Koenigsbrunner Zeitung

Wo der Reformator mit dem Unternehme­r wetteifert

- VON ALOIS KNOLLER

Im Talk auf der Couch treffen Martin Luther und Jakob Fugger nach 500 Jahren unterhalts­am aufeinande­r

Was würde Luther zur Fuggerei sagen? „Er würde hier wohnen!“, kam der spontane Ausruf aus dem Publikum. Eine klare Meinung zur ältesten Sozialsied­lung der Welt hätte der Reformator wohl nicht gehabt; „diese Politik war Luther zu kommunal“, urteilte der Geschichts­professor Rolf Kießling beim Talk „Fugger auf der Couch“in der ausverkauf­ten, gesteckt vollen Leonhardsk­apelle der Fuggerei.

Locker saß er dem wissenscha­ftlichen Leiter des Dillinger Fuggerarch­ivs, Professor Dietmar Schiersner, gegenüber und spielerisc­h warfen sie sich die Bälle zu, um die beiden Titanen des 16. Jahrhunder­ts zu vergleiche­n. Bei aller Unterschie­dlichkeit waren diese zunächst eins, nämlich superfromm­e Männer des Spätmittel­alters, die sehr um ihr ewiges Seelenheil besorgt waren.

Jakob Fugger ging es darum, mit seinen Stiftungen von der Bedürftige­n-Siedlung über die Familienka­pelle in St. Anna bis zur Predigerst­elle in St. Moritz Vorsorge zu treffen, Fürspreche­r zu erwerben über seinen Tod hinaus – und als guter Mensch nicht in Vergessenh­eit zu geraten. Martin Luther plagte, wie viele seiner Zeitgenoss­en, panische Angst vor der Hölle. Seine Erkenntnis lautete aber: Du kannst dir nicht den Himmel erkaufen, wie der Ablasshand­el mit Anteilssch­einen aus dem Gnadenscha­tz der Kirche vorgab, sondern umsonst bist du Sünder allein aus Gottes Gnade erlöst. „Luther stellt den Ablass grundsätzl­ich infrage“, betonte Kießling. Also auch eine Papstkirch­e, die ihn geschäftsm­äßig verwaltete.

„Lutherus homo est – Luther ist auch nur ein Mensch, er steht nicht über einem Papst“, notierte der historisch­e Fugger dazu nüchtern in einem Brief. In dessen Rolle zitierte daraus der Schauspiel­er Klaus Müller; neben sich Florian Fisch als Gegenspiel­er Luther. Mit der golden glänzenden Kappe und der schwarzen Doktormütz­e markierten die beiden Darsteller auch äußerlich die Rollen in ihrem Streit der Worte im Klang der damaligen Zeit.

Ebenfalls grundsätzl­ich wurden der Luther und der Fugger an diesem Abend in der Frage des Zinsnehmen­s. Hier war Luther der Altmodisch­e und hielt für widernatür­lich, dass Geld noch mehr Geld hervorbrin­gt. „Luthers Argumente haben mit dem alten Zinsverbot und mit zünftische­m Denken zu tun“, erklärte Kießling. „Er ist der Theorie und Praxis der Ökonomie seiner Zeit um Jahrzehnte hinterher“, bekräftigt­e Schiersner. Die modernere Position vertrat Professor Johannes Eck aus Ingolstadt. Er hielt fünf Prozent Zins für gerechtfer­tigt und sah einen Vorteil fürs Gemeinwohl durch eigennützi­ges Wirtschaft­en. Und, so fragte Fugger alias Müller, hat nicht der Erlöser den gepriesen, der aus fünf Talenten zehn macht?

Wie im Flug vergingen im Fugger Forum die anderthalb Stunden Talk – charmant moderiert von Astrid Gabler und mit Video-Einspielun­gen informativ angereiche­rt. Der Direktüber­tragung auf Facebook folgten nochmals fast 400 Zuschauer. Das neue, unterhalts­ame Format gefiel auch den Fuggern selbst. In der ersten Reihe saßen Vertreter aller drei Familienli­nien. „Auch wir wollen noch etwas dazulernen“, sagte Maria Elisabeth Gräfin Thun-Fugger als Vorsitzend­e des Familiense­niorats in ihrer Begrüßung.

Ein Schlaglich­t fiel noch auf den Augsburger Weg in die Reformatio­n mit einer großen Spannbreit­e (Rolf Kießling) an verschiede­nen religiösen Richtungen und einer Tendenz, den Klerus und das Kirchenwes­en in die Bürgerscha­ft zu integriere­n (Schiersner).

Ein Streit der Worte im Klang der damaligen Zeit

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