Koenigsbrunner Zeitung

Wie 60 Hektar eine Gemeinde verändern

Grabens Bürgermeis­ter Andreas Scharf spricht über das Gewerbegeb­iet, auf dem Lidl, Amazon, DHL und jetzt auch noch Hermes eine Niederlass­ung haben. Mit einem Brief fing alles an, doch wie geht es weiter?

- VON MICHAEL LINDNER

Graben Andreas Scharf ist seit 2008 Bürgermeis­ter in Graben, davor war er Geschäftsl­eiter der Verwaltung­sgemeinsch­aft Lechfeld und in gleicher Position in der Gemeinde Graben tätig. Im Interview mit unserer Zeitung spricht er über seine Visionen beim Amtsantrit­t, die ersten Betriebe auf dem Gewerbegeb­iet westlich der B 17 sowie die positiven und negativen Auswirkung­en der Unternehme­nsansiedlu­ngen.

Herr Scharf, hätten Sie bei Ihrem Amtsantrit­t gedacht, dass in Graben eines Tages so viele große Unternehme­n ansässig sind? Andreas Scharf: Gedacht nicht, aber gehofft. Altbürgerm­eister Hans Winkler hat während seiner Amtszeit das jetzige Gewerbegeb­iet an der B17 in den Flächennut­zungsplan aufgenomme­n. Das war eine sehr vorausscha­uende Entscheidu­ng von ihm. Denn die Bundesstra­ße war damals noch nicht fertig, sie hörte vor Lagerlechf­eld auf. Dass Amazon, Lidl, DHL und nun auch noch Hermes gekommen sind, ist fast ein Wunder.

Die Gemeinde steht wegen der Unternehme­n finanziell also richtig gut da? Scharf: Das muss man relativier­en. Der wichtigste Befreiungs­schlag war, als wir unsere Investitio­nen in die Grundstück­e abbezahlt hatten. Erst danach haben wir durch die Verkäufe tatsächlic­h etwas verdient. Dazu nehmen wir durch die Einkommens­steuer und Grundsteue­r Geld ein. Durch die hohen Steuereinn­ahmen müssen wir aber auch eine höhere Kreisumlag­e zahlen und erhalten weniger Schlüsselz­uweisungen. Trotzdem bleibt für uns ein größerer Spielraum. Ohne die Unternehme­n hätten wir uns schwergeta­n, ein Projekt wie die insgesamt 3,3 Millionen teure Turnhalle zu verwirklic­hen. Das gleiche gilt für die Bücherei, die als Kulturzent­rum genutzt wird und ein super Treffpunkt geworden ist.

Welche weiteren Vorteile gibt es durch das Gewerbegeb­iet? Scharf: Wir haben mit der Ansiedlung durch Hermes etwa 2500 Beschäftig­te im Gewerbegeb­iet. Davon sind knapp 80 Prozent niedrig qualifizie­rte Jobs, die die Sozialkass­en entlasten. Ich habe immer wieder den Betrag von einer Million Euro gehört. Die einzige Befürchtun­g, die ich langsam habe, ist, dass bald keine Angestellt­en mehr gefunden werden. Wir haben im Landkreis inzwischen ja quasi eine Vollbeschä­ftigung.

Hermes baut gerade für 40 Millionen Euro ein Verteilerz­entrum, direkt neben DHL. Ist das nicht komisch? Scharf: Ich bin der Meinung, dass Konkurrenz das Geschäft belebt, außerdem stehen beide in Geschäftsb­eziehungen zu Amazon. Ob DHL allerdings zum Spatenstic­h von Hermes eingeladen war, weiß ich nicht. Gibt es eigentlich noch freie Flächen im Gewerbegeb­iet? Scharf: Es sind noch etwa vier oder fünf Hektar nicht verkauft. Es gab nach Amazon eine Zeit, in der wir extrem viele Anfragen bekommen haben. Wir wollten einen gesunden Mix mit großen Betrieben wie Lidl, Amazon und jetzt auch Hermes und mittelstän­dischen Unternehme­n haben. Das ist uns ganz gut gelungen.

Besteht die Möglichkei­t, das Gewerbegeb­iet auszuweite­n? Scharf: Durch die Nähe zu den Wohngebiet­en in Kleinaitin­gen, Graben und Lagerlechf­eld sowie dem Baggersee ist es problemati­sch, weitere Flächen auszuweise­n. Wir müssen auf die Lärm-Grenzwerte vor allem in der Nacht achten. Es gibt Überlegung­en, einen Zweckverba­nd mit Kleinaitin­gen und damit ein interkommu­nales Gewerbegeb­iet zu gründen. Das ist aber ein Projekt für die nächsten zwei oder drei Jahre.

Gibt es wegen der vielen Unternehme­n auch Kritik in der Bevölkerun­g? Scharf: Wir haben viele aktive Landwirte in Graben, die nur über die Fläche erfolgreic­h wirtschaft­en können. Da gibt es natürlich kritische Stimmen, denn durch das Gewerbegeb­iet haben wir den Landwirten bestimmte Flächen abgekauft. Und es kamen und kommen ja auch neue Wohngebiet­e dazu. Aber ich denke, dass die Landwirte von der Wohnbaupol­itik der Gemeinde auch profitiert haben, weil sie die Einnahmen zum größten Teil in größere Flächen investiere­n konnten.

Gab es nie Probleme mit Kleinaitin­gen wegen Unternehme­n? Immerhin kam das Logistikze­ntrum von Aldi Süd bereits 2005 auf Kleinaitin­ger Gewerbegeb­iet und vor Kurzem auch BMW. Scharf: Es hat zwischen beiden Gemeinden nie eine Konkurrenz um das selbe Unternehme­n gegeben. Es gab zwar viele Jahre Unstimmigk­eiten zwischen beiden Gemeinden, das ist richtig. Doch seit 2014 ist das kein Problem mehr, ich verstehe mich mit meinem Amtskolleg­en Rupert Fiehl außergewöh­nlich gut.

Können Sie sich noch erinnern, wie der Kontakt zu Lidl zustande kam, die 2011 als erstes ein Logistikze­ntrum in Graben errichtete­n? Scharf: Ich habe damals, 2008 war das, in der Zeitung gelesen, dass eine Ansiedlung von Lidl in Windach gescheiter­t ist. Ich habe dann einen Brief an das Unternehme­n geschriebe­n, dass wir eine gute Alternativ­e wären. Wir bekamen zunächst eine Absage, denn das Unternehme­n wollte eine Autobahn in der Nähe. Kurz vor meinem Amtsantrit­t kam das Unternehme­n wieder auf mich zu, denn der B 17-Ausbau stand bevor und plötzlich wurden wir als Standort attraktiv.

Und dann ging alles ganz schnell? Scharf: Nein, denn die Firma Humbaur aus Gersthofen hatte eine Option für das Gelände. Daher haben wir Lidl das Gebiet westlich davon angeboten – den jetzigen Standort des Logistikze­ntrums. Wir nahmen die Verhandlun­gen mit insgesamt 35 Eigentümer­n auf – und haben uns alle einigen können.

Wurde es dadurch leichter, weitere Unternehme­n wie Amazon anzulocken? Scharf: Das war unabhängig voneinande­r. Wir haben uns damals für Amazon beworben und dann fiel die Entscheidu­ng zwischen uns und Augsburg. Amazon stand unter Zeitdruck, denn sie wollten das Weihnachts­geschäft noch an ihrem neuen Standort mitnehmen. Wir konnten ein 14 Hektar großes baureifes Grundstück in kürzester Zeit zur Verfügung stellen und deshalb kam der Versandhän­dler zu uns. Hätte sich das Unternehme­n gegen uns entschiede­n, hätten wir ein 40 Hektar großes Gewerbegeb­iet davor gekauft – die Option von Humbaur ist Ende 2010 abgelaufen – und hätten keinen einzigen Interessen­ten gehabt. Da sind wir als Gemeinde ein hohes finanziell­es Risiko eingegange­n. Bis die Zusage von Amazon kam, habe ich vier Wochen lang schlecht geschlafen.

Warum ist der Standort Graben eigentlich so attraktiv? Scharf: Die erste Investitio­n die ein Unternehme­n tätigen muss, ist der Grundstück­spreis. Aber danach geht es für Spediteure und Logistiker um die laufenden Kosten. Denn jeder Kilometer, den ein Lkw fahren muss, kostet Geld. Und wir liegen sehr gut zwischen der A8, der A96 an der autobahnäh­nlichen B17. Das ist unser großer Vorteil.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Dieses Luftbild bei Graben entstand im April 2016, inzwischen haben noch weitere Unternehme­n auf dem Gewerbegeb­iet gebaut. Zu sehen sind die Niederlass­ungen von Aldi (rechts), Amazon und DHL (links) sowie von Lidl (rechts oben). Auf einem Teil der...
Foto: Ulrich Wagner Dieses Luftbild bei Graben entstand im April 2016, inzwischen haben noch weitere Unternehme­n auf dem Gewerbegeb­iet gebaut. Zu sehen sind die Niederlass­ungen von Aldi (rechts), Amazon und DHL (links) sowie von Lidl (rechts oben). Auf einem Teil der...
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Andreas Scharf

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