Koenigsbrunner Zeitung

Kein Konto, kein Geld

- VON PITT SCHURIAN

Wie eine türkische Frau nach der Trennung vom Mann plötzlich völlig hilflos wird

Bobingen Das Schicksal hat der Familie der 45-jährigen Türkin G. S. arg mitgespiel­t. Als sie sich schließlic­h verlassen und am Ende sah, wollten Behörden und soziale Einrichtun­gen ihr helfen. Sozialhilf­e, Wohngeld, Heizkosten­zuschuss – alles Mögliche wurde ihr in Aussicht gestellt. Doch erst muss sie ein Girokonto haben. G. S. hatte keines – und bekam auch keines.

Sie war psychisch zusammenge­brochen. Da gab ihr jemand die Telefonnum­mer von Arif Diri. Der ist in Bobingen bekannt, vor allem durch sein bisheriges Engagement im Deutsch-Türkischen Freundscha­ftsverein. Er hat auch im privaten Leben mehrfach Landsleute­n in Not Hilfe vermittelt. Diri organisier­te gestern Beistand von einer Seite, an die keiner gedacht hatte: die Deutsche Bank.

Die Vorgeschic­hte: Die Tochter von G. S. ist seit zehn Jahren krank, das erforderte viel Zeit daheim. Der Mann arbeitete hart. Dennoch ist die Ehe nach 27 Jahren zerbrochen. Von einem Tag auf den anderen stand die Frau alleine und mittellos da. Ihr Mann habe ihr zwar eine Unterkunft in Bobingen besorgt und zahle etwas Geld. Doch eine Zukunft ist das nicht. Die Unterkunft erwies sich als äußerst marode, verschmutz­t und von Mäusen befallen.

Im Ölofen, der die Unterkunft erwärmen soll, ging der Brennstoff aus. In den kalten Januarwoch­en fror sie entspreche­nd. Zudem spricht G. S. kaum Deutsch. Da sie meist zu Hause oder unter Landsleute­n war, fällt es ihr schwer, eine Arbeit zu finden oder sich um ihre Belange zu kümmern. Sie schaffte aber eines: Arif Diri anzurufen, der sie bis dahin nicht kannte. Der holte sie aus dem Bezirkskra­nkenhaus in Kaufbeuren ab, wohin sie nach ihrem Zusammenbr­uch für drei Wochen gekommen war. Er kaufte für 300 Euro Heizöl und half die Wohnung zu putzen. Dann machten sie sich auf den Weg zu Behörden: Arbeitsage­ntur, Sozialamt, Jobcenter. Überall stießen sie auf offene Ohren, bekamen Auskünfte und Ratschläge. Die Stadtverwa­ltung gab an den Bobinger Tisch gleich die Nachricht weiter, Frau G. S. mit Lebensmitt­eln zu helfen. Und die Behörden wollten Geld überweisen, was der Frau in ihrer Not an sozialer Hilfe zustehe. Doch ohne Girokonto gibt es kein Geld.

Für sozial schwache Menschen sind daher gesetzlich sogenannte Basiskonte­n vorgesehen. Sie erlau- ben das Einzahlen von Geld und das Auszahlen im Rahmen des Guthabens. Bedingung: Der Antragstel­ler darf kein anderes Konto haben. Daran scheiterte G. S. bei der Kreisspark­asse in Bobingen. Denn ihr Mann hatte bereits ein gemeinsame­s Konto eingericht­et, jedoch zwischenze­itlich gesperrt. Auch soll die Schufa-Auskunft gestört haben, so der Eindruck von Arif Diri bei dem Gespräch bei der Kreisspark­asse: „Ich war vor den Kopf gestoßen. Ein Basiskonto dürfen die gar nicht verwehren.“G. S. habe sich brüskiert gefühlt und geschämt, brach noch in der Bank in Tränen aus und zitterte am ganzen Leib, so Diri.

Daraufhin schrieb er dem Landrat, bat ihn, bei der Kreisspark­asse ein gutes Wort einzulegen. Das tat dieser offenbar umgehend. Denn gestern meldete sich deren Vorstandsc­hef persönlich und sagte eine Prüfung des Falles zu.

Dies hat sich erübrigt. Denn G. S. hat bereits ein Girokonto. Die Filiale der Deutschen Bank in Königsbrun­n hat es ihr gestern eingericht­et. Und eine Tasse Kaffee gab es während der Wartezeit noch dazu. Diri: „Die sagten, kein Problem. Ein Basiskonto sei nichts Ungewöhnli­ches und öfters nötig, um im Notfall zu helfen.“G. S. wird nicht mehr hungern und frieren müssen. Nun sucht Arif Diri für sie noch eine neue Wohnung. Die Frau wirkt noch immer unsicher. Doch Diri beruhigt sie: „Wir schaffen das.“

 ?? Foto: Pitt Schurian ?? Als eine Türkin nach 27 Ehejahren plötzlich alleine und in vielerlei Hinsicht am Ende war, halfen in Bobingen Arif Diri und Ämter. Doch das wäre beinahe an einer Formalität gescheiter­t.
Foto: Pitt Schurian Als eine Türkin nach 27 Ehejahren plötzlich alleine und in vielerlei Hinsicht am Ende war, halfen in Bobingen Arif Diri und Ämter. Doch das wäre beinahe an einer Formalität gescheiter­t.

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