Immer mehr Arten machen den Abflug
Seit mehr als 40 Jahren gibt es den Tag des Artenschutzes. Was hat er bei uns gebracht? Experten berichten von Triumphen und Tragödien
Seit mehr als 40 Jahren gibt es den Tag des Artenschutzes. Was hat er bei uns gebracht? Experten berichten.
Landkreis Augsburg Sie sind schon wieder da oder waren gar nicht weg: Weißstörche im Genancher Moos bei Schwabmünchen und auch der Weißstorch, der Alfred Weglehner dieser Tage bei Westendorf bei seinem Start vor die Kamera kam, ist einer von mehreren Störchen, die schon in der Region gesichtet wurden. „Die Vögel stehen für ein erfolgreiches Artenschutzprogramm“, sagt Martin Trapp, Vorsitzender der Kreisgruppe des Landesbundes für Vogelschutz: „Der Bestand der Weißstörche hat sich kräftig erholt.“Von den 400 Brutpaaren in ganz Bayern konnten zwölf Brutpaare im Augsburger Land gezählt werden. Vielleicht könnte auch irgendwann ein Seeadlerpaar hier brüten. Martin Trapp weiß: „Am Altmühlsee (in Mittelfranken) wurde das Tier bereits gesichtet.“
Seit mehr als 40 Jahren gibt es im März einen Aktionstag für bedrohte wild lebende Tiere und Pflanzen. Ausgerufen wurde der Tag des Artenschutzes im Zuge des Washingtoner Artenschutzübereinkommens. Und was hat’s gebracht?
Im Augsburger Land sprechen Experten von großen Erfolgen – aber auch bitteren Niederlagen. Nicolas Liebig, Geschäftsführer des Landschaftspflegeverbands Augsburg, beginnt mit etwas Positivem: „Die Sumpfgladiole ist das Flaggschiff des Naturschutzes in Augsburg.“Europaweit gebe es den aktuell größten Bestand von immerhin einer halben Million Exemplaren in der Königsbrunner Heide, und auch im Stadtwald hat das Schwertliliengewächs mittlerweile eine neue Heimat gefunden. Das heißt für Nicolas Liebig auch: Mithilfe von Fördergeldern, die in den Biotopverbund und die Pflege der Heiden investiert werden, lässt sich einiges erreichen.
Doch trotz aller Euphorie über die positiven Ergebnisse, die die intensiven Bemühungen aller Engagierten mit sich bringen, sind sich die Experten auch bei dieser erschreckenden Tendenz einig: „Wir verlieren die Allerweltsarten.“
Nicolas Liebig weiß auch dafür Beispiele: Die Feldlerche, die ganz und gar nicht anspruchsvoll ist, höre man nur noch selten. Und auch das Rebhuhn, das vor 150 Jahren noch als „Arme-Leute-Mahlzeit“auf dem Wochenmarkt verkauft wurde, kommt heute nur noch selten vor. Auch der Kiebitz macht sich rar. Rebhuhn und Kiebitz befinden sich aktuell in der Kategorie 2 der Roten Liste der Brutvögel Deutschlands und gelten als „stark gefährdet“(siehe grauer Kasten).
Bernhard Uffinger, der sich beim Naturwissenschaftlichen Verein für Schwaben in der Arbeitsgemeinschaft Naturschutz engagiert, benennt bedrohte Arten: Der Deutsche Fransenenzian und der Gewöhnliche Fransenenzian sind ebenso gefährdet wie Heuschreckenund Ameisenarten. Wiesengrashüpfer und die Gelbe Wiesenameise sind vom Aussterben bedroht.
Hauptgrund für den Rückgang ist die immer intensivere Nutzung der Natur durch den Menschen. Dabei haben die Naturschützer keineswegs nur die Bauern im Blick, die aus wirtschaftlichen Gründen wenig Alternativen haben. Angeprangert wird die zunehmende Versiegelung von Flächen für Straßen, Wohnund Gewerbegebiete.
Und manchmal richten auch diejenigen, welche der Umwelt dienen wollen, Schaden an. Energetisch sanierte Gebäude nehmen Mauerseglern Nistmöglichkeiten. Wälder werden aufgeforstet, und Totholz, das der Specht so liebt, gibt es selten. Artenschutz sei heutzutage vor allem der Schutz von Lebensraum, wie Martin Trapp erklärt. Ziel sollte sein, die Landschaft zu schützen, damit Tierarten in der freien Natur überleben können.
Das gelingt bei Weitem nicht immer. Seit Jahren fechten Naturschützer am Lech zwischen Gersthofen und Meitingen einen verzweifelten Kampf aus, um auf den Kiesbänken im Fluss die Brutplätze der letzten Flussregenpfeifer zu schützen (wir berichteten).
Dass der beste Lebensraum nicht zwingend für alle im Augsburger Land sein muss, muss man sich dabei auch eingestehen. Laut Nicolas Liebig kann sich durch Klimaschwankungen die natürliche Verbreitung so mancher Tierpopulation ändern. Man müsse versuchen, die Tiere und Pflanzen zu schützen, die in der Region ihre Hauptpopulation haben. »Aufgefallen