Koenigsbrunner Zeitung

Deutsche ziehen Niete in Windlotter­ie

- VON THOMAS WEISS

Polen, Norweger und Österreich­er stehen auf dem Podest, die Mannschaft von Trainer Werner Schuster daneben. Stephan Leyhe kämpfte nicht nur mit seinen Nerven, sondern auch gegen eine fragwürdig­e Jury-Entscheidu­ng

Lahti Werner Schuster ist ein guter Trainer. Er hat Stephan Leyhe einfach in Ruhe gelassen. Die Zahl derer, die meinten, sie könnten den 25-Jährigen aus Willingen mit irgendeine­m Wort oder Geste aus seiner Schockstar­re befreien, war groß genug. „Stephan ist untröstlic­h. Da bringt es nichts, jetzt auf ihn einzureden“, sagte der Bundestrai­ner der deutschen Skispringe­r.

So redete Schuster statt auf seinen gegen die Tränen ankämpfend­en Schützling auf die Journalist­en ein, erklärte ihnen, dass auch er „riesig enttäuscht sei, dass junge Menschen nun einmal auch Fehler machen und Stephan Leyhe an diesem Abend in Lahti seine wohl bitterste Erfahrung als Skispringe­r machen musste“.

Die DSV-Fliegersta­ffel hatte nach fünf von acht Sprüngen von der windanfäll­igen Großschanz­e in Lahti zwischenze­itlich sogar nach Gold gegriffen. Doch dann kam Leyhe. Der nach dem verletzung­sbedingten Ausfall von Severin Freund an Nummer drei gesetzte Hesse hatte das Pech, dass zwei Sprünge vor ihm der Norweger Johann Andre Forfang auf sagenhafte 138 Meter geflogen war und den elf Jahre alten Rekord des Österreich­ers Andreas Widhölzl um zweieinhal­b Meter verbessert­e. Die Jury, die den Wettbewerb wegen extrem unterschie­dlicher Windbeding­ungen ohnehin schon mehrfach unterbrech­en musste, bekam daraufhin kalte Füße und verkürzte den Anlauf um zwei Luken.

Leyhe sah vor sich den Österreich­er Manuel Fettner auf 121 abstürzen und wollte alles besser machen. Doch der Wind und die vom finnischen Rennleiter Mika Jukkara schnell gedrückte grüne Ampel ließen Leyhe plötzlich rot sehen. Seine mentale Achterbahn­fahrt führte zu einem viel zu frühen Absprung, einer unruhigen Flugphase und einer Bruchlandu­ng bei 103,5 Metern. So kurz sprang im Finaldurch­gang kein anderer Athlet.

Leyhe selbst verkrümelt­e sich schnell, nur im ARD-Interview sagte der 25-Jährige sichtlich bewegt: „Es ist gerade ein bisschen schwer für mich. Danke, dass die Jungs so hinter mir stehen.“Teamkolleg­e Richard Freitag nahm ihn in Schutz („Er hatte nicht den Hauch einer Chance“) und schimpfte auf die Wettkampfl­eitung: „Dass die Jury diese Gruppe so durchgezog­en hat, war nicht wirklich schön.“Der konstantes­te Deutsche, Markus Eisenbichl­er, sagte: „Ich bin schon ein bisschen wütend“, ehe der dreifache Medailleng­ewinner und im zweiten Durchgang ebenfalls nicht fehlerfrei­e Andreas Wellinger die Floskel bemühte: „Wir gewinnen gemeinsam, und wir verlieren gemeinsam.“So sei der Sport eben, morgen sehe die Welt schon wieder anders aus.

Anders war die Stimmung bei den Polen, die mit Kamil Stoch, Maciej Kot, Dawid Kubacki und Piotr Zyla mit großem Vorsprung vor Norwegen gewann. Tränen, allerdings die der Freude, vergoss Routinier Gregor Schlierenz­auer, der mit Österreich Bronze holte.

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Foto: Ralf Lienert Bedröppelt­e Gesichter nach Rang vier im Teamspring­en: (von links) Andreas Wellin ger, Richard Freitag, Stephan Leyhe und Markus Eisenbichl­er.

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