Koenigsbrunner Zeitung

Aussagen statt Anekdoten

- VON CHRISTOPH FREY

Eduard Oswald hat sich aus der Politik verabschie­det. In Dinkelsche­rben gewährt er Einblicke in den Berliner Betrieb

Dinkelsche­rben Er hat ein paar Jahre gebraucht, um sich daran zu gewöhnen, dass das, was er sagt, nur noch wenig Gehör findet. Das war einmal anders und jüngst war es in Dinkelsche­rben fast wie früher. Eduard Oswald erzählt und ein Saal voller Menschen hört gespannt zu.

35 Jahre lang war der Bundesbaum­inister und Bundestags­vizepräsid­ent a. D. als Abgeordnet­er mittendrin im Politikbet­rieb. Er erlebte Helmut Kohl und Willy Brandt, saß mit Angela Merkel und Horst Seehofer am Kabinettst­isch. Wenn jemand erzählen könnte, wie es hinter den Kulissen der Berliner Politik zugeht, dann der 69-jährige PolitPensi­onär.

Um es vorwegzune­hmen, Geheimniss­e oder amüsante Anekdoten hat Oswald – interviewt vom langjährig­en Leitenden Redakteur unserer Zeitung, Jörg Sigmund – an diesem Abend nicht ausgeplaud­ert. Gezeichnet wurde vielmehr das Bild eines von der Politik („mein einziges Hobby“) beseelten Menschen, der zwar die inhaltlich­en Unterschie­de zu anderen Parteien klar benennt, deswegen aber keine Gräben zwischen den Menschen aufreißt. „In der Politik gibt es bei aller Auseinande­rsetzung auch viel Menschlich­es.“

Er habe heute noch Freunde auch in anderen Parteien, wobei der Politik-Veteran eine klare Definition für politische Freundscha­ften hat: „Das ist ein enges Zusammenwi­rken in einem zeitlichen Rahmen.“

Diesen Rahmen bestimmt letztlich der Wähler, welcher der Republik auch einmal einen Wechsel an der Macht verordnet. Dass es diesmal so weit sein könnte, glaubt der Ehrenvorsi­tzende der LandkreisC­SU nicht. „Es gibt keine Wechselsti­mmung im Land.“Letztlich werde sich Angela Merkel gegen Martin Schulz behaupten.

Von der PDS-Politikeri­n Petra Pau wurde Oswald wegen seiner kollegiale­n Art einst zu ihrem Lieblingsp­olitiker aus den Reihen der Union ernannt, er selbst äußerte am Freitagabe­nd Anerkennun­g für SPD-Größen wie Willy Brandt, Gerhard Schröder oder Sigmar Gabriel. Die SPD habe hohe Verdienste um das Land.

Eduard Oswald selbst, als Bub aufgewachs­en in Leitershof­en, landete vor mehr als einem halben Jahrhunder­t bei der CSU. Konrad Adenauer war sein großes Vorbild, der „Alte vom Rhein“übte auf den jungen Schüler am Lech eine große Anziehungs­kraft aus. Was folgte, war eine steile Karriere. Über den Kreisvorsi­tz in der CSU gelangte Oswald in den Land- und dann in den Bundestag. Berlin hat den in Dinkelsche­rben wohnenden Eduard Oswald auch im Ruhestand nicht losgelasse­n. Er hat noch Ehrenämter dort und ist regelmäßig in der Hauptstadt. Dass er den heimischen Garten inzwischen den Gängen des Parlaments, das so lange sein Leben war, vorzieht, nahm ihm am Freitagabe­nd nicht jeder ab.

Sehr ernsthaft geriet dagegen sein Plädoyer für eine Besinnung auf christlich­e Werte. Oswald sprach von einer Verrohung und Aggressivi­tät der Menschen im Land, die ihn deprimiere. Er plädierte für ein Jahr Sozialdien­st für junge Menschen, damit diese lernen, wie die Gesellscha­ft funktionie­rt. „Wer das macht, kehrt anders zurück.“

Das Interview mit Eduard Oswald im Dinkelsche­rber Rathaus war Auftakt einer neuen Veranstalt­ungsreihe des Ortsverban­ds der Partei. Das sagte deren Vorsitzend­er Tobias Mayr. Im Saal war kein Platz mehr frei, unter den Gästen waren alte Weggefährt­en Oswalds wie der frühere Landrat Karl Vogele, aber auch Vertreter der aktuellen Politik-Generation der CSU im Landkreis wie Landrat Martin Sailer und die Kreisvorsi­tzende Carolina Trautner.

Für die heutige Generation von CSU-Größen hatte Oswald auf eine entspreche­nde Frage Sigmunds hin noch einen Ratschlag parat. Sigmund wollte wissen, ob Ministerpr­äsident Horst Seehofer seinem ungeliebte­n „Kronprinze­n“Markus Söder Platz machen solle? Oswald meint, in der jetzigen Situation sei es „falsch, Personen auszuwechs­eln“. Ob noch wer auf ihn hört?

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Der ehemalige Bundestags­abgeordnet­e und Minister Eduard Oswald (links) erzählte im Gespräch mit dem langjährig­en Leitenden Redakteur unserer Zeitung, Jörg Sig mund, in Dinkelsche­rben aus seiner Zeit am Kabinettst­isch.
Foto: Marcus Merk Der ehemalige Bundestags­abgeordnet­e und Minister Eduard Oswald (links) erzählte im Gespräch mit dem langjährig­en Leitenden Redakteur unserer Zeitung, Jörg Sig mund, in Dinkelsche­rben aus seiner Zeit am Kabinettst­isch.

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