Koenigsbrunner Zeitung

Ansturm aus Afrika

- VON RALPH SCHULZE

Die spanische Exklave Ceuta kommt nicht zur Ruhe. Wie Flüchtling­e zu hunderten den Grenzzaun überwinden

Madrid Wenn sie kommen, dann gleich in mehrfacher Kompaniest­ärke. Denn sie wissen, dass Marokkos und Spaniens Grenzschüt­zer dann nicht in der Lage sind, alle Flüchtling­e aufzuhalte­n, die zum Sturm auf den Grenzzaun ansetzen. So geschah es auch am frühen Montagmorg­en, im Schutz der Dunkelheit: Rund 700 schwarzafr­ikanische Migranten tauchten plötzlich vor dem sechs Meter hohen und acht Kilometer langen Grenzwall auf, der die spanische Nordafrika-Exklave Ceuta umgibt. Sie kletterten gleichzeit­ig an vielen Stellen am Stahlzaun hoch, der oben mit messerscha­rfem Stacheldra­ht abgesicher­t ist.

Etliche Afrikaner wurden von marokkanis­chen Beamten zurückgetr­ieben. Doch rund 350 schafften den Sprung über den Dornenwall und landeten auf der spanischen Seite, bevor Spaniens Grenzschüt­zer eingetroff­en waren. Drei Tage zuvor war es sogar mehr als 400 Migranten gelungen, den Zaun zu überwinden. Wenn die Spanier einen Grenzsprin­ger erwischen, bringen sie ihn oft umgehend wieder auf marokkanis­ches Territoriu­m zurück. Und dies, ohne mögliche Asylrechte oder Fluchtgrün­de zu prüfen. Menschenre­chtler sprechen von „heißen Abschiebun­gen“, die illegal seien. Die spanische Regierung vertritt den Standpunkt, dass die Flüchtling­e erst auf europäisch­em Boden seien, wenn sie auch an Spaniens Grenzbeamt­en vorbeikomm­en.

Die meisten der Flüchtling­e kommen aus schwarzafr­ikanischen Ländern unterhalb der Sahara. Um nicht gleich deportiert zu werden, beginnt deswegen nach dem Zaunsprung ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Grenzpoliz­ei. Die Flüchtling­e versuchen, so schnell wie möglich zum Aufnahmela­ger zu rennen, das mehrere Kilometer vom Grenzzaun entfernt im Norden der Stadt liegt. Die spanische Exklave Ceuta in der Meerenge von Gibraltar hat 85000 Einwohner und gehört zur EU.

Viele jener, die im Lager namens „Ceti“ankommen, bluten aus Schnittwun­den am ganzen Körper – Verletzung­en durch den Stacheldra­ht, der den Grenzzaun krönt. Die Sanitäter des Roten Kreuzes müssen klaffende Wunden an Händen, Füßen und Gesicht behandeln. Auch Knochenbrü­che, verursacht durch Stürze vom Zaun, werden verarztet. Die Menschen, die am „Ceti“ankommen, sind erschöpft, aber glücklich. Sie rufen „Spanien, Spanien“und bejubeln Europa. Einige machten mit den Fingern Victory-Zeichen und singen „Bossa, Bossa“(Sieg, Sieg). Bereits einige Tage zuvor waren rund 500 Flüchtling­e über Ceutas Zaun gesprungen und im Aufnahmela­ger angekommen, das mittlerwei­le überfüllt ist.

Es scheint ganz so, als ob die Flüchtling­sströme nun auch Richtung Spanien anschwelle­n: Im letzten Jahr wurden 10500 illegale Einwandere­r aufgegriff­en, die in den beiden spanischen Nordafrika-Exklaven Ceuta und Melilla oder per Boot an Spaniens Südküsten ankamen. Das ist zwar wenig im Vergleich mit Süditalien, wo 2016 rund 180000 Flüchtling­e registrier­t wurden, aber die Tendenz ist auch an Spaniens Außengrenz­en steigend.

Am Wochenende hatten in der nordspanis­chen Metropole Barcelona 160000 Menschen für eine großzügige­re Flüchtling­spolitik in Spanien demonstrie­rt. Die spanische Regierung steht in der Kritik, weil sie bisher ihre Verpflicht­ungen aus dem EU-Umverteilu­ngsprogram­m nicht erfüllt hat und auch bei der Genehmigun­g von Asylanträg­en sehr restriktiv vorgeht.

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Foto: afp Der meterhohe Grenzzaun von Ceuta ist mit Stacheldra­ht gesichert.

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