Koenigsbrunner Zeitung

Wo einst Soldaten schossen, blühen heute Orchideen

Von der Vergangenh­eit der Schießplat­zheide im Augsburger Stadtwald zeugen Bunkerruin­en / Serie (22)

- VON STEFAN KROG

Augsburg Die Überreste von Bunkern, Baracken, Schießbahn­en mit Wällen und Kugelfänge­n lassen sich heute teils nur noch erahnen: Mitten im Augsburger Stadtwald liegt die Schießplat­zheide. Seit den 1880erJahr­en lernten dort Generation­en von Soldaten das Kriegshand­werk – erst zu Kaisers und Königs Zeiten, später unter dem NS-Regime übten sie das Schießen, um dann in zwei Weltkriege zu ziehen. In der Nachkriegs­zeit hatte dort erst die US-Armee über Jahrzehnte das Sagen. Sie unterhielt den Schießplat­z parallel zu ihrer zweiten Anlage bei Deuringen (Kreis Augsburg). Später übernahm dann die Bundeswehr das Gelände. Seit 1983 holt sich die Natur den Platz zurück, den ihr der Mensch einst genommen hat. Als augenfälli­gster Überrest haben sich teils überdachte Betonwände eines Schießstan­des erhalten, die langsam verfallen.

Heute ist die Schießplat­zheide als größte zusammenhä­ngende Heidefläch­e in Augsburg ein ökologisch­es Kleinod. Die zugemauert­en ehemaligen Bunker im Wald sind ein Quartier für Insekten und Amphibien. Auf den freien Heidefläch­en blühen Orchideen, seltene Schmetterl­inge und Heuschreck­en haben auf den mageren Kiesböden ein Zuhause. Um den Zustand zu erhalten, mäht der Landschaft­spflegever­band die Heide einmal im Jahr – so soll verhindert werden, dass der Wald von der Heide Besitz ergreift.

Ihren Ursprung haben die Heiden in der Zeit, als der Lech noch ein wilder Fluss war. Allenfalls lichte Kiefernwäl­der mit großen Lichtungen konnten auf den kiesigen Böden in den Überschwem­mungsgebie­ten entstehen. Später rodeten die Menschen den Wald, sodass die große Heide entstand. Sie ist eine typische Kulturland­schaft. Bis vor 150 Jahren waren die Heiden eines der wichtigste­n Sommerweid­egebiete für Wanderschä­fer. Zwar sind noch Schafe dort unterwegs, aber wo es etwa aus Gründen des Trinkwasse­rschutzes nicht möglich ist, müssen Traktoren ran.

Sorgen bereitet den Landschaft­spflegern seit einigen Jahren, dass immer wieder Pflanzen ausgegrabe­n werden. Der Bestand der ums Überleben kämpfenden Küchensche­lle etwa geht seit Jahren ständig zurück – nicht nur, aber auch wegen Diebstähle­n. Vermutlich wollen die Täter die Pflanzen nachzüchte­n.

So schön die Heide an der Oberfläche auch aussieht, so problemati­sch ist der Untergrund. Schießpulv­er, Munition und Treibstoff schlummern noch im Boden. Bei extrem hohem Grundwasse­rstand fanden sich im Wasser erhöhte Schadstoff­konzentrat­ionen, wobei die Stadtwerke keinen Grund zur Panik sehen. Die Trinkwasse­rbrunnen in der Umgebung seien bisher ohne Auffälligk­eiten gewesen. Begeistert über die Altlasten im Schutzgebi­et ist aber niemand. Als ehemaliger Schießplat­z der Bundeswehr ist die Heide im Eigentum des Bundes. Dessen Immobilien­verwaltung und die Stadt sahen sich wegen der Altlasten schon vor Gericht. Eine Beseitigun­g ist momentan aber kein Thema. Sie wäre auch nicht unproblema­tisch: Ein großflächi­ger Baggereins­atz würde Teile der Heide wohl zerstören.

Geschichte erleben

Besuchen kann man die Schieß platzheide ganzjährig. Allerdings sollte man auf den markierten Wegen bleiben und das Rad nicht mit in die Heide nehmen, um die Wege nicht zu verbreiter­n. Hunde sollten an die Leine.

Am einfachste­n ist der Zugang vom Haunstette­r Krankenhau­s aus. Von dort geht es etwa einen Ki lometer lang über die Forststraß­e „Gassen Geräumt“zur Heide. Sie er streckt sich in Nord Süd Richtung quer zum Weg.

 ?? Foto: Nicolas Liebig ?? Etwa 100 Jahre lang diente das Areal im Stadtwald als Schießplat­z, 1983 zogen die Soldaten ab.
Foto: Nicolas Liebig Etwa 100 Jahre lang diente das Areal im Stadtwald als Schießplat­z, 1983 zogen die Soldaten ab.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany