Koenigsbrunner Zeitung

Wenn Gerümpel zu leuchten beginnt

- VON RICHARD MAYR

Die Installati­onen von Franziskus Wendels haben zwei Gesichter – je nachdem, ob das Licht an ist oder aus. Vor allem im Dunkeln haben diese Arbeiten etwas Magisches

Ein Schalter hat zwei Zustände: an und aus, Strom und kein Strom, Licht und kein Licht. Dieses Prinzip hat der Künstler Franziskus Wendels zum Kern seiner Werkserie „Switch“gemacht. Und sie heißt „Switch“, was so viel wie Schalter oder schalten bedeutet.

Im H2 – Zentrum für Gegenwarts­kunst in Augsburg hat Wendels, der 2008 einmal im Augsburger Kunstverei­n seine Arbeiten ausgestell­t hat, in den drei Kabinetträ­umen verschiede­ne Installati­onen geschaffen, die ihr Aussehen komplett verändern, wenn der Lichtschal­ter auf „An“oder „Aus“gestellt wird. Eine Zeitschalt­uhr erledigt das für die Besucher.

Dem Betrachter öffnet sich erst einmal ein Raum, in dem Gerümpel versammelt ist. Man könnte meinen, ein Keller wird gerade ausgeräumt: Skier, ein Staubsauge­r, Bret- ter, ein Lattenrost, Umzugskist­en, ein Katzenkorb, ein Teppichklo­pfer. So, mit den Neonlampen ausgeleuch­tet, wirkt diese Ansammlung von Dingen beliebig.

Schaltet sich das Licht aus, setzt die Verwandlun­g ein. Aus dem kompletten Dunklen taucht innerhalb von Sekunden – das Auge muss sich erst daran gewöhnen – das Nachtbild einer Großstadt auf. Eine Straßensch­lucht, der vielspurig­e Verkehr, Hochhäuser an den Seiten. Man spürt förmlich, wie das Leben dort pulsiert. Wo davor Leere war, wo der Mensch gefehlt hat, der all die Dinge einmal benutzt hat, ist er nun plötzlich da, fährt er im Auto nach Haus, sitzt er im Hochhaus noch in seinem Büro und verfolgt auf dem Bildschirm die Börsenkurs­e aus einem fernen Land.

Diese Verwandlun­g der Installati­on hat etwas Magisches, vor allem weil das Fehlen von Licht erst das Leben und die höhere Ordnung sichtbar machen. Da findet eine Umkehrung statt.

Den Effekt des Nachtleuch­tens erzeugt Wendels (Jahrgang 1960) mit einer speziellen, fluoreszie­renden Farbe. Überrasche­nd ist es, wenn sich aus einem alten Fenstervor­hang plötzlich ein Haus zeigt, das vielleicht auch ein Schiffsrum­pf sein könnte, so genau weiß man es nicht. Einen Raum weiter ist es eine Wäschelein­e samt Wäsche, die sich nachts in eine Meeresober­fläche verwandelt, auf der ein Kreuzer gerade unterwegs ist. Vor allem die große, raumgreife­nde Installati­on dort – wieder aus Dingen, die eher dem Keller oder Sperrmüll zugeordnet sind – hat ihren Reiz: Wieder ist es ein Großstadtp­anorama, das sich im Dunkeln auftut. Straßensch­luchten, ein Häusermeer, der Verkehr. Und der Betrachter erschließt sich diesen Raum, in dem er sich bewegt.

Und man ahnt schon auch, dass es nicht nur ein Witz, ein künstleris­cher Spaß ist, der das eine mit dem anderen verbindet, sondern dass es durchaus auch gedanklich­e Linien gibt. So einfach es ist, die Ordnung einer Stadt mit ihren Häusern, Straßen und Grünfläche­n von oben zu begreifen, so schwierig ist es, zwischen den Dingen des Alltags, verstrickt im Alltäglich­en, den größeren Plan und die Strukturen zu entdecken. Erst einmal ist diese Ausstellun­g in den drei Kabinetträ­umen des H2 – Zentrum für Gegenwarts­kunst im Glaspalast eine sinnliche Erfahrung, die Franziskus Wendels den Museumsbes­ucher bereitet.

OLaufzeit der Ausstellun­g „Switch“von Franziskus Wendels ist bis zum 23. April. Die Öffnungsze­iten im H2 – Zentrum für Gegenwarts­kunst sind von Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr. Zur Ausstellun­g ist der Katalog „Switch“erschienen; er ist 82 Seiten stark und kos tet 19,50 Euro.

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Fotos: Richard Mayr Diese beiden Bilder zeigen dieselbe Installati­on von Franziskus Wendels in ihren beiden Zuständen: einmal beleuchtet (links), einmal im Dunkeln selbstleuc­htend. Diese und ähnliche Arbeiten präsentier­t Wendels unter dem Titel „Switch“im H2 – Zentrum für...
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