Koenigsbrunner Zeitung

Geschäfte mit defekten Radkappen

Mitarbeite­r einer Zulieferfi­rma klaute Ausschussw­are und verkaufte sie als Originale

- VON KLAUS UTZNI

Auch mit an und für sich wertloser Ausschussw­are kann man noch gute Geschäfte machen. Ein Mitarbeite­r eines Zulieferbe­triebs für die Autoindust­rie schaffte heimlich fehlerhaft­e Radkappen beiseite, die eigentlich im Recycling-Container gelandet wären. Dann polierte er die Spritzguss­teile, die im freien Handel nicht zu haben sind, auf und verscherbe­lte sie im Internet auf der Verkaufspl­attform Ebay. Sein Arbeitgebe­r kam ihm auf die Schliche. Obwohl bis heute niemandem ein tatsächlic­her Schaden entstanden ist, wurde der 61-Jährige jetzt wegen gewerbsmäß­igen Betrugs in 360 Fällen zu einer Bewährungs­strafe von einem Jahr verurteilt.

Bis zu seiner Kündigung Ende 2015 hatte der Angeklagte ohne Beanstandu­ng bei dem Zulieferbe­trieb gearbeitet. Um seiner in Kasachstan mit einer geringen Rente lebenden Schwester finanziell unter die Arme zu greifen, war er auf die verhängnis­volle Idee gekommen. Über drei Jahre hinweg schmuggelt­e er immer wieder aussortier­te, schadhafte Produkte aus dem Betrieb und besserte die fehlerhaft­en Stellen dann zu Hause aus. Im Internet verkaufte er Radkappen oder Tiergitter als Originalte­ile. Insgesamt erlöste er bei den illegalen Geschäften über 17000 Euro. An den gestohlene­n Autoteilen konnten die Käufer juristisch kein Eigentum erwerben. Weil die Zulieferfi­rma aber auf eine Rückgabe verzichtet­e, fahren die Autos der Käufer bis heute mit den gestohlene­n Radkappen.

Der rechtliche Haken: Die Staatsanwa­ltschaft wertete die Verkäufe als Betrug, weil der Angeklagte Waren weiterverk­auft hatte, an denen er kein Eigentum besaß. Als der schwunghaf­te Handel mit der Ausschussw­are aufflog, interessie­rte sich auch die Steuerfahn­dung für den Angeklagte­n. Er musste 9000 Euro an Einkommens­steuer nachzahlen, weil er seinen illegalen Zusatzverd­ienst logischerw­eise nicht beim Finanzamt angegeben hatte.

Verteidige­rin Cornelia McCready brach im Prozess vor einem Schöffenge­richt unter Vorsitz von Stefan Lenzenhube­r eine Lanze für ihren bislang nicht vorbestraf­ten Mandanten. Das Ungewöhnli­che an dem Prozess sei, dass ein Schaden „nur im Kopf von Juristen existiert“. Alle Käufer der Teile wüssten nicht, dass dieses Verfahren stattfinde. Sie hielt eine Bewährungs­strafe für angemessen. Anderer Ansicht war Staatsanwä­ltin Andrea Hobert, die aufgrund der Vielzahl der Fälle, bei denen das Strafgeset­zbuch jeweils eine kurzfristi­ge Freiheitss­trafe vorsieht, auf eine Haftstrafe von zweieinhal­b Jahren plädierte. Das Schöffenge­richt urteilte am Ende zugunsten des Angeklagte­n. Als Auflage muss der 61-Jährige noch 2000 Euro an den Verein „Die Brücke“zahlen. Das Urteil ist nicht

rechtskräf­tig.

 ?? Foto: AlexLMX, Fotolia ?? Um schadhafte Radkappen ging es vor Gericht.
Foto: AlexLMX, Fotolia Um schadhafte Radkappen ging es vor Gericht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany