Es rumort in der CSU
Horst Seehofers neuerlicher Schulterschluss mit Angela Merkel verwirrt Mitglieder an der Basis. Die einen wundern sich über das späte Einlenken. Andere können den Kurs nicht nachvollziehen. Ein Stimmungsbild
Denklingen Ein Gasthaus an der B 17, zwischen Denklingen und Epfach (Landkreis Landsberg). Ein paar vereinzelte Gäste nippen an ihrem Weizenglas. Von der Decke hängen Lampen mit Geweihen, in die klobigen Holzstühle sind Hirsche eingraviert. Hier ist die CSUBasis zu Hause. Genauer: der Ortsverband Denklingen-Fuchstal-Unterdießen. In einem Nebenzimmer sitzen gut ein Dutzend Mitglieder um einen Tisch. Es ist der erste Stammtisch seit November.
In der Zwischenzeit ist einiges passiert. Ortsverbandsvorsitzender Michael Kießling, Bürgermeister der 2500-Einwohner-Gemeinde Denklingen, hat viel zu berichten. Die Kreisstraße soll verschwenkt werden, der Neubau des Bürgerund Vereinszentrums verzögert sich. Doch da ist noch mehr. „Jetzt ist es ja so, dass wir Merkel unterstützen“, wechselt er irgendwann das Thema. Kießling – stattliche Figur, dunkelblauer Anzug, Halbglatze – hält inne. „Gut so“, sagt er. „Das hat viel zu lange gebraucht.“
CSU-Anhängern sieht das nicht jeder so. Eine Umfrage des Instituts GMS hat erst gezeigt: 39 Prozent unter ihnen lehnen Merkel als gemeinsame Kanzlerkandidatin ab. Auch innerhalb der Partei wird der Schulterschluss mit der CDU zum Teil kritisch beäugt. „Die Umfrage spiegelt in etwa die innerparteilichen Verhältnisse wider“, sagt CSU-Politiker Stefan Rößle, Landrat im Landkreis Donau-Ries. Er war kürzlich auf der Bundesversammlung in Berlin. Neben der Ernennung des Bundespräsidenten hielt die CDU/CSU-Fraktion zwei Sitzungen ab. „Es wurde zu Geschlossenheit aufgerufen“, berichtet Rößle. Nur: So mancher Abgeordnete zieht offenbar nicht mit. „Aufbruchstimmung sieht anders aus.“
Was ist eigentlich in der CSU los? Es scheint, die Partei ist gespalten, und das ausgerechnet im Jahr der Bundestagswahl. Die Ursache ist, na klar, das Thema Flüchtlinge. Beim vorletzten Parteitag noch führte Parteichef Seehofer Angela Merkel für ihren Asylkurs auf der Bühne vor, forderte die viel zitierte „Obergrenze“, drohte damit, losgelöst von der CDU in den Wahlkampf zu ziehen. Ein selbstbewusstes Aufmucken in Berlin, das zum „traditionellen Erfolgsrezept“der CSU gehört, wie Professor Werner Weidenfeld erklärt, Direktor des Centrums für angewandte Politikforschung der LMU München. Nur: „In Schärfe und Dauer des Konfliktes ist Seehofer diesmal ein Stück zu weit gegangen.“Erst spät habe er einen Schritt auf den Fraktionspartner zu gemacht. Zu spät, sagt Weidenfeld. „Der Stimmungsumschwung war zu scharf, als dass alle Anhänger nun einfach mitziehen.“
Auch in Denklingen wundern sich einige über ihren allzu angriffslustigen Parteichef. „Möglicherweise war der Konflikt bewusst inszeniert“, mutmaßt ein CSU-Mitglied mit Kapuzenpulli und grau meliertem Haar. „Die SPD hat Schulz, und mit irgendwas müssen wir ja auf uns aufmerksam machen.“Ein Mann mit Softshelljacke und MitarUnter beiter-Ausweis am Hosenbund erklärt: „Eigentlich bin ich großer Seehofer-Fan.“Er verschränkt die Arme. „Aber in der Flüchtlingspolitik stehe ich zu Merkel.“Von der Bundesstraße dringt der Straßenlärm in die Gaststube. Ortsverbandsvorsitzender Kießling muss etwas lauter sprechen. „Ohne den Gegenwind durch die CSU wäre die Asylproblematik nicht so schnell entschärft worden“, erwidert er. Einige um ihn herum geben ihm recht. Der Kurs der Partei, der sei schon richtig gewesen, sagen sie.
Es herrscht Uneinigkeit an der CSU-Basis. Wer mit Vertretern verschiedener Ortsverbände in der Region spricht, hört recht unterschiedliche Ansichten. Da gibt es diejenigen, die in erster Linie froh sind über die neuerliche Annäherung der Schwesterparteien. „Die Gemeinsamkeiten überwiegen schließlich“, sagt Florian Schirmer vom Ortsverband Elchingen (Landkreis NeuUlm). Doch da gibt es auch die, die mit dem momentanen Parteikurs nicht ganz einverstanden sind. Der Schulterschluss mit Merkel kam zu spät, das habe Wähler verunsichert, kritisiert Matthias Stegmeir aus Rinnenthal (Aichach-Friedberg). Sowohl innerhalb der Partei als auch mit Bürgern werde zu wenig diskutiert. Und überhaupt: Man dürfe sich nicht nur auf das Thema Flüchtlinge beschränken. „Das Glück der Welt hängt doch nicht an der Obergrenze“, sagt Stegmeir. Ein Ortsverbandsvorsitzender aus dem Ostallgäu, er will anonym bleiben, kritisiert Alleingänge an der Parteispitze. „Seehofer geht seinen Weg, und die Basis darf es nun ausbaden“, heißt es. Erst sei Merkel zum Feindbild stilisiert worden, jetzt sollen die Ortsverbände im Wahlkampf wieder für die Kanzlerin trommeln. „Das ist nicht glaubwürdig.“Otmar Hoffmann aus Erkheim (Unterallgäu) geht noch einen Schritt weiter. Dass er Wahlplakate für die CSU aufhängt, sei ja keine Frage. „Aber ob ich Plakate von Merkel aufhänge, das muss ich mir noch überlegen.“
In Denklingen ist man sich einig: „Wir unterstützen Merkel.“Der Wahlkampf, heißt es, starte nach den Pfingstferien in die heiße Phase. Im Gasthaus an der B 17 wie in allen anderen Ortsverbänden.
Die Partei ist gespalten – und das im Wahlkampf