Koenigsbrunner Zeitung

Gegen das Gift der Männlichke­it

- VON WOLFGANG SCHÜTZ

Morgen ist Weltfrauen­tag. Was hat sich getan, was bleibt zu tun? Eine Begegnung mit der neuen Galionsfig­ur der Frauenbewe­gung – und einem gefeierten männlichen Feministen

Wie es um eine gesellscha­ftliche Bewegung steht, ist am einfachste­n daran abzulesen, worüber gerade gestritten wird. Am Wochenende sorgten Fotos für Aufregung, auf denen die britische Schauspiel­erin und Feministin Emma Watson für das Lifestyle-Magazin Vanity Fair teilweise ziemlich blank oben rum posiert. Sie erntete wütende Kommentare nach dem Motto: Eine Feministin tut so etwas nicht! Und die 26-jährige Watson antwortete: „Im Feminismus geht es darum, Frauen eine Wahl zu geben. Feminismus ist kein Stock, mit dem man andere Frauen schlagen kann… Es geht um Freiheit, um Befreiung, um Gleichbere­chtigung. Ich weiß wirklich nicht, was meine Titten damit zu tun haben.“Haben sie nicht? Ein Konflikt zwischen Frau und Frau.

Und Tradition spielt auch in einem zweiten Beispiel eine wichtige Rolle. Alice Schwarzer, deutsche Ikone der Bewegung, feiert mit „Emma“, ihrem Zentralorg­an der Bewegung in Deutschlan­d 40. Geburtstag – und war wohl noch nie so verfemt in den vermeintli­ch eigenen Reihen. Denn spätestens seit den Silvester-Geschehnis­sen von Köln 2015/16 tritt die inzwischen 74-Jährige sehr entschiede­n als Mahnerin vor den Folgen einer verstärkte­n Einwanderu­ng von Männern aus muslimisch­en Ländern auf – denn nicht wenige von denen brächten ein gefährlich­es Frauenbild mit. Schwarzer erntete dafür viel Kritik, weil sie so dieselbe radikal vereinfach­ende Islamfeind­lichkeit nähre wie die Neue Rechte. Wer hat recht? Ein Konflikt zwischen Links und Links.

Es sind zwei klassische Konfliktli­nien des Feminismus, die sich hier aktualisie­ren: der weibliche Körper zwischen der Selbstbest­immung des Subjekts und der öffentlich­en Zurschaust­ellung als Objekt; und das Problem, dass die Frauenbewe­gung zwar traditione­ll eine linke ist, aber sehr lange als Nebenschau­platz der Revolution galt, irgendwie unter-, jedenfalls nachgeordn­et. Aber ist das nicht Ausdruck jener ewig alten, gleichen Kämpfe, derer sich in den vergangene­n Jahren gerade junge Autorinnen wie Ronja von Rönne öffentlich für so müde und überdrüssi­g erklärten, dass sie schon mal mit dem Label „Anti-Feministin“kokettiert­en?

Müde? Überdrüssi­g? Und dann sitzt da diese Frau und sprüht vor Energie. Macht schneidend klar, wie drängend die Fragen des Feminismus gerade heute seien, wo mit Donald Trump „ein Sexist und Chauvinist“US-Präsident, dazu Tyrannen wie Putin und Erdogan agierten, wo die Neue Rechte mit rückwärtsg­ewandten Wertvorste­llungen europaweit durchbräch­e, bis hin zum Brexit. Es spricht Laurie Penny, 30 Jahre alt, wie immer ganz in Schwarz gekleidet, aus London stammend, aber längst auch in den USA wirkend und seit Büchern wie „Fleischmar­kt. Weiblicher Körper im Kapitalism­us“und ihren millionenf­ach gelesenen Blogs die Galionsfig­ur der internatio­nalen Frauenbewe­gung. Sie spricht ausgerechn­et beim Augsburger Brecht-Festival – wo gerade dieser Literat doch zu den nur sehr eigennützi­g frauenbewe­gten Linken gehörte, Chauvinist war – und sie bringt all das zusammen: „Toxic Masculinit­y“heißt das Schlagwort auf Englisch, unter dem Laurie Penny gerade die Gefahr eines großen Rückfalls beschreibt – ein Verständni­s von Männlichke­it, das wie Gift innerhalb von Familien, in Staaten, aber auch auf der Welt wirke. Das ganze Programm: Die Unfähigkei­t, Schwächen und Gefühle zu zeigen, verborgen in einem (Selbst-)Bild von Stärke, das sich durch Kraft und Macht bestätigt, und so offene Kommunikat­ion verunmögli­cht und zur Tyrannei wird. Laurie Penny sagt: „Feminismus ist nicht irgendetwa­s, das nach der Revolution kommt – Feminismus ist die Revolution.“Denn so wie die Krise des Kapitalism­us zur Krise der Männlichke­it geworden sei, stehe die Emanzipati­on der Frauen für die wesentlich­e Abkehr von falschen, weil menschlich, wirtschaft­lich und politisch fatalen männlichen Traditione­n. Und neben ihr sitzt ein Mann und nickt.

Er heißt Jack Urwin, wirkt wuchtig neben der bei aller Resoluthei­t so zarten Frau, trägt Vollbart und Seitensche­itel, ist ebenfalls Brite, Jahrgang 1992 und Pennys bereits internatio­nal gefeiertes Gegenstück. Ebenfalls mit Blogs und dem eben auf Deutsch erschienen­en Buch „Boys Don’t Cry“zeigt er sich als so etwas wie ein männlicher Feminist. Einer, der erzählt, wie er selbst unter der „Toxic Masculinit­y“seines Vaters gelitten habe, warum es so wichtig sei, dass sich das Rollenvers­tändnis verändere und damit: warum Feminismus tatsächlic­h für alle da sei, allen helfen könne. Männern gerade auch dadurch, dass sie offener für Lebensbere­iche würden, die sie sonst den Frauen überlassen hätten, und dadurch den Kindern …

Neben ihm applaudier­t Laurie Penny, sagt: „Endlich!“Frauen haben all das längst gesagt und geschriebe­n – aber Männer hören noch immer mehr auf Männer. So helfen Bekennende wie Jack Urwin besonders. Aber sie stehen auch für einen neuen Konflikt des Feminismus: zwischen Männern und Männern.

 ?? Fotos: dpa, afp Foto: Ulrich Wagner ?? In der Diskussion: Alice Schwarzer und ihr 40 Jahre altes Ma gazin sowie die Schauspiel­erin Emma Watson. Zwischen Emma und „Emma“: Autorin und Aktivistin Laurie Penny am Sonntag in Augsburg.
Fotos: dpa, afp Foto: Ulrich Wagner In der Diskussion: Alice Schwarzer und ihr 40 Jahre altes Ma gazin sowie die Schauspiel­erin Emma Watson. Zwischen Emma und „Emma“: Autorin und Aktivistin Laurie Penny am Sonntag in Augsburg.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany