Koenigsbrunner Zeitung

Sofort? Erst warten, dann wedeln

- VON MICHAEL SCHREINER

Jedes Bild wie eine Geburt: Vor 70 Jahren kam das Polaroid

Augsburg Dass die Handy-Dauerknips­erei heute simpel und praktisch ist – unbestreit­bar. Ob es sinnvoll ist, täglich Milliarden neuer Fotos in die Welt zu laden? Ansichtssa­che. Sinnlich ist das Pixelspeic­hern jedenfalls nicht. Polaroid aber war es. Und wie sinnlich es war, wenn es surrte, schnurrte und schimmerte! Eine Geister-Erscheinun­g, der man beiwohnen konnte. Das langsame Herausgequ­etschtwerd­en des magischen Quadrats aus dem Kameraschl­itz, das Auftauchen der Konturen und Farben eines Fotos aus der immer gleichen dunklen Ursuppe.

Sofort hieß: Warten. Ungefähr 90 bis 120 Sekunden. Dann wedelte der Fotograf mit einem Unikat. Der eine, einmalige Augenblick, fixiert zum Anfassen und Aufheben, jedes Foto, das das Licht der Welt erblickt, eine Art Geburtsakt …

Nie war das Hexenwerk Fotografie so bildlich erfahrbar wie in der Sofortbild­technik, die der amerikanis­che Tüftler Edwin H. Land vor 70 Jahren entwickelt­e – zunächst für Schwarzwei­ßbilder, mit Farbfilmen dann ein Welterfolg. Die Trickkiste war eine revolution­äre Antwort auf die Ungeduld des Menschen: Optik und Labor in einem Gerät. Brillant waren die Fotos selten, eher leicht schmutzig. Doch sie hatten etwas, das sich durch Perfektion nicht ausdrücken lässt: die Aura von Authentizi­tät. Von Anfang an waren Künstler von der Sofortbild­kamera angezogen. Andy Warhol prägte damit den Look der PopArt. Ein Polaroid ist nicht nur ein Foto, es ist ein Objekt mit weißem Rahmen, tausendfac­h zitiert, eine Ikone. Als Spaßgerät zwar im digitalen Zeitalter noch verfügbar – doch die geniale Alltags-Alchemie ruht auf dem Friedhof der Wunderding­e, wie die Glühbirne. »Panorama

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