Ein Hoffnungsträger, der seine Partei berauscht
SPD Kanzlerkandidat Martin Schulz bestimmt den Politischen Aschermittwoch, obwohl er nicht da ist. Was ist das Erfolgsrezept? Wie der Festredner aus Schleswig-Holstein es schafft, bei den Schwaben zu punkten
Der Mann selbst gehört nicht zu den mehr als 300 Gästen in der Augsburger Kälberhalle. Aber er ist an diesem Abend so präsent, dass man sich schon fragen muss: Wie traurig wäre die Veranstaltung wohl verlaufen, würde es ihn nicht geben. Ihn, das ist der designierte Kanzlerkandidat und Parteivorsitzende der SPD, Martin Schulz. Die Partei huldigt ihrem Hoffnungsträger beim Politischen Aschermittwoch auf allen denkbaren Wegen. Da gibt es den Sticker mit dem Aufdruck „Zeit für Martin“, da werden rote Plakate mit der Aufschrift „Jetzt ist Schulz“geschwenkt. Martin Schulz ist es, der seine Partei, die SPD, derzeit geradezu berauscht. Dieser Gedanke passt deshalb gut, weil abends in der Kälberhalle Bier ausgeschenkt wird. Dazu zählt ein Doppelbock. Wie es scheint, hat die SPD tatsächlich wieder Bock, Politik zu gestalten und Wahlen zu gewinnen.
So klingen die Aussagen der örtlichen Parteispitze, wenn sie die Basis auf den Wahlkampf einstimmt. „Wir werden am 24. September einen Kanzler haben, der Martin Schulz heißen wird“, sagt Augs- burgs SPD-Chefin und Bundestagsabgeordnete Ulrike Bahr unter Beifall der Zuhörer. Schulz spreche sich für die Werte einer gerechten Gesellschaft aus, sagt Bahr. Inhaltlich führt sie aus, dass es nötig sei, Korrekturen an der früheren SPD-Politik vorzunehmen. Bekannt als Agenda 2010, Altkanzler Gerhard Schröder steht dafür. Dass Bahr in ihrer leichten Nervosität von der Agenda 2020 spricht, fällt nur wenigen auf. Es weiß jeder, was gemeint ist. Schulz steht aus Sicht der SPD für Aufbruch. So benennt es Landtagsabgeordneter Herbert Woerlein (Stadtbergen): „Es fühlt sich einfach gut an, Sozialdemokrat zu sein.“Die gute Stimmung ist ihm anzusehen. „Schulz gelingt es, Führung und Ba- sis unserer Partei zusammenzubringen“, erläutert er das Geheimnis des Erfolgs von Schulz. Weil die Stimmung gegenwärtig in der SPD gut ist, thematisiert Woerlein an diesem Abend lieber nicht, dass noch vor wenigen Wochen die bayerische SPD in einer Umfrage bei 14 Prozent gelegen hat. Wer eine Bundestagswahl gewinnen möchte – und an diesem Ziel wird beim Politischen Aschermittwoch kein Zweifel gelassen –, befasst sich eben nicht mit einer Landtagswahl, die ohnehin erst im Jahr 2018 ansteht.
Festredner an diesem Abend ist der stellvertretende Parteivorsitzende Ralf Stegner. Der Mann aus Schleswig-Holstein wird dem linken Parteiflügel zugerechnet und gilt als großer Unterstützer von Schulz. Stegner ist Politprofi, er versteht, was die Parteifreunde in Augsburg von ihm erwarten: eine launige Rede, verbunden mit Spitzen gegen den politischen Gegner. Um die Besucher vor Ort gleich mal persönlich einzufangen, sagt Stegner, dass sein Patenonkel aus Haunstetten stammt. Danach erinnert er an den 2:1-Auswärtssieg des FCA beim Tabellenletzten Darmstadt. Es sei wohl ein hartes Ringen gewesen, „doch ihr seht, man gewinnt, wenn man kämpft“. Das ist nun die Überleitung zu Schulz, der mit seinen politischen Themen die Gesellschaft in Deutschland neu ordnen wolle. Schulz kämpfe wie die ganze Partei, sagt Stegner: „Martin Schulz ist sich seiner Verantwortung bewusst.“Die SPD müsse in diesem Wahlkampf glaubwürdig sein, mahnt der Parteivize zugleich: „Wir müssen Dinge ansprechen, die wir danach halten.“An diesem Abend hält sich Stegner daran, bei seiner Rede zeitlich nicht übers Ziel hinauszuschießen. Rechtzeitig vor der Fernsehübertragung der Fußball-Pokalbegegnung der Bayern gegen Schalke endet der offizielle Teil der Veranstaltung. Es mag ja durchaus sein, dass das eine oder andere SPD-Mitglied trotz aller Begeisterung für Schulz die siegreichen Bayern-Kicker hat sehen wollen.