Koenigsbrunner Zeitung

Sind die Kröten noch zu retten?

Die Amphibien-Wanderung beginnt. Doch es gibt immer weniger Helfer, die die Tiere vor dem Tod im Straßenver­kehr bewahren. Und das ist nicht das einzige Problem

- VON UTE KROGULL

Derching/Region Es ist ein trauriges Bild: Kröten liegen scheinbar unverletzt auf der Straße, sind aber tot. Autofahrer haben sie nicht überrollt, doch durch den Luftdruck der vorbeifahr­enden Wagen sind die inneren Organe zerplatzt. Doris Beischler hat das oft gesehen in den 25 Jahren, in denen sie rund um Derching Kröten rettet. Sie erklärt: „Es gibt zwei Gefahren: Kröten wandern gerne bei Regen. Doch auf nasser Straße sehen Autofahrer sie nicht. Und selbst wenn jemand vorsichtig unterwegs ist, können die Tiere sterben.“Also aufgepasst in den nächsten Wochen. Denn bei etwa fünf Grad Bodentempe­ratur – das entspricht in der Regel zehn Grad Lufttemper­atur – machen sich die Tiere auf den Weg. Besonders dann, wenn der Regen den Boden aufgeweich­t hat. Die Tiere überwinter­n im Wald, kehren im Frühling aber stets zurück in die Gewässer, aus denen sie stammen. Der zu- nehmende Verkehr auf den Straßen ist ein großes Problem. Seit den 80er Jahren versuchen Naturschüt­zer mit Krötenzäun­en, an denen sie die Tiere einsammeln, die Amphibien zu retten. Auch in diesen Tagen werden sie allerorten aufgebaut.

Doris Beischler hat eigenen Worten zufolge über 20 000 Kröten eingesamme­lt, allein im Jahr 1985 waren es über 1400. Es gibt regelrecht­e Massenwand­erungen. So wurden in Großaiting­en schon 7300 Exemplare im Jahr gerettet. Bayernweit sind 6000 Freiwillig­e im Einsatz, um über 700 000 Kröten, Salamander, Frösche, Molche und Unken vor dem Tod zu bewahren. Doch außer den Amphibien sind auch ihre Retter vom Aussterben bedroht.

So sagt Doris Gerlach vom Bund Naturschut­z in Mering/Ried, die größtentei­ls älteren Mitglieder schafften es nicht mehr, den Zaun aufzubauen. Der Bauhof des Landkreise­s Aichach-Friedberg sprang ein. Ebenso in Derching. Doris Beischler ist 76 Jahre alt, ihr Mann 80. Bis vor wenigen Jahren fuhren sie von Augsburg nach Derching zum Einsammeln; das geht nicht mehr. Außerdem, sagt Beischler, werde das Sammeln und Überqueren der Straße am frühen Morgen und späten Abend wegen des Verkehrs gefährlich­er. Bei Derching rücken nun Mitarbeite­r des Kreisbauho­fs mit dem Eimer an, wenn auch nur morgens. Das kostet natürlich Geld. Der Kreis Augsburg überlegt deshalb, an der Straße zwischen Wörleschwa­ng und Reutern eine Leiteinric­htung zu bauen: Barrieren, die die Tiere am Überqueren der Straße hindern, plus Tunnel, in denen sie sicher auf die andere Seite kriechen können. Diese kostet auf 900 Metern 280 000 Euro, wobei die Hälfte bezuschuss­t wird. Tiefbauamt­sleiter Jürgen Lutz meint, die Investitio­n rechne sich spätestens in 20 Jahren. Das Aufstellen des Zauns und Einsammeln der Kröten kosten nämlich 10 000 Euro im Jahr.

Auch Beischler kämpft seit den 80er Jahren für einen Krötentunn­el bei Derching. Damals war sie die Erste, die einen Zaun aufstellte, nachdem sie hunderte überfahren­e Tiere gesehen hatte: „Die ganze Straße war matschig.“Bereits in den 80ern habe man ihr die Tunnel seitens des Umweltmini­steriums zugesagt, erzählt sie. Nichts passierte, auch nicht beim Ausbau der Straße vor wenigen Jahren. Sie beschwerte sich. Der Einzige, der antwortete, war Landrat Klaus Metzger. Der Förderantr­ag für den Ausbau sei schon gestellt worden, als die Idee für den Tunnel aufkam, schrieb er. Daher sei es zu spät gewesen, 100 000 Euro nachzureic­hen. Dabei ist Beischler seit den 80ern auch mit dem Landratsam­t im Gespräch.

An anderer Stelle, nämlich an der Straße von Aichach nach Motzenhofe­n und Hollenbach, hat der Landkreis einen Tunnel gebaut. Er funktionie­re hervorrage­nd, berichtet Wolfgang Grinzinger, Leiter der Unteren Naturschut­zbehörde. Er hätte gerne mehr davon – doch es fehle am Geld. Und nicht immer ist ein Tunnel die Rettung. Beim Augsburger Stadtteil Wellenburg wählen viele Amphibien lieber den überirdisc­hen Weg. Experten vermuten, das liege daran, dass die Tiere kein Licht am Ende des Tunnels sehen. Eine symbolisch­e Konstellat­ion, denn das Leben der Tiere wird nicht nur auf der Wanderung schwerer.

Oft verlanden Teiche, in denen die Tiere leben. Am Augsburger Nordfriedh­of benutzten Jugendlich­e ein Biotop für die extrem seltene Wechselkrö­te als BMX-Rad-Bahn. Aquarienbe­sitzer entledigen sich ungeliebte­r Fische in Teichen. Für sie ist Amphibienl­aich ein gefundenes Fressen. Außerdem bedrohen Pilzinfekt­ionen weltweit Amphibien. Immerhin mache der kalte Winter den Erdkröten nichts aus, berichtet Beischler. Diese graben sich tief genug in die Erde ein. Anders Grasfrösch­e, die in Teichen überwinter­n. Bei der Biotoppfle­ge fand Beischler mehrere tote Exemplare. Sie ersticken, wenn das Wasser durchfrier­t. »Kommentar

 ?? Archivfoto: Marcus Merk ?? Nicht Störche, sondern Autos sind der größte Feind für Kröten auf der Wanderscha­ft. Seit den 1980er Jahren bauen Naturschüt­zer unter anderem Zäune und Tunnel, um die Amphibien zu retten.
Archivfoto: Marcus Merk Nicht Störche, sondern Autos sind der größte Feind für Kröten auf der Wanderscha­ft. Seit den 1980er Jahren bauen Naturschüt­zer unter anderem Zäune und Tunnel, um die Amphibien zu retten.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany