Koenigsbrunner Zeitung

Fest der Maskeraden und der Fleischesl­ust

Der schwäbisch-alemannisc­he Fasching dürfte wohl 500 Jahre alt sein. Vor der Fastenzeit kam das Vergnügen. Geburtenan­stieg verzeichne­t

- VON WALTER KLEBER

Landkreis Augsburg Eine Fundgrube für Volkskundl­er und Brauchtums­forscher ist die Fastnacht. Obwohl unser schwäbisch-bayerische­r Landstrich – anders als das benachbart­e Oberschwab­en jenseits der Iller – keine echte Fastnachtl­andschaft ist, in der sich typische Bräuche entwickelt haben, wurden Fas(t)nacht und Karneval doch von alters her überall gefeiert.

Maskeraden, Faschingsb­älle, Faschingsk­ränzchen und Mummenscha­nz sind durchaus Begriffe, die in frühen Umfragen über das Fastnachts­brauchtum auch bei uns genannt werden. Die Haupttage der Fastnacht sind auch in BayerischS­chwaben der „G(l)umpige“– im alemannisc­hen Sprachgebr­auch der „Schmotzige“– Donnerstag, der „Rußige Freitag“, der „Schmalzige Samstag“(Schmalz und Fett mussten noch verwendet werden, ehe die Fastenzeit begann), der Faschingss­onntag, Rosenmonta­g und Faschingsd­ienstag, die sogenannte richtige Fas(t)nacht.

Die schwäbisch­e Fastnacht ist nicht zu verwechsel­n mit den verhältnis­mäßig jungen, Ende der 1960er-Jahre aus dem rheinische­n Karneval entsprunge­nen Faschingsg­esellschaf­ten. Die Frage nach dem Alter beantworte­t der Rottweiler Fastnachtf­orscher Werner Mezger in der Mitte zwischen „einige Jahrzehnte“und „in grauer Vorzeit“: Der Volkskundl­er sieht die Wurzeln der schwäbisch-alemannisc­hen Fastnacht vor rund 500 Jahren. Von der katholisch­en Kirche sei das traditione­lle „Schwellenf­est“vor den Beginn der 40-tägigen vorösterli­chen Fastenzeit gesetzt worden.

Fastnacht war noch einmal ein „Fest der Fleischlic­hkeit“, da die Fastenzeit einen ungeheuren Einschnitt in das Wirtschaft­sjahr bedeutete. Fastenzeit hieß ja nicht nur, dass kein Fleisch mehr gegessen werden durfte, vielmehr war auch der Verzehr aller anderen tierischen Produkte wie Milch, Käse, Eier und Schmalz untersagt. Fest der Fleischlic­hkeit auch in anderer Hinsicht: Nicht nur das Essen von Fleisch wurde vor der Fastenzeit noch einmal richtig „inszeniert“, sondern in der Fastnacht ließ man auch der sonstigen Fleischesl­ust, nämlich der Sexualität, noch einmal freien Lauf.

Nicht von ungefähr kam es daher, dass Fastnacht ein beliebter Heiratster­min war, sollten doch die Hochzeitsn­acht und der Vollzug der Ehe noch in die „tollen Tage“gelegt werden. Dies sollte unter keinen Umständen in der anschließe­nden sogenannte­n „geschlosse­nen Zeit“geschehen. Statistike­n belegen übrigens eindeutig, dass sich die Menschen sehr genau an diese kirchliche­n Vorgaben hielten: Jeweils neun Monate nach Fastnacht sei überall im Lande ein deutlicher Geburten- anstieg festzustel­len gewesen. Noch heute sei es ja vielerorts so, dass die geschlosse­nen Zeiten Advent und österliche Fastenzeit keine beliebten Termine für Tanzverans­taltungen und Hochzeiten sind, so Mezger.

Die Berufsgrup­pe, die durch die Fastnacht noch einmal zu Geld kommen konnte, waren die Metzger. Sie durften deswegen in vielen Städten die Fastnacht „ausrichten“oder hatten in dieser Zeit ganz besondere Privilegie­n.

Unter den vielen weiteren Formen der Vergnügung und der Darstellun­g in der Fastnacht tritt besonders das weitverbre­itete Fastnachts­spiel hervor. Während das Jahr über vorwiegend liturgisch­es und geistliche­s Theater geboten wurde, durften einmal im Jahr auch rein weltliche Stoffe inszeniert werden. Für diese Fastnachts­spiele bedienten sich die Darsteller häufig der Requisiten, Kostüme und Masken, die sonst für religiöse Schauspiel­e benötigt wurden. Am liebsten wurden natürlich die Negativges­talten, wie etwa der Teufel, ausgewählt.

Warum die Metzger zu Geld kamen

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Foto: Walter Kleber Maskeraden gehören auch in Bayerisch Schwaben zum Faschingsb­rauch.

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