„Man muss an seinen Kram glauben“
Maximilian Prüfer ist auf der Erfolgsspur. Mit dem Kunstpreis des Bezirks will er nach China. Ein Atelierbesuch
Die vergangenen Monate waren anstrengend, vollgepackt, turbulent – und erfolgreich. Maximilian Prüfer ist jetzt 30. „Ich bin gerade immer nur am Arbeiten,“sagt er, während er in seinem ziemlich frostigen Atelier in Oberhausen Kaffee aufbrüht und aus dem Materialbild des Raumes zwei Stühle zusammensucht. Das Tempo seines „Durchbruchs“, wenn man das so nennen kann, beschleunigt sich nahezu täglich.
Im Flur stehen riesige Holzkisten für den Transport von Bildern, die Aufmerksamkeit lässt nicht nach, sein Mobiltelefon meldet sich in einer Tour, auch an diesem Montagmorgen, wo er eigentlich erst mal frühstücken will. Er ist mit dem Fahrrad da, hat Brezen mitgebracht. „Wenn das ein Jahr früher gekommen wäre, hätte es mich vielleicht rausgeworfen. Zum Glück hatte ich aber ein halbwegs reifes Bild von mir und dem, was ich machen will,“sagt Prüfer. Er kann den Erfolg jetzt genießen, muss nicht mehr auf dem Bau arbeiten, um leben zu können. „Ich bin authentisch, es durfte wachsen“, sagt er über sich.
Was für ein Jahr! Er hat dieses Künstlerbuch im international renommierten Verlag Hatje Cantz gemacht; er hat eine energische Wiener Galeristin (LisaBird Contemporary), die ihn mitgenommen hat auf Kunstmessen in Istanbul, São Paolo, Dallas, Miami; das Schweizer Fernsehen war kürzlich hier und hat mit ihm gedreht; er gibt Radiointerviews und große überregionale Zeitungen schreiben über ihn. „Jahrelang passiert fast nichts, dann wird man bestürmt!“Der Künstler mit den Insekten…
Erstaunlich, dass er immer noch hier ist, in Augsburg, wo er zuletzt in der Galerie im Höhmannhaus ausstellte – unter anderem die Farbabdrücke von Schmetterlingsflügeln. Müsste er nicht nach dem üblichen Muster längst in Berlin sein, wenigstens in Wien? „Für mich zählt meine günstige Infrastruktur hier, mich interessiert nur meine Arbeit, da passt das Umfeld hier. Ich bin sowieso sehr viel unterwegs.“Seine Werke, sagt Prüfer, verkaufen sich gut, er hat lange Arbeitstage, selten komme er vor elf abends aus dem Atelier. Mitten im Raum, zwischen Regalen mit Vogelfedern und Kisten, einem Schaukasten mit aufgespießten Großlibellen, steht ein großes Bild, weiße Kratzer, Tupfer und Linien auf schwarzem Papier – das Spurenbild von Wüstenheuschrecken, deren Laufwege der Künstler mit einem von ihm entwickelten Verfahren sichtbar gemacht hat. Er nennt es „Naturantypie“. Maximilian Prüfer arbeitet mit der Natur, er verwandelt die Bewegungen und Aktionen von Ameisen, Fliegen, Larven, Faltern und Schnecken in Bilder. Er arbeitet viel draußen, seine Kunst ist Experiment und Feldversuch, ist Konzeptund Prozesskunst. Recherche, die Verbindung von Kreativität und konzeptueller Herangehensweise, „Ästhetik mit Hintergrund“– das reizt ihn. Mit seinen Arbeiten will er sich abgrenzen von dekorativer, beliebiger Kunst. Maximilian Prüfer ist so etwas wie ein akribischer Naturforscher, der sich nicht beirren lässt. „Man muss an seinen Kram glauben“, sagt er. Das Bild vom jungen Künstler sei bis heute „romantisiert“, aber tatsächlich bedeute es „viel ernsthafte Arbeit“. Aber, auch das sagt der 30-Jährige: „Ich bin mir bewusst, dass ich ein Privileg habe, ich empfinde das als ganz großes Glück, als Künstler arbeiten zu können“. Er sieht sich der Gesellschaft verpflichtet, will „verantwortlich arbeiten“.
Gestern Abend bekam er in Oberschönenfeld den Kunstpreis des Bezirks Schwaben. Er ist mit einer Reiseförderung verbunden. Prüfer hatte als Bewerbung das Konzept einer Reise nach China eingereicht. Ihn interessiert eine Provinz bei Tibet, in der es keine Bienen mehr gibt. Dem möchte er nachforschen. Während der Mao-Diktatur rotteten die Leute die Spatzen aus, weil die angeblich Saat und Ernte weggefressen haben. So gab es keine Vögel mehr, die Insekten fraßen, weshalb die Insekten über die Ernten herfielen. „Das wiederum bekämpften sie mit Pestiziden und vergifteten das Land so, dass die Bienenvölker starben. Nun müssen die Leute ihre Pflanzen von Hand bestäuben“, sagt Prüfer. Insekten seien für ihn „politische Tiere“, Indikatoren, die zeigten, wie es um uns stehe. „Die meisten Bienenvölker in unserer Welt leben heute in den Städten, das ist doch irre.“Wann er aufbrechen kann nach China, steht noch in den Sternen. Jetzt hat er im März erst einmal eine große Einzelausstellung in seiner Wiener Galerie, 300 Quadratmeter sind zu bewältigen.
Seine international orientierte Galeristin Lisa Kandlhofer ist in seinem Alter – er hat ihr viel zu verdanken und ist froh, dass er mit dem Merkantilen nichts mehr zu tun hat, das übernimmt Lisa. Ihm reiche schon der Bürokram, der bleibt: Transporte organisieren und all so was. Gehört dazu. Wie hat Maximilian Prüfer beim Kaffee gesagt: „Ich mache ja Kunst, um Erfahrungen zu machen.“Wo ihn das noch hinführen wird?