„Ich bin Zweckpessimist“
Vom Kabarettisten zum Schauspieler und jetzt auch Regisseur: Josef Hader über Humor, Unabhängigkeit – und warum er nie ausflippt
In Ihrem aktuellen Film wie in „Indien“, dem Kultfilm aus dem Jahr 1993, der Sie und Alfred Dorfer schlagartig über die Kabarettbühnen hinaus bekannt machte – Sie spielen mehr oder weniger sympathische Loser und Zyniker. Sind Sie selbst auch ein Stück weit einer geworden im Lauf der Zeit oder eher Optimist geblieben? Josef Hader: (lacht) Ich bin eigentlich ein Zweckpessimist. Das heißt: Ich bin jemand, der sich immer vorstellt, es wird gleich das Schlimmste passieren. Dadurch passt man sehr auf und das Schlimmste passiert meistens nicht. Etwa wie ein Bergsteiger, der mit viel Angst klettert und daher selten oder nie abstürzt.
Wie unterscheiden sich Ihr „Indien“-Protagonist Heinz Bösl und der Protagonist Georg, frischentlassener Ex-Kulturkritiker, im aktuellen Film? Hader: Der Bösl stammt aus einem Milieu, das nicht ganz meins ist. Er ist jünger, etwa Mitte 40. Jetzt spiele ich jemanden, der Mitte 50 ist, der ein viel verschlossenerer Mensch als der Bösl ist. Der mit seinen Emotionen nicht aus sich herauskann, und deswegen leitet er seine Wut in ganz seltsame Aktionen. Das würde dem Bösl aus „Indien“nie passieren. Der würde sofort zum Schimpfen anfangen, da würde sich nie etwas aufstauen.
Wie war es, erstmals als Drehbuchautor und Regisseur zu agieren? Was macht für Sie den Reiz daran aus? Hader: Es war am Anfang sehr überfordernd. Aber nach drei Tagen wusste ich: Ich mag das Regieführen sehr gerne. Nicht weil ich alle kontrollieren kann – das kann man eh nicht –, sondern weil man als Regisseur die Stimmung vorgeben kann, die am Set herrscht. Ich habe versucht, eine freundliche, aber konzentrierte Stimmung zu verbreiten. Ich wollte immer Meinungen einholen, dass alle mitdenken, sich verantwortlich fühlen und dass alle Spaß haben. Dass jeder sich traut seine Meinung zu sagen, wenn er etwas nicht so gut findet, auch wenn das gar nicht sein Bereich ist. Es geht nicht um Kontrolle, die Filmerei ist Teamwork. Deswegen würde ich auch nie aufs Plakat schreiben: Ein Film von Josef Hader. Sondern: Buch und Regie Josef Hader.
Angesichts des desillusionierten Antihelden im Film samt skurrilem Selbstmordversuch eine Grundsatzfrage: Hilft Humor gegen Tristesse? Hader: Mir hilft Humor eigentlich immer. Auch beim Filmemachen hilft es, alles mit Schmäh anzugehen, weil dann alle besser drauf sind und alles besser klappt. Insofern mag ich Humor gern. Wenn ich allein bin, brauch ich Humor nicht so. Ich finde, Humor ist etwas Gutes fürs Zusammenleben, für alles, was Menschen miteinander machen.
Was wäre aus Ihnen geworden, wenn Sie keinen Humor gehabt hätten? Hader: Dann wäre ich vermutlich ein schlechter Lehrer geworden. Denn ich wollte ursprünglich Lehrer werden. Das kann man ohne Humor auch werden, aber dann wird man eben ein schlechter Lehrer.
Ihr Filmprotagonist versucht sich an seinem Ex-Chef, der ihn entlassen hat, zu rächen. Was halten Sie von Rache und Ausflippen? Hader: Ich habe es nie notwendig gehabt. Weil mir von Menschen erstaunlich wenig angetan wurde in meinem Leben. Das liegt auch daran, dass ich es privat in Konfliktsituationen oder bei Trennungen geschafft habe, dass man danach noch miteinander reden kann. Beruflich habe ich von Anfang an als junger Kabarettist darauf geachtet, dass ich sehr unabhängig bleibe, nicht von einzelnen Menschen zu stark abhängig bin. Selbst wenn ein Kritiker meine Filme verreißt, kann ich immer noch Kabarett spielen. Und wenn ich in Wien nicht mehr Kabarett spielen könnte, weil ich da einen mächtigen Feind hätte, könnte ich im ganzen Rest des deutschsprachigen Raums spielen. Ich habe also immer geschaut, dass ich die Abhängigkeit auf möglichst viele Gegenden und Menschen verteile.
Der Protagonist gibt seine Entlassung verschleiernd vor, ein Buch zu schreiben. Wäre das auch etwas für Sie? Hader: Das ist auch ein Traum, allerdings einer, den ich wohl nicht verwirklichen werde. Wenn es darum geht, wirklich etwas so hinzuschreiben, dass dies die wirklich endgültige Form ist, dass die Buchstaben vom Papier ins Gehirn des Lesers wandern und dort die Geschichte auslösen, da weiß ich nie, wie ich’s schreiben soll.
Welcher Film hat Ihnen in letzter Zeit am besten gefallen? Hader: Sehr gut gefallen hat mir der schwedische Film „Höhere Gewalt“über ein Touristenehepaar im Skiurlaub, weil dieser Film meinem Ideal, der äußersten Verbindung von Tragik und Komik, sehr nahekommt. Bittere Beziehungsszenen wie bei Ingmar Bergmann, stehen da urkomischen Szenen gegenüber. Das ist diese Art von Filmen, die ich gerne anschaue und versuche, in meinen Filmen in diese Richtung zu kommen.
Wird es nach Ihren Dauerbrennerprogrammen „Hader muss weg“und „Hader spielt Hader“, die Sie bereits jahrzehntelang spielen, demnächst ein neues Bühnenprogramm geben? Hader: Die letzten vier Jahre war ich stark auf den Film konzentriert. Jetzt ist er fertig und ich habe eine kleine Pause, in der ich nachdenken kann. Ich bin gespannt, was mich anspringt, ob es eine Idee für einen weiteren Film oder ein neues Programm ist. Ich würde es sehr spannend finden, ein neues Kabarettprogramm zu machen, denn die momentane Zeitstimmung ist schon sehr interessant und kompliziert.
Interview: Thomas Steierer