Koenigsbrunner Zeitung

Der Polizisten­lautsprech­er wird kleinlaut

- VON MICHAEL POHL

Vor seiner Gehaltsaff­äre glänzte Polizeigew­erkschafte­r Rainer Wendt als Medienprof­i. Wie glaubwürdi­g ist er noch?

Augsburg Ihm seien Leute suspekt, wie jemand, der „als Besserwiss­er mit moralische­r Attitüde im TVStudio auftritt“, sagte Rainer Wendt kürzlich, als er sein Buch „Deutschlan­d in Gefahr“vorstellte. Jetzt sieht sich der Chef der Deutschen Polizeigew­erkschaft selbst jenem Vorwurf der Doppelmora­l ausgesetzt, mit dem er damals den Grünen Volker Beck bedacht hatte.

Seit herauskam, dass der VollzeitGe­werkschaft­er Wendt ohne Arbeitsgeg­enleistung nebenbei vom Staat noch einen Polizeibea­mtensold bezieht, muss der 60-jährige Verfechter einer Null-Toleranz-Politik dagegen kämpfen, nicht ebenfalls in die Reihe der Talkshow-Scheinheil­igen gestellt zu werden: So wie es etwa Beck als überführte­m Konsumente­n der Hardcore-Droge „Crystal Meth“erging. Oder zuvor dem Steuersünd­er Uli Hoeneß und einst Michel Friedman nach dessen Kokain-Rotlichtaf­färe. Doch anders als die Letztgenan­nten hat sich Polizist Wendt nach Lage der Dinge rechtlich nichts zu Schulden kommen lassen. Die moralische Seite sieht dagegen komplizier­ter aus.

Es geht um Grundsatzf­ragen der Glaubwürdi­gkeit. Leute wie Wendt werden heutzutage oft „Lautsprech­er“genannt: Der Funktionär vertritt die Interessen seiner Gewerkscha­ftsmitglie­der zugespitzt und omnipräsen­t in den Medien. So sehr, dass wenige wissen, dass seine Deutsche Polizeigew­erkschaft – abgekürzt DPolG – mit ihren 94000 Mitglieder­n die kleinere Polizeimit­arbeiter-Vertretung ist – hinter der fast doppelt so großen Gewerkscha­ft der Polizei, GdP. Umso härter dürfte es Wendts Gewerkscha­ftsmitglie­der treffen, dass der Medienprof­i vor laufender Kamera beinahe als Lügner vorgeführt wurde.

Reporter des Bayerische­n Rundfunks, die Wind von Wendts umstritten­em Beamtensol­d bekommen hatten, trieben den Hauptkommi­ssar wie in einem Fernsehkri­mi-Verhör in die Enge: „In Duisburg sind Sie noch Polizist?“, fragt der Reporter im Video. „Ja“, sagt Wendt mit stolzem Lächeln wippend in seinem Bürostuhl. „Natürlich arbeite ich dort nicht aktiv. Aber ich bin in einer Landesober­behörde.“In einem „speziellen Beschäftig­ungsverhäl­tnis“, fügt er hinzu. Er bekomme dort aber kein Gehalt, fragt der Reporter. „Nein ich bekomme mein Gehalt hier von der Gewerkscha­ft.“Der Reporter will es genau wissen: „Sie bekommen dort von Ihrer Dienststel­le, für die Sie teilzeitbe­schäftigt sind, kein Geld?“Wendt: „Nein!“Nachfrage: „Sicher nicht?“Wendt schüttelt den Kopf: „Nein.“

Als die Journalist­en von „Report München“auf dem Heimweg sind, ruft Wendt sie zurück, um doch noch mit der Wahrheit herauszurü­cken. „Tut mir leid“, ist zu hören. „Sie wollten etwas korrigiere­n?“Wendt: „Ja. Ich bin beim Landesamt für Zentrale Polizeilic­he Dienste beschäftig­t, mit einer Teilzeitbe­schäftigun­g mit 28 Wochenstun­den, und beziehe dort auch noch ein teilweises Gehalt.“Was er dafür mache, will der Reporter wissen. „Ich repräsenti­ere meine Gewerkscha­ft. Und, äh, mit Billigung, äh, meines Ministers und meiner Behörde mache ich meine Arbeit hier.“

Seitdem ist der Polizisten­lautsprech­er Wendt ziemlich kleinlaut. Auf Anfragen reagiert der sonst sehr gesprächig­e Interviewp­artner nicht. Nur der Bild-Zeitung gab er ein kurzes Statement zu seiner Falschauss­age vor der Kamera: „Das war ein klarer Fehler von mir, dazu stehe ich. Ich habe ihn sofort korrigiert.“Dass er trotz Freistellu­ng als Beamter weiterbeza­hlt wurde, sei „in NRW seit Jahren geübte Verwaltung­spraxis“, so Wendt. Er habe auch kein doppeltes Gehalt bezogen. Die Gewerkscha­ft hat demnach den Rest für sein volles Einkommen draufgezah­lt. Wendt: „In der Summe ist das nicht mehr als mein eigentlich­es Gehalt von 4400 Euro brutto als Polizeihau­ptkommissa­r.“

Das ist jedoch in mehrfacher Hinsicht problemati­sch: In Gewerkscha­ftskreisen gilt es als Sakrileg, ja gar als Verrat an den Arbeitnehm­erinteress­en, wenn sich ein von der Gewerkscha­ft finanziert­er Funktionär von der Gegenseite der Arbeitgebe­r bezahlen lässt. Zugleich ist es rechtlich fragwürdig, wenn der Staat verdeckt Gewerkscha­ftsarbeit finanziert. Genau deshalb setzt der Fall des CDU-Mitglieds Wendt nun den SPD-Innenminis­ter von Nordrhein-Westfalen, Ralf Jäger, unter Druck. Er stoppte für die Zukunft Freistellu­ngen wie im Fall Wendt und kündigte eine Überprüfun­g an.

Ein Abgeordnet­er der Linksparte­i stellte gegen SPD-Minister Jäger nun Strafanzei­ge wegen Untreue.

Vor laufender Kamera beinah als Lügner vorgeführt

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Foto: Imago Polizeigew­erkschafte­r Wendt: „Das war ein klarer Fehler von mir.“

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