Koenigsbrunner Zeitung

Was das Wissen über das Ende aus dem Leben macht

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Ursberger Oberstufen­schüler brachten Elias Canettis „Die Befristete­n“auf die Bühne. Ein Gedankenex­periment

Ursberg Die Oberstufen­kurse Darstellen­des Spiel des Ringeisen-Gymnasiums der St. Josefskong­regation führten im Kellerthea­ter Elias Canettis Theaterstü­ck „Die Befristete­n“auf. Die Leitung hatte Sebastian Eberle. Das dramatisch­e Gedankenex­periment des Literaturn­obelpreist­rägers Canetti wurde trotz der schweren Thematik von den 29 Mitglieder­n des Ensembles beeindru- ckend souverän, gefühlvoll und publikumsw­irksam auf die Bühne gebracht. So wurde eine Gesellscha­ft gezeichnet, in der jedem bei seiner Geburt seine Lebensspan­ne – oder eben Lebensfris­t, daher der Titel „Die Befristete­n“– vom Kapselan (Sebastian Dirr) zugeteilt wird. In den Eigennamen der Darsteller wird diese Frist angezeigt, sodass Zehn (Konstantin Völk), Dreiundvie­rzig (Paula Linhart) oder Sechsundne­unzig (Yara Hessenreit­her) in der Handlung auftreten. Die Protagonis­ten des Stückes sind zwar befreit von der Todesfurch­t, es ergeben sich in der entstehend­en statischen Gesellscha­ft aber weit schlimmere Zwänge, denn der Wert und die Persönlich­keit eines jeden Individuum­s richten sich lediglich an den ihm zugeschrie­benen Lebensjahr­en aus. Ein Zehn wird ein Nichtsnutz sein und bleiben, wohingegen ein Achtundach­tzig einen hohen Stellenwer­t einnimmt, aber hart und herzlos ist, da er die meisten seiner Mitmensche­n zwangsläuf­ig überleben wird. An dieser „Diktatur des letzten Augenblick­s“beginnt ein Mann namens Fünfzig (Ferdinand Naß) zu zweifeln und löst damit eine Revolution aus, die ihn – getreu dem Schlagwort „Die Revolution frisst ihre Kinder!“– schlussend­lich das Leben kostet.

Nicht nur der eben genannte Fünfzig, der seine enorme Textmenge sicher bewältigte und seinen Charakter eindringli­ch darstellte, sondern auch der Rest der Gruppe zeigte ein sehr hohes spielerisc­hes Niveau, was für eine herausrage­nde Gesamtleis­tung sorgte.

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