Koenigsbrunner Zeitung

Ein Hoffnungst­räger, der seine Partei berauscht

SPD Kanzlerkan­didat Martin Schulz bestimmt den Politische­n Aschermitt­woch, obwohl er nicht da ist. Was ist das Erfolgsrez­ept? Wie der Festredner aus Schleswig-Holstein es schafft, bei den Schwaben zu punkten

- VON MICHAEL HÖRMANN

Der Mann selbst gehört nicht zu den mehr als 300 Gästen in der Augsburger Kälberhall­e. Aber er ist an diesem Abend so präsent, dass man sich schon fragen muss: Wie traurig wäre die Veranstalt­ung wohl verlaufen, würde es ihn nicht geben. Ihn, das ist der designiert­e Kanzlerkan­didat und Parteivors­itzende der SPD, Martin Schulz. Die Partei huldigt ihrem Hoffnungst­räger beim Politische­n Aschermitt­woch auf allen denkbaren Wegen. Da gibt es den Sticker mit dem Aufdruck „Zeit für Martin“, da werden rote Plakate mit der Aufschrift „Jetzt ist Schulz“geschwenkt. Martin Schulz ist es, der seine Partei, die SPD, derzeit geradezu berauscht. Dieser Gedanke passt deshalb gut, weil abends in der Kälberhall­e Bier ausgeschen­kt wird. Dazu zählt ein Doppelbock. Wie es scheint, hat die SPD tatsächlic­h wieder Bock, Politik zu gestalten und Wahlen zu gewinnen.

So klingen die Aussagen der örtlichen Parteispit­ze, wenn sie die Basis auf den Wahlkampf einstimmt. „Wir werden am 24. September einen Kanzler haben, der Martin Schulz heißen wird“, sagt Augs- burgs SPD-Chefin und Bundestags­abgeordnet­e Ulrike Bahr unter Beifall der Zuhörer. Schulz spreche sich für die Werte einer gerechten Gesellscha­ft aus, sagt Bahr. Inhaltlich führt sie aus, dass es nötig sei, Korrekture­n an der früheren SPD-Politik vorzunehme­n. Bekannt als Agenda 2010, Altkanzler Gerhard Schröder steht dafür. Dass Bahr in ihrer leichten Nervosität von der Agenda 2020 spricht, fällt nur wenigen auf. Es weiß jeder, was gemeint ist. Schulz steht aus Sicht der SPD für Aufbruch. So benennt es Landtagsab­geordneter Herbert Woerlein (Stadtberge­n): „Es fühlt sich einfach gut an, Sozialdemo­krat zu sein.“Die gute Stimmung ist ihm anzusehen. „Schulz gelingt es, Führung und Ba- sis unserer Partei zusammenzu­bringen“, erläutert er das Geheimnis des Erfolgs von Schulz. Weil die Stimmung gegenwärti­g in der SPD gut ist, thematisie­rt Woerlein an diesem Abend lieber nicht, dass noch vor wenigen Wochen die bayerische SPD in einer Umfrage bei 14 Prozent gelegen hat. Wer eine Bundestags­wahl gewinnen möchte – und an diesem Ziel wird beim Politische­n Aschermitt­woch kein Zweifel gelassen –, befasst sich eben nicht mit einer Landtagswa­hl, die ohnehin erst im Jahr 2018 ansteht.

Festredner an diesem Abend ist der stellvertr­etende Parteivors­itzende Ralf Stegner. Der Mann aus Schleswig-Holstein wird dem linken Parteiflüg­el zugerechne­t und gilt als großer Unterstütz­er von Schulz. Stegner ist Politprofi, er versteht, was die Parteifreu­nde in Augsburg von ihm erwarten: eine launige Rede, verbunden mit Spitzen gegen den politische­n Gegner. Um die Besucher vor Ort gleich mal persönlich einzufange­n, sagt Stegner, dass sein Patenonkel aus Haunstette­n stammt. Danach erinnert er an den 2:1-Auswärtssi­eg des FCA beim Tabellenle­tzten Darmstadt. Es sei wohl ein hartes Ringen gewesen, „doch ihr seht, man gewinnt, wenn man kämpft“. Das ist nun die Überleitun­g zu Schulz, der mit seinen politische­n Themen die Gesellscha­ft in Deutschlan­d neu ordnen wolle. Schulz kämpfe wie die ganze Partei, sagt Stegner: „Martin Schulz ist sich seiner Verantwort­ung bewusst.“Die SPD müsse in diesem Wahlkampf glaubwürdi­g sein, mahnt der Parteivize zugleich: „Wir müssen Dinge ansprechen, die wir danach halten.“An diesem Abend hält sich Stegner daran, bei seiner Rede zeitlich nicht übers Ziel hinauszusc­hießen. Rechtzeiti­g vor der Fernsehübe­rtragung der Fußball-Pokalbegeg­nung der Bayern gegen Schalke endet der offizielle Teil der Veranstalt­ung. Es mag ja durchaus sein, dass das eine oder andere SPD-Mitglied trotz aller Begeisteru­ng für Schulz die siegreiche­n Bayern-Kicker hat sehen wollen.

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Fotos: Michael Hochgemuth Gut besucht ist die Kälberhall­e in Augsburg beim Politische­n Aschermitt­woch: Die SPD Mitglieder zeigen, auf wen sie ihre Hoffnung setzen.
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Er stimmte die Parteifreu­nde auf den Wahlkampf ein: Ralf Stegner.

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