60 Jähriger wird aus Geldnot zum Serieneinbrecher
Eineinhalb Jahre lang steigt ein Mann in Wohnungen in Augsburg und Stadtbergen ein. Er sucht Bargeld
Stadtbergen/Augsburg Tagsüber arbeitete er als Staplerfahrer, nachts ging er aus Geldnot auf Einbruchstour: Eineinhalb Jahre lang sorgte ein 60 Jahre alter Mann im Stadtgebiet von Augsburg und im angrenzenden Stadtbergen für große Verunsicherung. Immer nach dem gleichen Muster stieg der Mann in der Dämmerung in mehrere Wohnungen ein. Zweimal traf er auf Bewohner und flüchtete. Für ein Dutzend Fälle wurde er gestern am Amtsgericht zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt.
Für die Einbrüche benötigte der damals 60-Jährige keine besonderen Werkzeuge. Mit dabei hatte er meisten seinen Rucksack, eine Mütze, eine Taschenlampe und Noppenhandschuhe, um keine Spuren zu hinterlassen. Zu Fuß machte er sich auf die Suche nach geeigneten Objekten: Erdgeschoss-Wohnungen mit gekippten Fenstern oder Türen. Wie der Mann vor Gericht erklärte, griff er durch den Schlitz, legte den Griff um und öffnete mit einer eigenen Technik das Fenster – in Sekundenschnelle. Je nach Wohnung schaffte er sich dann einen zweiten Fluchtweg. Anschließend suchte er im Schein seiner Taschenlampe nach Bargeld. Der Mann beschrieb es so: „Schnell rein und schnell wieder raus.“
Mal waren es 20 Euro aus einem Sparschwein in einem Kinderzimmer, mal 500 Euro, die ihm die Hände fielen. Mal bediente er sich an den Lebensmitteln in einer Wohnung, mal steckte er ein Handy ein. Ein gestohlenes Smartphone brachte die Ermittler schließlich auf seine Spur. Über die gespeicherten Verkehrsdaten und die Nummer der SIM-Karte kamen die Kripobeamten auf den Serieneinbrecher. Ein weiterer Beweis: Sichergestellte Schuhabdrücke an verschiedenen Tatorten stimmten mit dem Schuhwerk des Mannes überein.
Gegenüber der Polizei räumte der heute 61-Jährige die Einbrüche ein. Zur Sprache kamen auch die Geldsorgen. Konkret ging es um Rückstände aus einem Handyvertrag – rund 2000 Euro.
Die Summe hätte der 61-Jährige abstottern können. Weil er aber kaum lesen und schreiben kann und niemanden hat, der ihm zur Seite steht, sah er den einzigen Ausweg in den Einbrüchen. „Er ist einfach gestrickt und war schlichtweg nicht in der Lage, das alles zu regeln“, sagte Pflichtverteidiger Dominik Hofmeister. Sein Mandant wollte bei den Einbrüchen niemandem schaden. Deshalb sei er auch immer zwischen 18 und 20 Uhr losgezogen. Um diese Uhrzeit habe er ausschließen können, dass sich jemand schon schlafen gelegt hatte. Auch schweres Werkzeug habe der 60-Jährige nie eingepackt. Er habe verhindern wollen, dass er im Falle einer Auseinandersetzung jemanden damit verletzt hätte. Als er trotzdem zweimal auf Bewohner traf, ergriff er die Flucht. „Es gab Tage, da wollte ich nicht mehr einbrechen“, sagte der heute 61-Jährige vor Gericht. Getan hat er’s trotzdem immer wieder: über eineinhalb Jahre zwischen Februar 2015 und September 2016. Diese lange Zeit kreidete ihm Staatsanwältin Gudrun Wagner an. Sie forderte drei Jahre Haft. Richter Michael Edelmann, der das Strafmaß von zwei Jahren und vier Monaten verkündete, wurde schließlich deutlich: „Alle vier Wochen sind Sie eingebrochen. Es geht nicht, dass jeder, der in Geldnot steckt, einbrechen geht. Dann bräuchte ja jeder vergitterte Fenster.“
Er hatte kein schweres Werkzeug dabei. Er habe niemandem schaden wollen