Koenigsbrunner Zeitung

Ein unpolitisc­her Konstantin Wecker?

Der Sänger zeigt sich bei seinem Auftritt im Scheibenga­sbehälter von seiner lyrischen Seite

- VON WOLFGANG SCHÜTZ

Nein, natürlich hat Konstantin Wecker auch bei seinem Auftritt zum Brechtfest­ival den Zustand der Welt angeprange­rt. Hat in neuen Liedern seine Anklage gegen das verheerend­e Bombardeme­nt der Bundeswehr in Kundus 2009 formuliert und den Geist der Weißen Rose beschworen. Aber wenn an dem Samstagabe­nd ein Plakat mit dem Brechtsatz „Ändere die Welt, sie braucht es!“an der Bühne im ausverkauf­ten Gaskessel prangte, las der bald 70-jährige Wecker mit seinem Programm den Satz diesmal anders.

Denn es trat im Trio mit Fanny Kammerland­er am Cello und Johannes Barnikel am Klavier vor allem der lyrische Wecker in den Mittelpunk­t, der Romantiker, einer, der die Welt wieder mit Zauber füllen will, viel mehr Nachfolger eines Franz Schubert als eines Bob Dylan, wie er selbst sagte. Aufgewachs­en mit einer bei der Hausarbeit Gedichte sprechende­n Mutter, mit dem opernselig­en Vater Puccini schmettern­d, nur dank der Gedichte Georg Trakls durch die Pubertät gekommen: Wecker zeigte sich wie immer sehr persönlich und sang und las von Natur und Liebe und dem Reichtum des Lebens. Da wurde selbst Brecht zum Unpolitisc­hen.

Denn aus seinen neun Jahre alten Vertonunge­n des Dichters wählte Wecker etwa „Erinnerung an die Marie A.“und „Vom Schwimmen in Seen und Flüssen“– und ein bisschen „Baal“, dem im hübsch arrangiert­en Tango allerdings der Schmutz ausromanti­siert war. Dieser Wecker, noch immer unverkennb­ar kräftig in der Bauch- und unverkennb­ar brechend in der Kopf-Stimme, träumt vom Verdrängen der Politik durch die Poesie. An diesem Abend hat er es selbst fast vollzogen. Dafür gab’s, bei aller konstatier­ten Kälte der Welt draußen, drinnen, im leidlich geheizten, aber mit warmen Herzen gefüllten Industried­enkmal, stehende Ovationen – und Umarmungen im Publikum, wie beim Kirchentag. Amen.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Konstantin Wecker trat im Rahmen des Brechtfest­ivals im leidlich beheizten Schei bengasbehä­lter auf.
Foto: Ulrich Wagner Konstantin Wecker trat im Rahmen des Brechtfest­ivals im leidlich beheizten Schei bengasbehä­lter auf.

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