Aussagen statt Anekdoten
Eduard Oswald hat sich aus der Politik verabschiedet. In Dinkelscherben gewährt er Einblicke in den Berliner Betrieb
Dinkelscherben Er hat ein paar Jahre gebraucht, um sich daran zu gewöhnen, dass das, was er sagt, nur noch wenig Gehör findet. Das war einmal anders und jüngst war es in Dinkelscherben fast wie früher. Eduard Oswald erzählt und ein Saal voller Menschen hört gespannt zu.
35 Jahre lang war der Bundesbauminister und Bundestagsvizepräsident a. D. als Abgeordneter mittendrin im Politikbetrieb. Er erlebte Helmut Kohl und Willy Brandt, saß mit Angela Merkel und Horst Seehofer am Kabinettstisch. Wenn jemand erzählen könnte, wie es hinter den Kulissen der Berliner Politik zugeht, dann der 69-jährige PolitPensionär.
Um es vorwegzunehmen, Geheimnisse oder amüsante Anekdoten hat Oswald – interviewt vom langjährigen Leitenden Redakteur unserer Zeitung, Jörg Sigmund – an diesem Abend nicht ausgeplaudert. Gezeichnet wurde vielmehr das Bild eines von der Politik („mein einziges Hobby“) beseelten Menschen, der zwar die inhaltlichen Unterschiede zu anderen Parteien klar benennt, deswegen aber keine Gräben zwischen den Menschen aufreißt. „In der Politik gibt es bei aller Auseinandersetzung auch viel Menschliches.“
Er habe heute noch Freunde auch in anderen Parteien, wobei der Politik-Veteran eine klare Definition für politische Freundschaften hat: „Das ist ein enges Zusammenwirken in einem zeitlichen Rahmen.“
Diesen Rahmen bestimmt letztlich der Wähler, welcher der Republik auch einmal einen Wechsel an der Macht verordnet. Dass es diesmal so weit sein könnte, glaubt der Ehrenvorsitzende der LandkreisCSU nicht. „Es gibt keine Wechselstimmung im Land.“Letztlich werde sich Angela Merkel gegen Martin Schulz behaupten.
Von der PDS-Politikerin Petra Pau wurde Oswald wegen seiner kollegialen Art einst zu ihrem Lieblingspolitiker aus den Reihen der Union ernannt, er selbst äußerte am Freitagabend Anerkennung für SPD-Größen wie Willy Brandt, Gerhard Schröder oder Sigmar Gabriel. Die SPD habe hohe Verdienste um das Land.
Eduard Oswald selbst, als Bub aufgewachsen in Leitershofen, landete vor mehr als einem halben Jahrhundert bei der CSU. Konrad Adenauer war sein großes Vorbild, der „Alte vom Rhein“übte auf den jungen Schüler am Lech eine große Anziehungskraft aus. Was folgte, war eine steile Karriere. Über den Kreisvorsitz in der CSU gelangte Oswald in den Land- und dann in den Bundestag. Berlin hat den in Dinkelscherben wohnenden Eduard Oswald auch im Ruhestand nicht losgelassen. Er hat noch Ehrenämter dort und ist regelmäßig in der Hauptstadt. Dass er den heimischen Garten inzwischen den Gängen des Parlaments, das so lange sein Leben war, vorzieht, nahm ihm am Freitagabend nicht jeder ab.
Sehr ernsthaft geriet dagegen sein Plädoyer für eine Besinnung auf christliche Werte. Oswald sprach von einer Verrohung und Aggressivität der Menschen im Land, die ihn deprimiere. Er plädierte für ein Jahr Sozialdienst für junge Menschen, damit diese lernen, wie die Gesellschaft funktioniert. „Wer das macht, kehrt anders zurück.“
Das Interview mit Eduard Oswald im Dinkelscherber Rathaus war Auftakt einer neuen Veranstaltungsreihe des Ortsverbands der Partei. Das sagte deren Vorsitzender Tobias Mayr. Im Saal war kein Platz mehr frei, unter den Gästen waren alte Weggefährten Oswalds wie der frühere Landrat Karl Vogele, aber auch Vertreter der aktuellen Politik-Generation der CSU im Landkreis wie Landrat Martin Sailer und die Kreisvorsitzende Carolina Trautner.
Für die heutige Generation von CSU-Größen hatte Oswald auf eine entsprechende Frage Sigmunds hin noch einen Ratschlag parat. Sigmund wollte wissen, ob Ministerpräsident Horst Seehofer seinem ungeliebten „Kronprinzen“Markus Söder Platz machen solle? Oswald meint, in der jetzigen Situation sei es „falsch, Personen auszuwechseln“. Ob noch wer auf ihn hört?