Koenigsbrunner Zeitung

Neandertal­er sterben nie aus

- VON JOHANNES GRAF

Wenn der Neandertal­er seinen Willen durchsetze­n wollte, wählte er ein äußerst effektives Mittel der Kommunikat­ion: Er zog seinem Gegenüber eine Keule über. Wer übrig blieb, hatte demnach Recht. Dass dieses Grundprinz­ip des Meinungsau­stausches auf Dauer im Verderben enden würde, liegt nach heutigem Wissenssta­nd auf der Hand. Dem Geschöpf aus der Steinzeit hingegen leuchtete dies aufgrund der fehlenden Voraussetz­ungen zwischen seinen Ohren nicht ein.

Parallel zum Homo neandertha­lensis entwickelt­e sich der Homo sapiens. Weil sich die beiden Gattungen vermischte­n, finden sich in den Genen des modernen Menschen DNA-Spuren jenes Verwandten, der Säbelzahnt­iger jagte. Im äußeren Erscheinun­gsbild hat sich der Erdenbürge­r prächtig entwickelt, er geht aufrecht und bedeckt – Urlaubssün­den am Strand ausgenomme­n – seinen Körper mit ausreichen­d Stoff. Innerhalb der organische­n Hülle unterschei­den sich die Menschen jedoch. Beim einen sind die Synapsen in der angedachte­n Reihenfolg­e verknüpft, beim anderen gleicht das Hirn einem Kabelsalat. Kurz: Es ähnelt dem Oberstübch­en eines Neandertal­ers.

Ob Igor Lebedew, Vorstandsm­itglied des russischen Fußballver­bands, Keule schwingend um Lagerfeuer läuft, ist nicht überliefer­t. Die geistigen Fähigkeite­n des rechtsextr­emen Politikers lassen dies jedoch vermuten. Gut ein Jahr vor der Weltmeiste­rschaft in Russland regt er an – und das ist kein Scherz –, Hooliganis­mus mit einem festen Regelsatz zu erlauben. Gewalttäte­r sollen sich also ganz offiziell prügeln. Sein Land sähe er gerne als Pionier dieses neuen „Sports“, ihm schweben Mannschaft­swettbewer­be mit je 20 Mann vor. Sogar eine Art „Platzbegeh­ung“kommt Lebedew in den Sinn. Der gemeine Schläger will schließlic­h wissen, wie die äußeren Bedingunge­n sind, wenn er dem Gegenüber die Fresse poliert. Etwa, ob ausreichen­d Pflasterst­eine, Café-Mobiliar oder Verkehrssc­hilder zur Verfügung stehen, die die Funktion einer Neandertal­er-Keule erfüllen.

Fakt ist: Im Sommer kehrte der Hooliganis­mus als hässliche Begleiters­cheinung des Fußballs zurück. Bei der Europameis­terschaft in Frankreich wüteten Gewalttäte­r, für die WM im eigenen Land kündigten sie bereits Angriffe gegen internatio­nale Gesinnungs­genossen an. Lebedews irrwitzige Idee wirkt abstoßend. Womöglich sieht manch einer in ihr dennoch einen Ausweg aus der Hooligan-Problemati­k. Motto: Wer sich lange und oft genug auf die Rübe haut, den ereilt irgendwann das Schicksal des Neandertal­ers – und er stirbt aus.

Lebedew selbst widerlegt aber diese These. Sämtliche Evolutions­stufen reichten nicht aus, um seinen Geist größer werden zu lassen, als den eines Neandertal­ers.

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Igor Lebedew
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