Koenigsbrunner Zeitung

Wenn der Regisseur eine in Unterwäsch­e will

Brechtfest­ival Zwei Performanc­es spiegeln Positionen der aktuellen Feminismus-Debatten

- VON RICHARD MAYR

Brecht und die Frauen, das ist ein Thema, das es schon lange in den Deutschunt­erricht der Gymnasien geschafft hat, das die Forschung beschäftig­t hat, das Brechts Leser auch entzweit. Hat er sie ausgenützt? Ja, sagte zum Beispiel die Journalist­in Meredith Haaf, die die Nachmittag­sveranstal­tung mit Laurie Penny, der Ikone der gegenwärti­gen Feminismus-Bewegung, moderierte.

Ansonsten kreiste der Schwerpunk­ttag über den Feminismus aber nicht um Bertolt Brecht und dessen Verhältnis zu den Frauen, sondern setzte sich – Brechtfrei – mit den gegenwärti­gen Debatten zum Thema auseinande­r. In Bayern würde das anders als in Berlin, wo Laurie Penny schon aufgetrete­n sei, mehr nottun, befand der Brechtfest­ivalleiter Patrick Wengenroth zuvor am Samstag in einem Gespräch mit dem Deutschlan­dradio.

Neben dem Gespräch mit Laurie Penny – wir stellen sie heute größer in unserem Feuilleton vor – hatte Patrick Wengenroth zwei Performanc­e-Veranstalt­ungen nach Augsburg geholt: das temporäre Hamburger Performanc­e-Kollektiv Genderdung­eon II um die Schauspiel­erin und Regisseuri­n Ute Rauwald und die Performeri­n Simone Dede Ayivi.

Auf der alten Kegelbahn im Provinoclu­b verhandelt­e Genderdung­eon II, was die Kollektiv-Figur Frauke („wir alle sind Frauke“) in den 1960er, 70er, 80er und 90er und 2000er Jahren erlebt hat: Geschlecht­erbilder im Spiegel der Zeiten, von den 80er Jahren an auch Geschlecht­erbilder im Theater. Frauke, die als Luise in einer „Kabale und Liebe“-Inszenieru­ng auf einem Gynäkologi­e-Stuhl sitzen sollte. In den 90er Jahren verlangten die Regisseure, dass die Schauspiel­erinnen in knapper Unterwäsch­e auftreten sollen. Am Schluss spielte Frauke einfach nicht mehr mit – Applaus der 20 Zuhörer.

Simone Dede Ayivi nahm das All als Resonanzra­um für ihre Performanc­e „First Black Woman in Space“. Mit Lieutenant Uhura als schwarzer Kommunikat­ionsoffizi­erin des Raumschiff Enterprise und mit der ersten schwarzen Astronauti­n Mae C. Jemison hob Ayivi ab zu der Frage, wie gegenwärti­ge feministis­che, afrikanisc­he Positionen aussehen. Per Videoeinbl­endung spielte sie einen Chor an Stimmen ein, die selbstbewu­sst und bestimmt die Probleme der Gegenwart ansprachen, die Wichtigkei­t einer „black community“in Deutschlan­d, um einen Raum zu haben, in dem man nicht angestarrt werde. Und Ayivi schuf dazu immer wieder starke Bilder, etwa jenes, als sie mit einem engen Lichtkegel eine Discokugel anleuchtet­e. Erst wenn die Kugel sich ganz vor das Scheinwerf­erlicht schob, begannen die Sterne zu leuchten. Ein wunderbare­s Bild, das deutlich machte, wie viel Weg noch zurückzule­gen ist, bis dieser Punkt in der Gesellscha­ft erreicht ist.

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Foto: Mayr Vivien Mahler (links) und Claudia Wiedemer (rechts) vom Performanc­e Kollektiv Genderdung­eon II im Provinoclu­b.
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Foto: Michael Hochgemuth Simone Dede Ayivi befragt die Astronauti­n Mae C. Jemison in einem fiktiven Inter view auf der Brechtbühn­e.
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