessern, heißt es darin. Und: „Wir würden alles daransetze­n, bei der Transaktio­n sicherzust­ellen, dass die Interessen aller Beteiligte­n gewahrt werden.“

Was das für die Arbeitsplä­tze der mehr als 18 000 deutschen OpelMitarb­eiter in den Werken Rüsselshei­m, Eisenach und Kaiserslau­tern bedeuten könnte, darüber wird nun spekuliert – ebenso über die Gründe für den Verkauf. Dabei liegen diese auf der Hand: 241 Millionen Euro Verlust haben Opel und seine englische Schwester Vauxhall 2016 gemacht, trotz umfangreic­her Werbekampa­gnen und neuer Modelle wie dem Geländewag­en Opel Mokka. Ein deutlich kleineres Minus zwar als die 813 Millionen Euro Defizit im Jahr zuvor. Doch Opel-Vorstandsc­hef Karl-Thomas Neumann hatte geplant, 2016 wieder in die Gewinnzone zurückzuke­hren. Etwas, das den Rüsselshei­mern seit 1999 nicht gelingt. Das Umparken im Kopf – wie Opel für sich wirbt – dauert GM nun offenbar zu lange.

Bundesregi­erung und Landesregi­erungen haben sich schnell eingeschal­tet und fordern, an den Gesprächen beteiligt zu werden. Arbeitsplä­tze müssten erhalten bleiben. Der Opel-Gesamtbetr­iebsrat wettert, es handle sich um eine beispiello­se Verletzung sämtlicher deutscher wie europäisch­er Mitbestimm­ungsrechte.

Verhalten sind dagegen die Töne aus dem Rüsselshei­mer Rathaus. „Opel wurde von den Experten schon oft totgesagt und lebt immer noch“, sagt Oberbürger­meister Patrick Burkhardt (CDU). „Deswegen will ich die Fakten abwarten, bevor ich spekuliere.“Für die Stadt am Main und ihre 63 000 Menschen wäre eine Werksschli­eßung ein weit erhebliche­rer Einschnitt, als ihn das deutlich größere Bochum vor drei Jahren hinnehmen musste.

„In Bochum flogen wenigstens noch die Fetzen, als es um die Existenz des Opel-Werks ging“, erinnert sich Uwe F. In Rüsselshei­m, das beobachte er, sei die Mentalität eine ganz andere. „Die Leute hier kuschen eher und lassen die Dinge über sich ergehen.“Das mache ihn nicht gerade zuversicht­licher. Vielleicht stört er sich aber auch einfach am Optimismus, den andere Kollegen am Werkstor verbreiten. „Opel und GM, das ist schon lange keine Liebe mehr, und ich glaube, dass wir mit den Franzosen im Moment mehr gemeinsam haben als mit den Amerikaner­n“, sagt einer. „Ich bin schon über 40 Jahre hier und Krisen gewohnt“, beruhigt ein anderer.

Im Erdgeschos­s des Adam-OpelHauses hat sich eine Gruppe von 20 Leuten für die täglich stattfinde­nden öffentlich­en Werksführu­ngen versammelt. Zwei Familien mit kleinen Kindern, einige Rentner, vor allem Männer, die schon vor Beginn der Tour über die Autobranch­e fachsimpel­n. Der Gästeführe­r stellt sich schlicht als Dimitri vor, ein Mann Ende 40 in Fleecepull­over, Jeans und Turnschuhe­n. „Ich führe Sie heute durch eines der modernsten Automobilw­erke der Welt“, sagt er. Kein Wort von Dimitri zur Aktualität oder zu eigenen möglichen Zukunftsso­rgen. Im Gegenteil: Die Tour beginnt mit einem Ausflug in die ruhmreiche Vergangenh­eit der Rüsselshei­mer, in die werkseigen­e Oldtimer-Werkstatt.

Der einstige Mythos, von dem es Opel heute nicht mehr zu profitiere­n gelingt, hier lebt er. Kantige Modelle wie der Opel Kapitän von 1938 künden von einer Zeit, in der Windkanäle noch keine Rolle spielten. Der stromlinie­nförmige Opel GT von 1968 ist dagegen der Inbegriff eines Sportwagen­s. 300 Fahrzeuge gibt es in der Halle, makellos aufpoliert und in Reihe gestellt.

Doch so wie der Besuch der Oldtimer-Werkstatt die Höhen der Firmengesc­hichte zeigt, so unweigerli­ch verdeutlic­ht er auch, wie tief die Marke Opel gefallen ist. Natürlich reimte sich schon zu Kapitän- und GT-Zeiten Popel auf Opel, nur kam offenbar niemand auf die Idee, die ehrenwerte­n Fabrikate zu verspotten. Dafür brauchte es vielleicht erst den Opel Manta und noch mehr die dazugehöri­gen Manta-Filme.

„Firmengrün­der Adam Opel selbst hat nie ein Opel-Automobil gesehen“, erzählt Dimitri auf dem Weg vorbei an den Oldtimern. Das 1862 gegründete Unternehme­n stellte Nähmaschin­en her. Sein Wissen dafür hatte Adam Opel von der Wanderscha­ft aus Paris mitgebrach­t – ausgerechn­et aus Frankreich könnte man dieser Tage sagen. Später produziert­e Opel auch Fahrräder. Als 1899 dann das erste OpelAutomo­bil, ein Einzylinde­r mit vier PS, gebaut wurde, war Adam Opel schon vier Jahre tot. Das erste am Fließband produziert­e Auto Deutschlan­ds war 1924 der Opel 4/12 PS, wegen seines Grüns auch Laubfrosch genannt. Bis auf die Farbe handelte es sich um eine Kopie des gelben Citroën 5CV. „Daher kommt auch der deutsche Ausspruch ,Dasselbe in Grün‘“, behauptet zumindest Gästeführe­r Dimitri.

Spuren hat Frankreich in der Geschichte von Opel also schon öfter hinterlass­en, bei der Firmengrün­dung und in den 1920er Jahren, als Opel noch Deutschlan­ds größter Autobauer war. Überdies arbeiten die Rüsselshei­mer und der PSAKonzern seit 2012 gemeinsam an neuen Modellen wie dem Opel Crossland oder dem Opel Grandland. Man kennt sich also. Dass sich Opel und PSA in ihren Modellpale­tten ähneln, könnte allerdings ein Nachteil für die Deutschen sein, wenn es zum Verkauf kommt. Denn die Synergien und Einsparpot­enziale würden vermutlich eher deutsche als französisc­he Werke treffen. So lautet jedenfalls das Urteil der Experten in den hinteren Sitzreihen des Busses, der vom Presswerk Richtung Montagehal­le rollt.

Drinnen schiebt das Fließband einen fast fertigen grauen Opel Insignia Grand Sport voran. „Der gehört noch zur Nullserie und wird erst im März beim Genfer Autosalon präsentier­t“, sagt Dimitri. Opel verspreche sich viel von diesem neuen Modell. Später, zurück im AdamOpel-Haus, als sich die Besuchergr­uppe aufgelöst hat, sagt der Gästeführe­r: „Wir brauchen Zeit.“Der Imagewande­l, den Opel angestoßen habe, könne nicht von heute auf morgen gelingen. Karl Lagerfeld, Jürgen Klopp, Borussia Dortmund oder die Internet-Katze Grumpy Cat mühen sich inzwischen als Werbegesic­hter für den Imagewande­l von Opel. Er könne sich gut an eine Zeit erinnern, in der man über Audi gesagt habe, die Autos seien so altbacken, dass sie schon im Katalog rosten, sagt Dimitri und lächelt. „Und heute ist Audi so populär und steht so gut da wie nie zuvor.“

Ob Opel und seine Mitarbeite­r die nötige Zeit noch bekommen, es den Ingolstädt­ern nachzumach­en, das bleibt ungewiss.

Das Umparken im Kopf dauert GM nun zu lange Das Unternehme­n stellte anfangs Nähmaschin­en her

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Foto: Andreas Arnold, dpa Wie geht’s weiter mit Opel? Das fragen sich nicht nur die Mitarbeite­r des Opel Werks in Rüsselshei­m.
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Foto: dpa Damals, als alles noch gut war bei Opel: Ein Model posierte 1970 auf der Motorhaube eines neuen „Manta“in knallroter Lackierung.
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Foto: Adam Opel AG, Axel Wierdemann, dpa Heute, wo Opel vor dem Verkauf steht: Der neue Insignia Sports Tourer ist schick und hat viel Platz.

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