Geschäfte mit defekten Radkappen
Mitarbeiter einer Zulieferfirma klaute Ausschussware und verkaufte sie als Originale
Auch mit an und für sich wertloser Ausschussware kann man noch gute Geschäfte machen. Ein Mitarbeiter eines Zulieferbetriebs für die Autoindustrie schaffte heimlich fehlerhafte Radkappen beiseite, die eigentlich im Recycling-Container gelandet wären. Dann polierte er die Spritzgussteile, die im freien Handel nicht zu haben sind, auf und verscherbelte sie im Internet auf der Verkaufsplattform Ebay. Sein Arbeitgeber kam ihm auf die Schliche. Obwohl bis heute niemandem ein tatsächlicher Schaden entstanden ist, wurde der 61-Jährige jetzt wegen gewerbsmäßigen Betrugs in 360 Fällen zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr verurteilt.
Bis zu seiner Kündigung Ende 2015 hatte der Angeklagte ohne Beanstandung bei dem Zulieferbetrieb gearbeitet. Um seiner in Kasachstan mit einer geringen Rente lebenden Schwester finanziell unter die Arme zu greifen, war er auf die verhängnisvolle Idee gekommen. Über drei Jahre hinweg schmuggelte er immer wieder aussortierte, schadhafte Produkte aus dem Betrieb und besserte die fehlerhaften Stellen dann zu Hause aus. Im Internet verkaufte er Radkappen oder Tiergitter als Originalteile. Insgesamt erlöste er bei den illegalen Geschäften über 17000 Euro. An den gestohlenen Autoteilen konnten die Käufer juristisch kein Eigentum erwerben. Weil die Zulieferfirma aber auf eine Rückgabe verzichtete, fahren die Autos der Käufer bis heute mit den gestohlenen Radkappen.
Der rechtliche Haken: Die Staatsanwaltschaft wertete die Verkäufe als Betrug, weil der Angeklagte Waren weiterverkauft hatte, an denen er kein Eigentum besaß. Als der schwunghafte Handel mit der Ausschussware aufflog, interessierte sich auch die Steuerfahndung für den Angeklagten. Er musste 9000 Euro an Einkommenssteuer nachzahlen, weil er seinen illegalen Zusatzverdienst logischerweise nicht beim Finanzamt angegeben hatte.
Verteidigerin Cornelia McCready brach im Prozess vor einem Schöffengericht unter Vorsitz von Stefan Lenzenhuber eine Lanze für ihren bislang nicht vorbestraften Mandanten. Das Ungewöhnliche an dem Prozess sei, dass ein Schaden „nur im Kopf von Juristen existiert“. Alle Käufer der Teile wüssten nicht, dass dieses Verfahren stattfinde. Sie hielt eine Bewährungsstrafe für angemessen. Anderer Ansicht war Staatsanwältin Andrea Hobert, die aufgrund der Vielzahl der Fälle, bei denen das Strafgesetzbuch jeweils eine kurzfristige Freiheitsstrafe vorsieht, auf eine Haftstrafe von zweieinhalb Jahren plädierte. Das Schöffengericht urteilte am Ende zugunsten des Angeklagten. Als Auflage muss der 61-Jährige noch 2000 Euro an den Verein „Die Brücke“zahlen. Das Urteil ist nicht
rechtskräftig.