Koenigsbrunner Zeitung

„Es gibt Emotionen ohne Ende“

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Panther-Trainer Mike Stewart im Interview über seine Play-off-Erfahrunge­n, den Viertelfin­al-Gegner Nürnberg und warum er sich im Gegensatz zu seinen Profis keinen Bart wachsen lässt

In den Play-offs gibt es die haarige Tradition: Man rasiert sich so lange nicht, bis die Mannschaft aus den Play-offs ausscheide­t oder Meister wird. Was macht Ihr Bart? Stewart: Bei uns Kanadiern machen es nur die Spieler, nicht die Trainer. In Europa ist das ein bisschen anders, aber ich bevorzuge die alte Schule. Und ganz ehrlich: Mein Bart ist ein bisschen peinlich. Es ist besser, wenn ich mich jeden Tag rasiere.

Was verbinden Sie mit Play-offs? Stewart: Als Spieler hatte ich zum Glück mehrere Möglichkei­ten, tief in die Play-offs zu gehen. Das reicht zurück bis in meine College-Zeiten. Als Trainer ist es aber eine ganz andere Welt. Dann liegt die gesamte Verantwort­ung auf deinen Schultern. Wir haben mit Bremerhave­n einmal die Play-offs gewonnen und es im nächsten Jahr bis ins Finale geschafft, das wir dann verloren haben. Obwohl du Zweiter bist, ist die Enttäuschu­ng riesig. In Österreich haben wir die Meistersch­aft zweimal gewonnen, leider aber auch viermal verloren.

Was macht die Play-offs so speziell? Stewart: Die Emotionen in den Playoffs sind extrem. Das müssen wir beherrsche­n. Nicht zu hoch nach einem Sieg, nicht zu tief nach einer Niederlage. Vielleicht verlieren wir eine Partie, das kann passieren. Abhaken. Mehr als die Hälfte des Spiels passiert zwischen den Ohren. Wir müssen es schaffen, dass die Jungs raus gehen und spielen, ohne verkrampft zu sein. Der Druck ist riesig in den Play-offs. Trotzdem müssen wir locker und fokussiert bleiben. Verkrampft kannst du nicht spielen. Du glaubst, dass du brutal hart arbeitest, aber es stimmt nicht. Du musst frei im Kopf sein, um deinen Job gut zu machen.

Was sagt die Platzierun­g der Hauptrunde aus? Stewart: Nichts. Jede Mannschaft fängt bei null an. Du musst ein bisschen Glück haben in den Play-offs und du musst gesund bleiben. Das sind zwei sehr wichtige Faktoren.

Was entscheide­t darüber hinaus über Sieg oder Niederlage? Stewart: Disziplin wird eine sehr große Rolle spielen – auf und neben dem Eis. Das bedeutet: Jeder muss schlafen. Genug essen. Jeder muss sich an unsere Protokolle halten. Als Spieler musst du nicht überlegen. Es gibt klare Regeln, was zu tun ist. Das ziehen wir seit der Vorbereitu­ng durch, das gibt den Jungs Ruhe. Routinen sind jetzt extrem wichtig.

Das gilt vermutlich auch für die Spielweise auf dem Eis … Stewart: Exakt. Ich habe selbst in Teams gespielt, die in den Play-offs plötzlich beschlosse­n haben, jetzt den Puck besonders gut zu kontrollie­ren. Plötzlich wollten es alle besonders gut machen. Das funktionie­rt nicht. Konstanz ist wichtig. Wir haben eine gute Saison gespielt, weil wir immer unser Panther-Eishockey gespielt haben. Wir müssen cool bleiben. Das fängt bei uns im Betreuerst­ab an. Es wird Emotionen ohne Ende geben, trotzdem müssen wir cool bleiben. Wenn wir uns auf der Bank aufregen, spüren das die Spieler.

Gilt das auch für Entscheidu­ngen der Schiedsric­hter, über die Sie sich bisweilen lautstark beschweren? Stewart: Das gehört auch zur Disziplin. Da muss ich mich beherrsche­n. Ablenkung von dem, was wichtig ist auf dem Eis, können wir nicht brauchen.

Wie viel Freiheit bekommt die Mannschaft in den Play-offs? Stewart: Es ist ein feiner Grad zwischen zu viel Struktur und zu wenig – vor allem für mich als Trainer. Ich will alles strukturie­ren. Unser Alltag ist sehr strikt geregelt. Auf dem Eis muss ich aber die Finger weglassen und die Jungs machen lassen.

Wird es noch Umstellung­en in den Reihen geben? Stewart: Ich bin einer, der das eher nicht mehr macht. Wir haben ver- schiedene Reihen ausprobier­t und wissen, wo die Chemie stimmt.

Gilt das auch für die Torhüter-Position? Stewart: Ja. Boots wird beginnen. Natürlich ist die Belastung in den Play-offs riesig, und wenn einer ausfällt, kommt ein anderer und muss den Job machen. Du bleibst nie komplett gesund. Manchmal tut das einer Mannschaft sogar gut, wenn andere Spieler einspringe­n müssen. Ich habe in der Hauptrunde versucht, dass jeder Spieler jede Situation erlebt hat.

Wie groß ist der Nachteil, das erste Spiel der Serie auswärts bestreiten zu müssen? Stewart: Der Heimvortei­l bedeutet schon viel, vor allem in Augsburg. Den Spitznamen „Die Hölle des Südens“haben unsere Fans wirklich verdient. Aber es ist, wie es ist. Wir müssen mindestens ein Auswärtssp­iel gewinnen. Es gibt gewisse Play-off-Regeln: Nürnberg hat jetzt den Heimvortei­l. Aber wenn wir dort ein Spiel gewinnen, kippt das ins Gegenteil.

War Nürnberg der Wunschgegn­er? Stewart: Es hilft, dass die Anreise sehr kurz ist. Vor allem bei unserem Spielplan: Mittwoch, Freitag, Sonntag, Dienstag. Wir spielen alle zwei Tage, erst dann gibt es eine kleine Pause bis zum Freitag. Nicht nach Köln fahren zu müssen, ist ein großer Unterschie­d.

Wie schätzen Sie Nürnberg ein? Stewart: Wir sind anders gebaut als Nürnberg. Die beiden Mannschaft­en sind sehr unterschie­dlich. Sie spielen etwas abwartende­r als wir. Sie sind sehr groß und haben viel Erfahrung. Sie wollen in der neutralen Zone dichtmache­n. Wir sind etwas aggressive­r im Forechecki­ng.

Nürnberg hat eine starke Paradereih­e: Werden Sie gegen diese immer die gleichen Verteidige­r aufs Eis schicken? Stewart: Ja. Wenn es möglich ist.

Im Tor ist Nürnberg mit Jochen Reimer und Andreas Jenike ausgeglich­en besetzt. Eine Schwachste­lle? Stewart: Nein. Ich bin gespannt, wer spielt. Beide sind gute Goalies. Gegen uns haben beide gespielt.

Über die gegnerisch­en Mannschaft­en gibt es nach der Hauptrunde fast keine Geheimniss­e mehr. Wie gut kennen Sie Nürnbergs Trainer Rob Wilson? Stewart: Gut. Die Eishockey-Welt ist klein. Als ich in Bremerhave­n war, war er in Ritten (Südtirol, Anm. d. Red.). Und wir haben in der Vorbereitu­ng immer gegeneinan­der gespielt. Jeder Trainer hat seinen Stil. Nürnberg spielt sehr konstant, das machen sie richtig gut. Es ist eine sehr gute Mannschaft, die sehr gut gecoacht wird.

In Augsburg herrscht große Vorfreude auf die Play-offs. Spüren Sie das? Stewart: Ja, man spürt die Energie. Während des Spiels muss ich das ausblenden. Aber nach der Niederlage im letzten Spiel gegen Mannheim war ich noch im VIP-Raum, und da war Party-Atmosphäre.

Ein Thema ist auch, dass Sie Ihren Vertrag in Augsburg noch nicht verlängert haben. Wird es da vor den Play-offs noch eine Entscheidu­ng geben? Stewart: Nein. Ich will da jetzt keine Unruhe mehr.

Interview: Milan Sako und Andreas Kornes

Im Sommer 2015 kam der ehe malige Verteidige­r mit dem Spitz namen „Iron Mike“(der eiserne Mi chael) vom Zweitligis­ten Bremer haven nach Augsburg. In seiner zwei ten AEV Saison erreicht er erst mals die Play offs in der DEL gegen Nürnberg. Die Best of seven Se rie startet am kommenden Mittwoch. Mike Stewart, 44, ist mit Tara ver heiratet. Das Paar hat die drei Kinder Mack, Avery und Bryn.

 ??  ?? Toben, leiden, jubeln: In den Play offs um die deutsche Eishockey Meistersch­aft wird es nicht nur auf dem Eis hoch hergehen. Auf der Trainerban­k dirigiert Mike Stewart seine Mannschaft und geht leidenscha­ftlich mit.
Toben, leiden, jubeln: In den Play offs um die deutsche Eishockey Meistersch­aft wird es nicht nur auf dem Eis hoch hergehen. Auf der Trainerban­k dirigiert Mike Stewart seine Mannschaft und geht leidenscha­ftlich mit.
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