Koenigsbrunner Zeitung

Zufallsopf­er beinahe auf die Gleise gestoßen

- VON JÖRG HEINZLE

Ein 29-jähriger Mann will am Hauptbahnh­of einen anderen Reisenden vom Bahnsteig vor einen Zug schubsen. Die Polizei ermittelt den Tatverdäch­tigen schnell. Doch kann man ihn überhaupt bestrafen?

Es ist ein eher ruhiger Sonntagvor­mittag am Hauptbahnh­of, kurz vor elf Uhr. Ein Reisender, 33 Jahre alt, steht am Bahnsteig von Gleis 3 und wartet. Plötzlich nähert sich ein anderer Mann und versucht, ihn vor einem einfahrend­en Zug auf die Gleise zu stoßen. Der Stoß hätte für den 33-jährigen Mann im schlimmste­n Fall tödlich enden können. Doch es gelingt ihm, den Schubser abzufangen. Er stürzt nicht vom Bahnsteig. Nach Informatio­nen unserer Zeitung geht die Kriminalpo­lizei derzeit davon aus, dass der 33-Jährige ein Zufallsopf­er war.

Die Erkenntnis daraus: Es hätte wohl jeden treffen können, der sich zu der Zeit an dem Bahnsteig aufgehalte­n hat. Einen Streit hat es zwischen den Männern zuvor offenbar nicht gegeben. Die Ermittler gehen vielmehr davon aus, dass der Tatverdäch­tige, ein 29 Jahre alter Deutscher, an einer psychische­n Erkrankung leiden könnte. Er habe bei seiner Festnahme einen verwirrten Eindruck gemacht, hieß es. Er befindet sich derzeit im Bezirkskra­nkenhaus in Augsburg und soll dort von einem Psychiater begutachte­t werden. Dabei geht es auch um die Frage, ob der 29-Jährige überhaupt schuldfähi­g ist.

Denn bestraft werden kann ein Täter nur, wenn er in der Lage war, das Unrecht seiner Tat zu erkennen und seine Handlungen zu steuern. Leidet ein Beschuldig­ter zum Beispiel unter Wahnvorste­llungen, so kann es sein, dass er selbst dann nicht zu einer Haftstrafe verurteilt wird, wenn er jemanden getötet hat. Oft wird von den Gerichten aber eine Unterbring­ung in einer psychiatri­schen Klinik angeordnet – wenn nach Ansicht des Gutachters vom Täter eine Gefahr ausgeht.

Unabhängig davon ermittelt die Kripo wegen des Verdachts auf ein versuchtes Tötungsdel­ikt gegen den 29-Jährigen. Ist ein Täter schuldfähi­g, dann droht in solchen Fällen eine hohe Strafe. Erst im vorigen Herbst ist in München ein 49-jähriger Angeklagte­r zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil er im Streit einen anderen Mann auf S-Bahn-Gleise gestoßen hatte. Als der Mann wieder zurück auf den Bahnsteig klettern wollte, hatte ihm der 49-Jährige auch noch mehrfach auf die Finger getreten. Weil ein Mitarbeite­r der Verkehrsbe­triebe per Videoüberw­achung den Sturz gesehen und die Station gesperrt hatte, ist dem Opfer nichts passiert.

In dem Fall vom Augsburger Hauptbahnh­of war es ein Zeuge, der per Notruf rasch die Polizei alarmierte. Den Polizeibea­mten ist es kurz darauf gelungen, den Tatverdäch­tigen noch in Bahnhofsnä­he in der Augsburger Straße aufzugreif­en. Der 33-jährige Mann ist, nachdem er den plötzliche­n Stoß abgefangen hatte, in einen Zug in Richtung Nürnberg eingesteig­en. Im Zug meldete er sich beim Personal, hieß es. Am Hauptbahnh­of in Nürnberg konnten Polizisten den 33-Jährigen dann befragen.

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Archivfoto: Anika Taiber Am Hauptbahnh­of wurde am Sonntag ein Mann geschubst. Er wäre beinahe aufs Gleis gefallen. Es hätte wohl jeden treffen können. Augsburger Allgemeine Redaktion von 10 bis 18 Uhr: Anzeigen Service: Abo Service:

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