Die Stadt wächst jährlich um 50 Fußballfelder
Der Flächenverbrauch in Augsburg liegt im Durchschnitt, doch mit dem stetigen Bevölkerungsplus wird immer mehr Boden versiegelt. Die Stadt steckt im Dilemma zwischen dem Bau von Wohnungen und dem Schutz der Umwelt
In Augsburg wurden im vergangenen Jahr für den Bau neuer Straßen und Häuser rund 45 Hektar Boden – das ist etwa das Dreifache des Wittelsbacher Parks – „verbraucht“. Der Wert liegt deutlich über dem der vergangenen Jahre. 43,5 Prozent des Stadtgebiets (Bereiche wie der Siebentischwald sind mitgerechnet) sind somit inzwischen bebaut – vor 15 Jahren lag der Wert noch knapp drei Prozentpunkte darunter.
„Es liegt auf der Hand, dass mit weniger Grünflächen und Bäumen sowohl Stadtbildqualität als auch Wohnwert sinken“, sagt Umweltreferent Reiner Erben. Durch mehr bebaute Flächen ändere sich auch das Klima in der Stadt mit entsprechenden gesundheitlichen Auswirkungen. Auch Irene Kuhn vom Bund Naturschutz in Augsburg warnt: „Boden ist eine begrenzte Ressource. Sehr viel davon ist versiegelt und überbaut worden.“Doch bei dem Thema steckt die Stadt in einem Dilemma: Für neue Wohnungen ist es mitunter nötig, bisher ungenutzte Flächen zu bebauen. „Der anhaltende Zuzug und die damit verbundenen deutlich gestiegenen Bevölkerungszahlen stellen die Stadt Augsburg vor große Herausforderungen“, sagt Baureferent Gerd Merkle (CSU).
Wie berichtet plant die Stadt in Zukunft Wohngebiete in Haunstetten Süd-West und Radegundis – damit würden erstmals seit Jahren große Wohngebiete auf Ackerland errichtet. Zuletzt war dies vor mehr als zehn Jahren an der FriedrichEbert-Straße der Fall. In den vergangenen Jahren konzentrierte sich die Stadt auf die ehemaligen Kasernen-Areale. Doch diese Flächen sind inzwischen aufgebraucht. Und die Umwidmung von bestehenden Gewerbenutzungen werde nicht genug Flächen schaffen, um den Bedarf zu decken, so das Baureferat.
Gleichwohl bemühe man sich ernsthaft, den Flächenverbrauch zu reduzieren, zumal die Stadt sich in ihren Zukunftsleitlinien auf eine „nachhaltige Flächennutzung“verpflichtet hat. Von einer Trendwende ist die Stadt aber noch weit entfernt. Neben den Flächen für Wohnungen braucht die Stadt auch Areale für Gewerbe – zum Beispiel für den Innovationspark im Süden der Stadt.
ist in puncto Flächenverbrauch sogar etwas „gefräßiger“als andere Großstädte. Im Durchschnitt der vergangenen 15 Jahre wurden jährlich 35 Hektar (ca. 50 Fußballfelder) verbraucht, wobei es große Schwankungen gibt: mal waren es neun Hektar, mal 67 Hektar. In Prozent gemessen wuchs die Verkehrsund Siedlungsfläche bezogen auf die Gesamtfläche jährlich um 0,6 Prozent. Zum Vergleich: München, Nürnberg und Regensburg liegen laut Statistischem Landesamt bei 0,4 Prozent, die „Boomtown“Ingolstadt bei 0,8 Prozent. Im Umland lag das Wachstum in Königsbrunn bei 0,5, in Stadtbergen bei 0,6, in Aichach bei 0,5 und in Neusäß bei 1,0 Prozent.
Mit eine Ursache dürfte auch sein, dass der Wohnraum pro Kopf immer stärker zunimmt. Statistisch hat jeder Augsburger um die 40 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung. Die Werte sind in den vergangenen Jahren gestiegen, was aber nicht nur an gestiegenen Ansprüchen liegt, sondern vermutlich eher an der Zunahme der Single-Haushalte, die grundsätzlich mehr Fläche pro Person benötigen. Im Bundesdurchschnitt sind es übrigens 46 Quadratmeter Wohnfläche pro Kopf.
Umweltreferent Erben fordert neben flächensparendem Bauen auch ein Nachdenken über die Höhe von Gebäuden. Drei bis vier Geschosse sind in Augsburg bei Mehrfamilienhäusern die Regel. Auch der Bund Naturschutz sieht im AufstoAugsburg cken von bestehenden Gebäuden eine Möglichkeit. „Und es sollte Ausnahmen bei der Abstandsregelung im Stadtgebiet geben“, so Kuhn. Das Bismarckviertel mit seiner dichten Bebauung dürfte heute so gar nicht mehr gebaut werden, gibt sie zu bedenken. Der GrünenVorsitzende Peter Rauscher fordert ein radikaleres Umdenken: „Teure, luxuriöse Einfamilienhäuser, die vor allem Fläche benötigen, aber wenige Menschen beherbergen, können angesichts des Wachstums der Stadt nicht die Bauvorhaben in Augsburg prägen.“
Dem steht freilich das erklärte Ziel von Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) entgegen, auch „Gutverdiener“in der Stadt zu halten und sie nicht ins Umland abwandern zu lassen. Andernfalls verliere Augsburg ständig Steuerkraft. Auch städtebaulich hätte eine Erhöhung der Geschosszahl bei Neubauten, wo baurechtlich überhaupt zulässig, Folgen: Wohnhäuser mit fünf oder mehr Stockwerken werden vor allem an Stellen gebaut, an denen städtebauliche Akzente gesetzt werden sollen.
Wie die Stadt sich in den kommenden Jahren zu dem Thema verhalten wird, wird aktuell im Stadtentwicklungskonzept festgelegt, das seit zwei Jahren erstellt wird. Es soll zeigen, wo neue Wohngebiete entstehen können, welche Auswirkungen das hat und wo Konflikte entstehen. Ein Vorentwurf soll noch vor der Sommerpause vorgestellt werden. »Kommentar