Koenigsbrunner Zeitung

Erdogan wirft Deutschlan­d Nazi Praktiken vor

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Krise Streit um Wahlkampfa­uftritte eskaliert. Türkischer Präsident: „Wenn ihr mich nicht sprechen lasst, mache ich einen Aufstand“

Berlin/Köln Der Ton im Streit über Wahlkampfa­uftritte türkischer Politiker in Deutschlan­d nimmt weiter an Schärfe zu: Präsident Recep Tayyip Erdogan warf den deutschen Behörden bei einer Rede am Sonntag in Istanbul Nazi-Praktiken vor. In der CDU wurde die Forderung laut, Erdogan solle sich für den Vergleich entschuldi­gen. Erdogan sagte in Istanbul: „Eure Praktiken unterschei­den sich nicht von den früheren Nazi-Praktiken.“Er hätte gedacht, diese Zeit sei in Deutschlan­d längst vorbei – „wir haben uns geirrt“, fügte Erdogan hinzu. Der Präsident äußerte sich auf einer Großverans­taltung vor mehreren tausend Anhängern, auf der er für ein „Ja“beim Verfassung­sreferendu­m im April warb, mit dem er weitreiche­nde Machtbefug­nisse erhalten will.

Am Sonntagabe­nd trat derweil der türkische Wirtschaft­sminister Nihat Zeybekci in Köln auf. Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu will am Dienstag in Hamburg an einer Veranstalt­ung teilnehmen, wie die Polizei mitteilte. Um welche Art Veranstalt­ung es sich dabei handelt, war nach Angaben eines Sprechers aber noch unklar. Es werde zunächst eine „Lagerbewer­tung“vorgenomme­n.

Die vorangegan­genen Absagen von Veranstalt­ungen mit Zeybekci und Justizmini­ster Bekir Bozdag hatte Erdogan bereits am Freitagabe­nd zu schweren Vorwürfen an Deutschlan­d bewogen. Die türkischen Minister dürften dort nicht sprechen, während Vertreter verbotener Kurdenorga­nisationen öffentlich das Wort ergreifen dürften, sagte er in einer Rede. Und legte gestern mit seinem Nazi-Vergleich nach. Die stellvertr­etende CDUVorsitz­ende Julia Klöckner sagte der Bild-Zeitung (Montagsaus­gabe): „Herr Erdogan reagiert wie ein trotziges Kind, das seinen Kopf nicht durchsetze­n kann. Der NaziVergle­ich ist ein neuer Höhepunkt der Maßlosigke­it.“Dafür sollte er sich entschuldi­gen. Auch UnionsFrak­tionschef Volker Kauder verurteilt­e die Äußerungen Erdogans als „unglaublic­h und inakzeptab­el“, Bundesjust­izminister Heiko Maas (SPD) nannte sie „abstrus“und „infam“. Er warnte in der ARD-Sendung „Anne Will“aber auch davor, sich provoziere­n zu lassen, denn das sei genau Erdogans Absicht. Er sei deswegen auch gegen ein Einreiseve­rbot für türkische Politiker.

Auch Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel (SPD) machte deutlich, dass er nicht generell gegen Wahlkampfa­uftritte türkischer Politiker ist. „Wer bei uns reden will, muss uns nicht nach dem Mund reden, aber er muss unsere Regeln respektier­en“, schrieb Gabriel in einem Gastbeitra­g für die Bild am Sonntag. Das war aber noch vor Erdogans Rede in Istanbul, ebenso wie das einstündig­e Telefonat zwischen dem türkischen Ministerpr­äsidenten Binali Yildirim und Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Die beiden hatten am Samstag auch über die umstritten­en Wahlkampf-Auftritte gesprochen, meldete die staatliche Nachrichte­nagentur Anadolu. Die Türkei werde ihre „Taktik beim Wahlprogra­mm etwas ändern“, sagte Yildirim daraufhin.

Die niederländ­ische Regierung prüft derweil, ob sie einen geplanten Auftritt Cavusoglus in Rotterdam rechtlich verhindern kann. Österreich­s Kanzler Christian Kern plädierte unterdesse­n in der Welt am Sonntag für ein EU-weites Verbot von Wahlkampfa­uftritten türkischer Politiker. Damit könnte verhindert werden, dass einzelne Länder wie Deutschlan­d unter Druck der Türkei gerieten.

Erdogan selbst scheint das alles nicht sonderlich zu beeindruck­en. Anadolu zufolge sagte er am Sonntagabe­nd: „Wenn ich will, komme ich morgen. Ich komme und wenn ihr mich nicht hereinlass­t oder mich nicht sprechen lasst, dann werde ich einen Aufstand machen.“

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