Koenigsbrunner Zeitung

Immer mehr Arten machen den Abflug

Seit mehr als 40 Jahren gibt es den Tag des Artenschut­zes. Was hat er bei uns gebracht? Experten berichten von Triumphen und Tragödien

- VON STEFFI BRAND

Seit mehr als 40 Jahren gibt es den Tag des Artenschut­zes. Was hat er bei uns gebracht? Experten berichten.

Landkreis Augsburg Sie sind schon wieder da oder waren gar nicht weg: Weißstörch­e im Genancher Moos bei Schwabmünc­hen und auch der Weißstorch, der Alfred Weglehner dieser Tage bei Westendorf bei seinem Start vor die Kamera kam, ist einer von mehreren Störchen, die schon in der Region gesichtet wurden. „Die Vögel stehen für ein erfolgreic­hes Artenschut­zprogramm“, sagt Martin Trapp, Vorsitzend­er der Kreisgrupp­e des Landesbund­es für Vogelschut­z: „Der Bestand der Weißstörch­e hat sich kräftig erholt.“Von den 400 Brutpaaren in ganz Bayern konnten zwölf Brutpaare im Augsburger Land gezählt werden. Vielleicht könnte auch irgendwann ein Seeadlerpa­ar hier brüten. Martin Trapp weiß: „Am Altmühlsee (in Mittelfran­ken) wurde das Tier bereits gesichtet.“

Seit mehr als 40 Jahren gibt es im März einen Aktionstag für bedrohte wild lebende Tiere und Pflanzen. Ausgerufen wurde der Tag des Artenschut­zes im Zuge des Washington­er Artenschut­zübereinko­mmens. Und was hat’s gebracht?

Im Augsburger Land sprechen Experten von großen Erfolgen – aber auch bitteren Niederlage­n. Nicolas Liebig, Geschäftsf­ührer des Landschaft­spflegever­bands Augsburg, beginnt mit etwas Positivem: „Die Sumpfgladi­ole ist das Flaggschif­f des Naturschut­zes in Augsburg.“Europaweit gebe es den aktuell größten Bestand von immerhin einer halben Million Exemplaren in der Königsbrun­ner Heide, und auch im Stadtwald hat das Schwertlil­iengewächs mittlerwei­le eine neue Heimat gefunden. Das heißt für Nicolas Liebig auch: Mithilfe von Fördergeld­ern, die in den Biotopverb­und und die Pflege der Heiden investiert werden, lässt sich einiges erreichen.

Doch trotz aller Euphorie über die positiven Ergebnisse, die die intensiven Bemühungen aller Engagierte­n mit sich bringen, sind sich die Experten auch bei dieser erschrecke­nden Tendenz einig: „Wir verlieren die Allerwelts­arten.“

Nicolas Liebig weiß auch dafür Beispiele: Die Feldlerche, die ganz und gar nicht anspruchsv­oll ist, höre man nur noch selten. Und auch das Rebhuhn, das vor 150 Jahren noch als „Arme-Leute-Mahlzeit“auf dem Wochenmark­t verkauft wurde, kommt heute nur noch selten vor. Auch der Kiebitz macht sich rar. Rebhuhn und Kiebitz befinden sich aktuell in der Kategorie 2 der Roten Liste der Brutvögel Deutschlan­ds und gelten als „stark gefährdet“(siehe grauer Kasten).

Bernhard Uffinger, der sich beim Naturwisse­nschaftlic­hen Verein für Schwaben in der Arbeitsgem­einschaft Naturschut­z engagiert, benennt bedrohte Arten: Der Deutsche Fransenenz­ian und der Gewöhnlich­e Fransenenz­ian sind ebenso gefährdet wie Heuschreck­enund Ameisenart­en. Wiesengras­hüpfer und die Gelbe Wiesenamei­se sind vom Aussterben bedroht.

Hauptgrund für den Rückgang ist die immer intensiver­e Nutzung der Natur durch den Menschen. Dabei haben die Naturschüt­zer keineswegs nur die Bauern im Blick, die aus wirtschaft­lichen Gründen wenig Alternativ­en haben. Angeprange­rt wird die zunehmende Versiegelu­ng von Flächen für Straßen, Wohnund Gewerbegeb­iete.

Und manchmal richten auch diejenigen, welche der Umwelt dienen wollen, Schaden an. Energetisc­h sanierte Gebäude nehmen Mauersegle­rn Nistmöglic­hkeiten. Wälder werden aufgeforst­et, und Totholz, das der Specht so liebt, gibt es selten. Artenschut­z sei heutzutage vor allem der Schutz von Lebensraum, wie Martin Trapp erklärt. Ziel sollte sein, die Landschaft zu schützen, damit Tierarten in der freien Natur überleben können.

Das gelingt bei Weitem nicht immer. Seit Jahren fechten Naturschüt­zer am Lech zwischen Gersthofen und Meitingen einen verzweifel­ten Kampf aus, um auf den Kiesbänken im Fluss die Brutplätze der letzten Flussregen­pfeifer zu schützen (wir berichtete­n).

Dass der beste Lebensraum nicht zwingend für alle im Augsburger Land sein muss, muss man sich dabei auch eingestehe­n. Laut Nicolas Liebig kann sich durch Klimaschwa­nkungen die natürliche Verbreitun­g so mancher Tierpopula­tion ändern. Man müsse versuchen, die Tiere und Pflanzen zu schützen, die in der Region ihre Hauptpopul­ation haben. »Aufgefalle­n

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Foto: Alfred Weglehner Einfach mal abheben – das kann der Weißstorch in einer beneidensw­erten Leichtigke­it. Und dann sucht er sich seinen Futterplat­z aus der Luft. Bei Westendorf fotografie­rte Alfred Weglehner das Tier.
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Archivfoto: Marcus Merk Auf den Kiesbänken im Lech zwischen Gersthofen und Meitingen finden vereinzelt Flussregen­pfeifer noch Brutplätze.

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