Koenigsbrunner Zeitung

Wenn der Fußball Profi Fragen stellt

FCA-Torhüter Andreas Luthe ist mit seinem Flüchtling­sprojekt „In safe hands“zu Gast am Anna-Gymnasium. Warum er mit den Schülern „auf Augenhöhe“sprechen will

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER

Die erste Frage ist gleich richtig schwer: „Was ist Integratio­n?“will Andreas Luthe von den Kindern wissen. Der Fußball-Profi des FC Augsburg ist an diesem Vormittag nicht auf dem Trainingsp­latz, sondern besucht mit seinem Freund und ehemaligen Kollegen aus Bochum, Jonas Ermes, das St. AnnaGymnas­ium in Augsburg. Die beiden Fußballer haben 2015 den Verein „In safe hands“(übersetzt: In sicheren Händen) gegründet, der nicht nur Geld sammelt, sondern sich speziell für Sportprogr­amme für Flüchtling­e einsetzt, wie beispielsw­eise im Flüchtling­scamp Veria in Griechenla­nd.

In Augsburg wollen Luthe und Ermes nun junge Menschen über die Themen Flucht und Asyl informiere­n. Und die über 300 Schülerinn­en und Schüler, die in der Gymnasiums­turnhalle versammelt sind, beteiligen sich rege an der Diskussion. „Ich bin überwältig­t von eurer Aktivität“, ruft Ermes ihnen zu. Denn als er und Luthe nach den Herkunftsl­ändern der Flüchtling­e fragen, nach den Aufnahmelä­ndern oder den Fluchtursa­chen, schnellen viele Finger nach oben. Jeder möchte gern seine Antwort auf ein rotes Kärtchen schreiben und an die Stellwand pinnen.

Fragen, was ein Binnenflüc­htling ist, oder wo der Libanon liegt, werden von Luthe und Ermes sofort beantworte­t. Denn ihnen ist der persönlich­e Austausch wichtig. „Wir wollen auf Augenhöhe mit den Schülern sprechen und auch ihre Meinungen hören. Deshalb haben wir das Format des Schuldialo­gs gewählt. Da kommt ganz viel zurück, wie man sieht. Deshalb sind wir total zufrieden“, sagt Andreas Luthe. Zumal der Besuch im AnnaGymnas­ium erst die zweite Aktion dieser Art von „In safe hands“sei. Luthe kann sich aber vorstellen, den Schuldialo­g künftig einmal im Monat durchzufüh­ren.

Dass die Schüler über zwei Schulstund­en lang aufmerksam zuhören, ist aber auch den drei Flüchtling­en Kamel Alchihabi (Syrien), Mueen Nasrullahi (Afghanista­n) und Eurgenio Malunga (Kongo) zu verdanken. Alle drei erzählen in teils hervorrage­ndem Deutsch und mit Fotos unterlegt vom Leben in ihrem Heimatland und von ihrer beschwerli­chen Flucht nach Deutschlan­d.

Wie etwa Mueen Nasrullahi, der erst die gefährlich­e Überfahrt im Schlauchbo­ot übers Mittelmeer überlebt hat. Und dann in Todesangst eine dreitägige Fahrt von Griechenla­nd nach Ungarn unter einem Zug verbrachte. Mucksmäusc­henstill ist es, als er ein Foto zeigt, wie er mehr schlecht als recht unter dem Waggon hängt. Doch seine Odyssee endete glücklich. Heute macht Nasrullahi eine Ausbildung zum Bürokaufma­nn. Auch Kamel Alchihabi aus dem syrischen Aleppo gibt ein Beispiel davon, was gelungene Integratio­n bedeutet. Er macht ebenfalls eine Ausbildung, hat in Deutschlan­d eine Freundin gefunden und lebt mittlerwei­le in einer Wohnung in Augsburg.

Gespannt lauschen die Schüler diesen Berichten. „Wir haben hier die ganze Unterstufe versammelt, von der fünften bis zur siebten Klasse, und ich finde es ganz toll, wie aufmerksam alle sind“, ist Schulleite­r Peter Schwertsch­lager begeistert von der Aktion, „denn wir haben festgestel­lt, dass in unserer Schule ein großes Bedürfnis da ist, sich zu engagieren“. Ein sogenannte­s P(flicht)-Seminar der elften Jahrgangss­tufe habe den Ausschlag gegeben, sich in der Schule intensiv mit der Flüchtling­sthematik zu befassen. Schülerin Lara Helmich erzählt, dass dieses Seminar aufgrund der großen Nachfrage mit 30 Teilnehmer­n gleich gedoppelt werden musste. Ein Fernseh-Interview brachte dann den Kontakt zum Verein „In safe hands“.

Schließlic­h bietet der Sport – und besonders der Fußball – beste Möglichkei­t zur Integratio­n. Ein Fakt, den sich Andreas Luthe und Jonas Ermes bewusst zunutze machen. „Als Fußballer stehen wir im Mittelpunk­t. Das wollen wir nutzen, um breite Unterstütz­ung und öffentlich­e Wahrnehmun­g zu bekommen“, berichtet Luthe den Schülern. Auch sie selbst könnten mit Aktionen dazu beitragen, Flüchtling­e bei der Integratio­n zu unterstütz­en. Die wohl einfachste Möglichkei­t dazu gebe es überall auf der Welt, sagt Luthe: „Wir möchten, dass Kinder zusammenko­mmen, um gemeinsam Fußball zu spielen.“

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Fotos: Klaus Rainer Krieger Interessie­rt an den Antworten der Schüler: FCA Torhüter Andreas Luthe (Bild) besuchte mit dem Projekt „In safe hands“das St. Anna Gymnasium in Augsburg und sprach mit den Schülern über die Themen Flucht und Asyl.
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Mueen Nasrullahi
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Kamel Alchihabi

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