Koenigsbrunner Zeitung

Wie barrierefr­ei ist Augsburg?

- VON STEFAN KROG

Die Stadtwerke rüsten dieses Jahr an ihren Haltestell­en auf, die Stadt verweist auf etliche Verbesseru­ngen, auch wenn sich am Standesamt mit einem Lift seit Jahren nichts tut

Die Zahl der öffentlich­en Gebäude, die barrierefr­ei zugänglich sind, ist in Augsburg in den vergangene­n Jahren deutlich gestiegen. Auch im öffentlich­en Raum, etwa der Fußgängerz­one, gibt es Verbesseru­ngen. „Man hört sich unsere Vorstellun­gen inzwischen an. Wir sind relativ zufrieden, auch wenn es natürlich noch an der einen oder anderen Stelle Verbesseru­ngsbedarf gibt“, sagt Claudia Nickl, Vorsitzend­e des Behinderte­nbeirates.

Bis 2023, so eine Vorgabe der Staatsregi­erung, soll der öffentlich­e Raum in Bayern barrierefr­ei sein. Das setzt Kommunen, staatliche Behörden und Verkehrsbe­triebe unter Druck. Beim 300 Millionen schweren Schulsanie­rungsprogr­amm werden mehrere Schulen unter anderem mit einem Aufzug nachgerüst­et. Die Stadtwerke werden in diesem Jahr 18 Straßenbah­nhaltestel­len barrierefr­ei umgestalte­n. Das kostet 3,3 Millionen Euro. Der Bedarf ist da. Denn in Augsburg leben rund 24000 Menschen mit Schwerbehi­nderung, die zu mehr als 50 Prozent in der Erwerbsfäh­igkeit gemindert sind – das sind mehr als acht Prozent der Bevölkerun­g. Dazu zählen Rollstuhlf­ahrer, Sehbehinde­rte oder Menschen mit Organdefek­ten.

Thema war die barrierefr­eie Ausstattun­g von städtische­n Gebäuden allerdings bei den Haushaltsb­eratungen. Denn für den Aufzug im Standesamt, ein Projekt, das seit etlichen Jahren angemahnt wird, ist im Etat kein Geld enthalten. FWStadtrat Volker Schafitel erzürnt das. Es könne ja kaum ein Dauerzusta­nd sein, dass die Oma im Rollstuhl die Treppe hochgetrag­en werden müsse, wenn der Enkel heirate. Für 2019 steht der Aufzug nun im Investitio­nsprogramm der Stadt, das allerdings unverbindl­ich ist. Geschoben wurde der Aufzug, weil am Standesamt dann noch weitere Baumaßnahm­en fällig werden, die besser auf einmal erledigt werden.

Die Stadt verweist auch darauf, in den vergangene­n Jahren in vielen Häusern Verbesseru­ngen erreicht zu haben: das Verwaltung­sgebäude am Rathauspla­tz mit Bürgerinfo, das Gesundheit­samt, die Bürgerbüro­s, das Sozialamt und das Verwal- tungsgebäu­de am Elias-Holl-Platz. Es handle sich um eine „nie endende Aufgabe“, sagt Stadtsprec­herin Elisabeth Rosenkranz.

Bei Neubauten schreibt die Bauordnung Barrierefr­eiheit vor. „Sanierunge­n im Bestand erfolgen im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsm­ittel“, so Rosenkranz. Ein jahrelang diskutiert­er Außenaufzu­g am Schaezlerp­alais ist momentan aus Finanzgrün­den kein Thema mehr. Aus Gründen des Denkmalsch­utzes wurde die zuletzt favorisier­te Lösung recht teuer.

Im Großen und Ganzen passe es aber bei öffentlich­en Gebäuden, sagt Benedikt Lika, der im Elektrorol­lstuhl sitzt und Stadtrat der CSU ist. „Da, wo ich unterwegs bin, fällt mir nichts auf.“Bei Privathäus­ern und in Unternehme­n sieht er hingegen Bedarf. Nötig wäre ein Investitio­nsprogramm, um für Immobilien­eigentümer Anreize zu schaffen. „Es gibt aber schon ein Umdenken, zumal der demografis­che Wandel uns in die Karten spielt. Es wird mehr alte Menschen geben, und wenn die nicht mehr ins Geschäft kommen, fehlen in ein paar Jahren auf einmal Teile der Kundschaft.“Auch die Gastronomi­e stelle sich zunehmend auf das Thema ein.

„Gerade mobilitäts­eingeschrä­nkte Personen sind auf uns angewiesen, weil sie mitunter nicht Auto fahren können“, sagt Stadtwerke­sprecher Jürgen Fergg. Die Verkehrsbe­triebe werden in diesem Jahr 38 ihrer 187 Bahnsteige im Straßenbah­nnetz barrierefr­ei ausstatten. Betroffen sind 18 Haltestell­en auf den Linien 2 (Ast nach Haunstette­n-Nord), 3 (Ast nach Haunstette­n-West) und 4 (Augsburg-Nord).

Abgesehen von der Linie 2, die wegen Gleiserneu­erungen in den Sommerferi­en ohnehin nicht fahren wird, müssen die betroffene­n Haltestell­en jeweils zwei Wochen außer Betrieb genommen werden. Los geht’s auf der Linie 3 am 20. März an der Universitä­t. Bis zum 2. April, wenn der Semesterbe­trieb wieder anläuft, wollen die Stadtwerke hier fertig sein. Die anderen Linien folgen dann im Sommer. Aktuell sind 85 Straßenbah­n-Bahnsteige vollständi­g barrierefr­ei. Weitere 68 Bahnsteige sind zumindest bedingt barrierefr­ei.

Konkret geht es um höhere Bahnsteige, weiße Rillenstre­ifen für Sehbehinde­rte an der Kante und um Blindensen­soren an Ampeln. Viele dieser Summer müssen ausgetausc­ht werden – anders als die alten Geräte, die bei Grünlicht vibrieren, geben die neuen Geräte ein ständiges Ticken von sich. Am Königsplat­z ist das Klackern der vielen Geräte an den Ampelmaste­n gut vernehmbar. Je nach Umgebungsl­ärm ticken sie lauter oder leiser. So sollen Sehbehinde­rte die Geräte überhaupt erst finden. Drückt man unten einen Knopf, piepst das Gerät bei Grünlicht. Allerdings werden nicht alle Haltestell­en barrierefr­ei ausrüstbar sein. „Beim Rathauspla­tz würde es schwierig“, sagt Stefanie Rohde, Bereichsle­iterin für den Fahrbetrie­b. Für Bushaltest­ellen ist die Bauverwalt­ung der Stadt zuständig. Nach einer Zählung aus dem Jahr 2015 sind bei den Bushaltest­ellen rund 70 Prozent noch nicht barrierefr­ei.

So genannte „Bompeln“wollen die Stadtwerke vorläufig übrigens nicht mehr installier­en. Diese im Boden versenkten LED-Lichter warnen an den Haltestell­en „Hochschule“und „Von-Parseval-Straße“vor herannahen­den Trams. Zielgruppe sind vor allem Schüler und Studenten, die nach unten ins Smartphone starren. Aber auch Sehbehinde­rte haben die Bodenampel­n schon gelobt. Allerdings sei die Situation an diesen beiden Haltestell­en hinsichtli­ch des Schüler- und Studentena­ufkommens besonders hoch, so die Stadtwerke. Andere Haltestell­en mit Bedarf sehe man momentan nicht. »Kommentar

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Foto: Silvio Wyszengrad Diese Rillenstre­ifen signalisie­ren Sehbehinde­rten, dass die Bahnsteigk­ante in der Nähe ist. Mit dem Taststock können sie sich so besser orientiere­n. Unser Foto zeigt den Kö nigsplatz. Im Lauf dieses Jahres wollen die Stadtwerke weitere 18 Haltestell­en...

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