Luzern erlebt Polit Drama
Tatort: Kriegssplitter
ARD, Sonntag, 20.15 Uhr Na endlich, es gibt die Dame wirklich. Was uns an den letzten „Tatort“-Versuchen der Schweizer am meisten interessiert hat, waren die geheimnisvollen Flirtversuche des Reto Flückiger (Stefan Gubser). Der Flirt bekommt nun ein Gesicht in Form der Schauspielerin Brigitte Beyeler, die bei der ARD und den Eidgenossen in der Besetzungsliste einfach „Frau“heißt. Verheiratet ist sie, was die Ermittlungen beeinflusst. Was der wortkarge Kommissar nicht ahnt, der bei seiner Affäre plötzlich so was wie Leben in sich entdeckt.
Dass wir die „Kriegssplitter“als „Tatort“-Feinbeobachter mit Drang zum Nebensächlichen angehen, hat seinen Grund. Weil der Krimi aus dem Nachbarland ziemlich misslungen ist. Die Schweizer arbeiten die beiden TschetschenienKriege auf, was mit einem in Luzern lebenden tschetschenischen Kriegsverbrecher zu tun hat, der – und da wird es schon komplizierter – von einem Killer, einer jungen Frau und der russischen Regierung gejagt wird. Ach ja, und gleich zu Beginn kommt ein Journalist zu Tode.
Damit könnten wir leben, aber aktuell-außenpolitisch strukturierte Krimis sehen anders aus. Dahinter steckt hoffentlich nicht ein abgelagertes Drehbuch, sondern die Vorstellung, dass die Saat der Gewalt in der Generation der Kriegswaisen erneut aufgeht. So zieht die junge Rächerin Nura (Yelena Tronina) auch ihren Zwillingsbruder Nurali (stark: Joel Basman) hinein in den Konflikt. Ein wenig Geschichtsaufklärung, ein schreckliches Familiendrama und die Erinnerung an hunderttausende Opfer. Ein ehrenwertes Unterfangen.
Aber dramaturgisch enttäuscht „Kriegssplitter“mit seiner verschachtelten Story. Da hilft auch Ermittlerin Liz Ritschard (Delia Mayer) als belebendes Element nicht weiter. Das „Tatort“-Publikum ist wählerischer geworden. Den personellen Umbruch (Mini-Krise?) des TV-Klassikers mit einem Schweizer Beitrag zu begleiten, ist mutig, aber nicht klug. Rupert Huber