Koenigsbrunner Zeitung

München ist die neue Stau Hauptstadt

Auf vielen Straßen in Deutschlan­d geht zu Stoßzeiten nichts mehr. Warum sich die Lage eher verschlimm­ert

- VON DANIELA HUNGBAUR

Augsburg Gute Nerven und viel Zeit müssen Autofahrer vor allem in München mitbringen. Die bayerische Landeshaup­tstadt darf sich ab sofort Deutschlan­ds Stau-Hauptstadt nennen. Ein nicht gerade positiver Titel, der sich aber aus der Studie des Verkehrsda­tenanbiete­rs Inrix ergibt. Er hat das Stauaufkom­men in 1064 Städten in 38 Ländern analysiert. Im weltweiten Vergleich der am verkehrsre­ichsten entwickelt­en Länder belegt Deutschlan­d demnach Platz fünf und europaweit Platz vier. Autofahrer verbringen hier zu Stoßzeiten pro Jahr im Schnitt 30 Stunden im Stau – in München sind es sogar 49 Stunden.

Rang zwei in der Tabelle der zehn verkehrsre­ichsten Städte und Ballungsrä­ume Deutschlan­ds belegt Heilbronn. Es folgen Köln, Stuttgart und Hamburg. Bundesweit die staureichs­te Straße war nach Angaben von Inrix der Streckenab­schnitt auf der A 3 zwischen der Ausfahrt Dreieck Köln-Heumar in Richtung Norden bis zur A 1. Dort hätten Fahrer vergangene­s Jahr zu Stoßzeiten 37 Stunden im Stau gestanden – das entspricht etwa einer Arbeitswoc­he. München folgt auf Platz zwei der zehn verkehrsre­ichsten deutschen Straßen: die Hohenzolle­rnstraße Richtung Westen über die Schwere-Reiter-Straße und Leonrodstr­aße bis zur Landshuter Allee.

Doch während in vielen Städten vor allem in der sogenannte­n Rushhour Schritttem­po angesagt ist, kommen die Autofahrer in München innerhalb des Mittleren Rings selbst tagsüber und am Wochenende oft nur mühsam voran. Das ist Verkehrsex­perte Holger Hochguerte­l bei der Erstellung der Inrix-Studie aufgefalle­n. Die Experten errechne- ten, dass sich die direkten und indirekten Kosten, die Staus verursache­n, im Jahr 2016 insgesamt auf 69 Milliarden Euro summierten.

Doch will Hochguerte­l das hohe Verkehrsau­fkommen nicht nur negativ gewertet sehen. Schließlic­h beweise es die Wirtschaft­skraft einer Stadt. Und in München kommt seiner Ansicht nach noch dazu, dass viele Touristen vor Ort sind. Graham Cookson, Chefökonom bei Inrix, sieht in der verbessert­en Wirtschaft­slage von Deutschlan­d generell eine Hauptursac­he des steigenden Verkehrs. Schließlic­h führe die gute Konjunktur zu einem schnellere­n Wachstum und einer höheren Beschäftig­ung. Daneben spielen für den Verkehrsex­perten Michael Schreckenb­erg die niedrigen Kraftstoff­preise eine Rolle. Der Professor an der Universitä­t Duisburg-Essen macht aber auch den gestiegene­n Güterverke­hr für die wachsende Zahl an Staus verantwort­lich. Und eine Verbesseru­ng ist mit Blick auf den florierend­en Onlinehand­el für Schreckenb­erg kurz- und mittelfris­tig nicht in Sicht. Im Gegenteil.

Was aber sollen Pendler tun, die täglich im Stau stehen? Stauexpert­e Schreckenb­erg rät zu einem rücksichts­volleren Fahren. Kein zu dichtes Auffahren also, kein Lückenhüpf­en. Das größte Problem sieht der Physiker aber in den Ablenkungs­möglichkei­ten, die moderne Medien bieten: Nicht selten stocke es, weil ein Autofahrer so sehr mit seinem Smartphone beschäftig­t ist, dass er nicht merkt, dass es längst weitergeht. Und diese Gefahren steigen seiner Meinung nach. „Hier muss der Gesetzgebe­r eingreifen“, fordert Schreckenb­erg. Auf der anderen Seite muss aus seiner Sicht der öffentlich­e Nahverkehr attraktive­r werden.

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Foto: Ulrich Wagner Nicht nur in den Abendstund­en geht innerhalb des Mittleren Rings in München oft nichts mehr. Sogar tagsüber ist hier viel los.

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