Mit Gott reden, „wie einem der Schnabel gewachsen ist“
In der Unterkirche von St. Michael findet wieder das 24-Stunden-Gebet statt. Mit und ohne Anmeldung
Schwabmünchen Fast auf den Tag genau vor 72 Jahren erlebte Schwabmünchen die schlimmsten fünf Minuten seiner Geschichte, die unsägliches Leid über die heutige Stadt brachten. In drei Wellen ließen am 4. März 1945 amerikanische Flieger rund 600 Brandbomben und bis zu 10000 Stabbrandbomben auf die damalige Marktgemeinde fallen. 61 Menschen starben, 60 Prozent aller Gebäude wurden beschädigt und teilweise total zerstört. Darunter auch die Kirche St. Michael. Die Stadt brannte, der Kirchturm loderte lichterloh genauso wie der Kindergarten, die Schule und der Postkeller. Zum Gedenken an den 70. Jahrestag organisierte die Pfarrei vor zwei Jahren eine ganz besondere Aktion – eine Gebetswoche. Nun wiederholt Pfarrer Christoph Leutgäb die Aktion. 24 Stunden lang kann im Zeitraum vom 4. bis 12. März in der Unterkirche von St. Michael gebetet werden. Und so funktioniert die Teilnahme:
„Es kann jeder Mensch guten Willens teilnehmen“, sagt Pfarrer Leutgäb. Eine „Registrierung“sei nicht nötig. So kann jeder Gläubige quasi „im Vorbeigehen“die Kirche betreten und sich dem Gebet widmen. „Jeder kann kommen, wie er möchte und kann“, sagt Leutgäb. Doch es gibt auch eine Ausnahme.
„Wer sich in die Teilnehmerliste in der Stadtpfarrkirche einträgt, verpflichtet sich zu einer Gebetspräsenz“, erklärt der Pfarrer. Dies soll gewährleisten, dass die Gebetskette nicht abreißt, sondern ununterbrochen jemand betend anwesend ist. Die Teilnehmer haben jedoch die Freiheit, ihre ganz persönliche Gebetszeit nach eigener Gebetsform zu gestalten.
Um die Zeit des Aufenthalts zu einer erfüllten Gebetszeit werden zu lassen, hat Leutgäb einige ganz konkrete Punkte in einem Informationsblatt zusammengefasst. Darin wird unter anderem die mögliche Struktur für eine Gebetszeit beschrieben. So sollen die Gläubigen erst einmal in aller Ruhe ankommen. Leutgäb empfiehlt dazu, sich bequem hinzusetzen, tief durchzuatmen und sich bewusst zu werden, dass auch Gott da ist. Konkrete Tipps gibt es zudem, wie die Anwesenheit gestaltet werden kann, was einem guttut.
Eine Möglichkeit ist unter anderem das aktive Lesen in der Bibel, beispielsweise im Neuen Testament. Es kann aber auch einfach nur geistliche Musik gehört werden. Ein CD-Player und diverse CDs sind vorhanden. Eine weitere Möglichkeit sei aber auch, in Stille zu verweilen und Gott einfach sein Herz auszuschütten. Dies könne auch „ohne Worte“erfolgen. Wer möchte, könne aber auch mit Gott reden, „wie ihm der Schnabel gewachsen“sei oder seine Gedanken schriftlich in Briefform verfassen. Hierfür liegen Papier, Stifte und Kuverts aus. Zudem liegen unter anderem geistliche Bücher zum Lesen aus oder es können Gebete an der Gebetswand gelesen werden.
Pfarrer Leutgäb möchte mit der Gebetswoche jedoch nicht nur die Erinnerungen an den verheerenden Bombenangriff wachhalten, sondern auch „die Kirchenmauern mit dem zu füllen, wofür sie gebaut wurden: zur Anbetung Gottes und für das Gebet.“Er wünscht sich, dass Gott die Ehre gegeben wird, „weil er es wert ist.“Leutgäb vergleicht dies anhand eines Beispiels zweier Liebender: „Die freuen sich einfach, beieinander zu sein“, sagt er. „Gemeinsame Zeit verbringen ist das Ziel für sie.“
Und so wünscht sich Leutgäb die Zeit auch in der Gebetswoche. „Gemeinsam träumen, reden, schweigen, lachen, singen – ganz einfach, weil es schön ist, zusammen zu sein.“