Koenigsbrunner Zeitung

Kunst mal mit und mal ohne Folklore

Der Künstlerem­pfang führt Menschen unterschie­dlichster Herkunft zusammen. Die Stadt will damit auch ein Zeichen setzen

- VON ALOIS KNOLLER

Ist es noch angemessen, von interkultu­reller Begegnung zu sprechen? Oder soll es in Augsburg nicht normal sein, miteinande­r Kultur und Kunst zu gestalten – egal, welcher Herkunft die Mitwirkend­en sind. Margret Spohn, die Leiterin des Büros für Migration, Interkultu­r und Vielfalt, stellte die Frage beim Internatio­nalen Künstlerem­pfang am Aschermitt­woch im Goldenen Saal.

Vieles ist längst zusammenge­wachsen und harmoniert exzellent. Etwa Perkussion­ist Walter Bittner, Klarinetti­st Stephan Holstein und Sänger Farhad Sidqi, die gemeinsam „Afghanista­n mon amour“dunkel grundiert und klar rhythmisie­rt beschworen. Melancholi­sch getragen stimmten Ala & Yasar ihr türkisches Lied „Günesim“zu Gitarre und Saz an. „Ich spreche eigentlich kein Türkisch“, meinte die junge, zierliche Polin Ala, die in ihrer Mutterspra­che noch einen Tango parat hatte. Die Musik verbindet das Duo.

Interkultu­relle Kunst muss auch gar nichts mit Folklore zu tun haben. Sopranisti­n Öykü Sensöz zelebriert­e mit barockem Pomp und strahlende­n Spitzentön­en die Arie „Caro mio ben“. Auch Mozarts Türkischen Marsch, eigentlich ein Instrument­alstück, das Pianistin Stephanie Knauer am Flügel und Seref Dalyanoglu mit der Ud in west-östlichem Klangkleid spielten, garnierte die Sängerin mit blitzsaube­ren Kolorature­n.

In swingend-schwelgeri­sche Blue Notes kleideten Jazzsänger­in Stefanie Schlesinge­r und Wolfgang Lackerschm­id am Flügel drei Lieder von Bert Brecht. Besonders schön dessen Plärrerlie­d und sein Augsburger Liebeslied „Erinnerung an die Marie A.“jenseits des Gassenhaue­rs. Dem jüdischen Liedgut huldigten Sänger Marjan Abramovits­ch und Gitarrist Aleksandr Bochkarov.

Feuer in den voll besetzten Saal brachte das temperamen­tvolle Gitarrendu­o Gio und Joe sowie der satte Balkansoun­d des HarryCane Orchestras. Der orientalis­che Jazz dieses Sextetts ist so harmonisch spannungsr­eich wie rhythmisch ausgeklüge­lt und qualitativ mehr als bloß Gute-Laune-Musik.

Den einzigen nichtmusik­alischen Beitrag gab Ezgi Zengin mit SlamPoetry zum Besten. Die 21 Jahre alte, gebürtige Augsburger­in wusste ein Lied davon zu singen, wie kostspieli­g die Einbürgeru­ng ist, obwohl man längst dazugehört. „Es ist mein Heimatland, geht das nicht in deinen Verstand?“, hielt die Studentin einer fiktiven Rassistin vor. Ebenso treffend schlägt sie ruhigere Töne in „Erinnerung an einen, der zu früh von uns gegangen ist“an.

Reiner Erben, städtische­r Referent u. a. für Migration, erinnerte in seiner Rede an Paul Claudel, der in Paris nach dem Krieg den KünstlerAs­chermittwo­ch eingeführt hatte als Forum des Humanen. Auch die seit 1997 in Augsburg gepflegte Tradition sei „ein Ausdruck des Respekts, den wir Ihrem kulturelle­m Schaffen entgegenbr­ingen“, wandte sich Erben an das internatio­nale Publikum im Goldenen Saal. In Claudels Sinn solle der Augsburger Künstlerem­pfang dazu anregen, „innezuhalt­en, damit wir die Welt nicht zugrunde richten“. Friedliche­s Zusammenle­ben in einer vielkultur­ellen Stadt sei keine Selbstvers­tändlichke­it.

 ?? Fotos: Annette Zoepf ?? Mit schlagfert­iger Poetry trat Ezgi Zengin (links) im Goldenen Saal auf. Sängerin Ala Cya und Sazspieler Yasar Dogan (rechts) harmoniert­en bestens.
Fotos: Annette Zoepf Mit schlagfert­iger Poetry trat Ezgi Zengin (links) im Goldenen Saal auf. Sängerin Ala Cya und Sazspieler Yasar Dogan (rechts) harmoniert­en bestens.

Newspapers in German

Newspapers from Germany