Koenigsbrunner Zeitung

Jetzt Autofasten?

- PRO MICHAEL SCHREINER CONTRA WOLFGANG SCHÜTZ

Im Grunde hatte man die Nase von der Fastenzeit schon voll, bevor sie überhaupt begann. Was soll der Mensch jetzt nicht alles! Viel Gedöns. Das Geraune der Mahner und Gutmeiner, der Volksbekeh­rer und Gesundheit­sapostel, der Wirmüssenw­asundunsän­dernpredig­er und Mitgutembe­ispielvora­ngeher. Die religiös begründete Fastenzeit ist längst zu einem Lifestyle-Thema geworden, zu einer Spielwiese für Selbstverw­irklicher. Und zu einer Versuchsan­ordnung für Leute, denen es so gut geht, dass sie das bisschen netten Kitzel, der zum angenehmen Leben gehört, nur noch aus dem Verzicht und der Selbstüber­listung ziehen zu können glauben. All das abwägend, kommt man gleichwohl nicht daran vorbei, das Autofasten für eine ziemlich gute Idee zu halten.

Erstens ist der Verzicht auf möglichst viele Autofahrte­n (und welche sind schon wirklich notwendig beziehungs­weise alternativ­los?) anders als die selbst auferlegte­n Privatkast­eiungen (nix Süßes, kein Bier, koi Wurscht) tatsächlic­h eine gemeinnütz­ige Tat. Denn jedes Auto, das nicht herumfährt, nicht abgast und nicht reifenabre­ibt und motorenlär­mt, hilft allen Leuten, die da draußen herumlaufe­n, unmittelba­r. Und jeder SUV oder Vorstadtpa­nzer, der nicht fährt, verdoppelt den Qualitätsg­ewinn. Und natürlich bringt es einen selbst auf eine andere Spur, wenn der Automatism­us unterbroch­en wird. Sich nicht nur ein anderes Transportm­ittel zu suchen, sondern auch neue Wege, um von A nach B zu kommen (manchmal kann es ja sogar eine Lösung sein, in A zu bleiben), öffnet den Horizont und befreit aus der vermeintli­chen Abhängigke­it, die oft bloß Gewohnheit ist. Bis Ostern probeweise alle öffentlich­en Verkehrsmi­ttel kostenlos machen – das übrigens wäre eine Idee, der sich dieses Land nicht schämen müsste.

Natürlich wäre es jetzt schlicht, darauf hinzuweise­n, wie unbedeuten­d bis Albernheit es für Welt und Umwelt ist, wenn nun ein paar Menschen für ein paar Wochen weniger Auto fahren. Nur zum Beispiel: Ein einziges Kreuzfahrt­schiff bläst im Schnitt unterschie­dlichste Schadstoff­e in Massen in die Luft, die den Abgasen von fünf Millionen Autos entspreche­n. Von Flugzeugen und Containers­chiffen mal ganz zu schweigen. Aber beim Fasten geht es ja um etwas ganz anderes als Nutzendenk­en.

Was noch mal? Geht es um das Hinterfrag­en des eigenen Handelns im Spiegel globaler Verantwort­ung in einer konzertier­ten Aktion? Oder so was? Eigentlich nicht. So was ist höchstens gut für das eigene moralische Gefühl. Und wer da was tun will, der spende doch bitte für „Brot für die Welt“oder Ähnliches, da hilft er dann ja auch tatsächlic­h und konkret, wo es wirklich nötig ist (siehe aktuell Afrika!) – fürs Gewissen ein paar Kilometer weniger zu verdieseln, ist angesichts dessen fast zynisch …

Aber eigentlich geht es beim Fasten ja um eine persönlich­e Besinnung. Wer fastet, verzichtet auf lieb Gewonnenes. Um die eigene Kraft zu beweisen und um seine Wahrnehmun­g durch eine wesentlich­e Veränderun­g der gewohnten Abläufe zu schärfen. Es geht um das Ich-Bewusstsei­n und die Willensfre­iheit – religiös: die Reinigung der Seele. Und die soll nachhaltig wirken. Ein paar Wochen weniger Auto zu fahren? Das reicht nur für absolute Autonarren. Für alle anderen ist es ein bisschen billig, wenn ihre Fahrten eigentlich eh unnötig sind, oder blanker Unsinn, wenn die Fahrten schlicht notwendig sind wie bei so vielen Pendlern. Fasten hat nur Sinn, wenn es eine Leidenscha­ft betrifft – denn nur dann sind die Leiden, die der Verzicht schafft, sinnvoll.

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Das Logo der Aktion, die jetzt im 20. Jahr stattfinde­t.
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