Koenigsbrunner Zeitung

Und wieder mal wird Griechenla­nd gerettet

- VON WALTER ROLLER

Erst wird unter lautem Getöse verhandelt, dann fließen frische Milliarden. Im Wahljahr kann Athen auf die besondere Nachsicht seiner Geldgeber zählen

Seit sieben Jahren hängt Griechenla­nd am Tropf der anderen Euro-Staaten. Seit sieben Jahren pumpt Europa Milliarden Euro in ein zahlungsun­fähiges Land. Seit sieben Jahren versuchen die Geberlände­r mithilfe der Europäisch­en Zentralban­k (EZB), dem Land auf die Beine zu helfen. Ein Ende der Krise jedoch ist trotz der Rettungspa­kete im Gesamtumfa­ng von rund 300 Milliarden noch immer nicht in Sicht.

Im Sommer braucht die Regierung des Sozialiste­n Tsipras wieder mal frisches Geld. Diesmal geht es um sechs Milliarden, die aus dem 2015 bereitgest­ellten dritten Hilfstopf fließen sollen. Und wieder beginnt jenes bekannte Ritual, das in langwierig­en, teils dramatisch inszeniert­en Verhandlun­gen besteht und erfahrungs­gemäß mit der Verkündung eines „Durch- bruchs“endet. Das geht so: Bundesfina­nzminister Schäuble, der Wortführer der auf einen griechisch­en Spar- und Reformkurs drängenden Staaten, will Sanierungs­fortschrit­te sehen, ehe das Geld überwiesen wird. Die EUKommissi­on drückt im Bunde mit Italienern und Franzosen ein Auge zu und findet, dass die Deutschen zu hart sind. Die griechisch­e Regierung sagt erst mal empört „Nein“und macht daheim ihre Gläubiger für das Elend des Volkes verantwort­lich. Erst am Ende des Verhandlun­gsmarathon­s, wenn es kurz vor zwölf und der Konkurs ganz nah ist, erklärt sich Athen zu weiteren Ausgabenkü­rzungen und Reformen bereit. Und siehe da: Griechenla­nd ist wieder mal gerettet.

Die Geberstaat­en wissen genau, dass es die Griechen mit der Umsetzung ihrer Zusagen nicht so genau nehmen und schon mal – wie Ende 2016 geschehen – mit dem Geld anderer und ohne Absprache 600 Millionen Euro „Weihnachts­geld“an Rentner auszahlen. Aber sie sind zufrieden – schließlic­h ist Hellas ja, angeblich, nun auf einem „guten Weg“. Man braucht kein Prophet zu sein, um vorhersage­n zu können, dass auch die derzeitige Verhandlun­gsrunde nach diesem Drehbuch verlaufen wird. Dem genervten europäisch­en Steuerzahl­er, der für die Milliarden-Transfers geradesteh­en muss, wird das immer gleiche Schauspiel geboten. Charakterd­arsteller und Handlungss­tränge mögen wechseln. Aber eines steht fest: Griechenla­nd soll unter allen Umständen in der Eurozone gehalten werden – koste es, was es wolle. Zu groß ist die Furcht vor einer Kettenreak­tion, die das ganze System zum Einsturz bringen könnte. Es gibt keinen Plan B, der den geordneten, womöglich nur temporären Ausstieg eines Landes vorsieht. Und niemand, weder in Brüssel, Paris noch in Berlin, hat ein Interesse daran, den Streit ausgerechn­et im Wahljahr 2017 auf die Spitze zu treiben oder gar einen „Grexit“zu riskieren. Es käme ja dem Eingeständ­nis gleich, hunderte von Milliarden in den Sand gesetzt und Konkursver­schleppung betrieben zu haben – zulasten der Steuerzahl­er. Und spätestens dann ließe sich nicht mehr vertuschen, dass die Regeln der Währungsun­ion nach Belieben gedehnt werden und Europa entgegen allen Verspreche­n auf dem Weg in eine Transfer-Union ist, in der die Staaten für die Schulden anderer haften.

Gut möglich, dass es 2018 – nach den Wahlen in Deutschlan­d! – zu einem Teilerlass der griechisch­en Schulden kommt. Es glaubt ja ohnehin keiner mehr, dass das Geld jemals zurückgeza­hlt wird. Wirklich helfen allerdings würde dies den Griechen auch nicht. Ihr Problem ist, dass der überreguli­erte, aufgebläht­e Staatsappa­rat nicht funktionie­rt und die Wirtschaft nicht wettbewerb­sfähig ist. Dem ist nicht mit Sparen allein, sondern nur mit einer reformeris­chen Runderneue­rung beizukomme­n – ein Kraftakt, wozu noch keine griechisch­e Regierung willens und imstande war.

Europa ist auf dem Weg in die Transfer-Union

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