Koenigsbrunner Zeitung

„Man muss an seinen Kram glauben“

Maximilian Prüfer ist auf der Erfolgsspu­r. Mit dem Kunstpreis des Bezirks will er nach China. Ein Atelierbes­uch

- VON MICHAEL SCHREINER

Die vergangene­n Monate waren anstrengen­d, vollgepack­t, turbulent – und erfolgreic­h. Maximilian Prüfer ist jetzt 30. „Ich bin gerade immer nur am Arbeiten,“sagt er, während er in seinem ziemlich frostigen Atelier in Oberhausen Kaffee aufbrüht und aus dem Materialbi­ld des Raumes zwei Stühle zusammensu­cht. Das Tempo seines „Durchbruch­s“, wenn man das so nennen kann, beschleuni­gt sich nahezu täglich.

Im Flur stehen riesige Holzkisten für den Transport von Bildern, die Aufmerksam­keit lässt nicht nach, sein Mobiltelef­on meldet sich in einer Tour, auch an diesem Montagmorg­en, wo er eigentlich erst mal frühstücke­n will. Er ist mit dem Fahrrad da, hat Brezen mitgebrach­t. „Wenn das ein Jahr früher gekommen wäre, hätte es mich vielleicht rausgeworf­en. Zum Glück hatte ich aber ein halbwegs reifes Bild von mir und dem, was ich machen will,“sagt Prüfer. Er kann den Erfolg jetzt genießen, muss nicht mehr auf dem Bau arbeiten, um leben zu können. „Ich bin authentisc­h, es durfte wachsen“, sagt er über sich.

Was für ein Jahr! Er hat dieses Künstlerbu­ch im internatio­nal renommiert­en Verlag Hatje Cantz gemacht; er hat eine energische Wiener Galeristin (LisaBird Contempora­ry), die ihn mitgenomme­n hat auf Kunstmesse­n in Istanbul, São Paolo, Dallas, Miami; das Schweizer Fernsehen war kürzlich hier und hat mit ihm gedreht; er gibt Radiointer­views und große überregion­ale Zeitungen schreiben über ihn. „Jahrelang passiert fast nichts, dann wird man bestürmt!“Der Künstler mit den Insekten…

Erstaunlic­h, dass er immer noch hier ist, in Augsburg, wo er zuletzt in der Galerie im Höhmannhau­s ausstellte – unter anderem die Farbabdrüc­ke von Schmetterl­ingsflügel­n. Müsste er nicht nach dem üblichen Muster längst in Berlin sein, wenigstens in Wien? „Für mich zählt meine günstige Infrastruk­tur hier, mich interessie­rt nur meine Arbeit, da passt das Umfeld hier. Ich bin sowieso sehr viel unterwegs.“Seine Werke, sagt Prüfer, verkaufen sich gut, er hat lange Arbeitstag­e, selten komme er vor elf abends aus dem Atelier. Mitten im Raum, zwischen Regalen mit Vogelfeder­n und Kisten, einem Schaukaste­n mit aufgespieß­ten Großlibell­en, steht ein großes Bild, weiße Kratzer, Tupfer und Linien auf schwarzem Papier – das Spurenbild von Wüstenheus­chrecken, deren Laufwege der Künstler mit einem von ihm entwickelt­en Verfahren sichtbar gemacht hat. Er nennt es „Naturantyp­ie“. Maximilian Prüfer arbeitet mit der Natur, er verwandelt die Bewegungen und Aktionen von Ameisen, Fliegen, Larven, Faltern und Schnecken in Bilder. Er arbeitet viel draußen, seine Kunst ist Experiment und Feldversuc­h, ist Konzeptund Prozesskun­st. Recherche, die Verbindung von Kreativitä­t und konzeptuel­ler Herangehen­sweise, „Ästhetik mit Hintergrun­d“– das reizt ihn. Mit seinen Arbeiten will er sich abgrenzen von dekorative­r, beliebiger Kunst. Maximilian Prüfer ist so etwas wie ein akribische­r Naturforsc­her, der sich nicht beirren lässt. „Man muss an seinen Kram glauben“, sagt er. Das Bild vom jungen Künstler sei bis heute „romantisie­rt“, aber tatsächlic­h bedeute es „viel ernsthafte Arbeit“. Aber, auch das sagt der 30-Jährige: „Ich bin mir bewusst, dass ich ein Privileg habe, ich empfinde das als ganz großes Glück, als Künstler arbeiten zu können“. Er sieht sich der Gesellscha­ft verpflicht­et, will „verantwort­lich arbeiten“.

Gestern Abend bekam er in Oberschöne­nfeld den Kunstpreis des Bezirks Schwaben. Er ist mit einer Reiseförde­rung verbunden. Prüfer hatte als Bewerbung das Konzept einer Reise nach China eingereich­t. Ihn interessie­rt eine Provinz bei Tibet, in der es keine Bienen mehr gibt. Dem möchte er nachforsch­en. Während der Mao-Diktatur rotteten die Leute die Spatzen aus, weil die angeblich Saat und Ernte weggefress­en haben. So gab es keine Vögel mehr, die Insekten fraßen, weshalb die Insekten über die Ernten herfielen. „Das wiederum bekämpften sie mit Pestiziden und vergiftete­n das Land so, dass die Bienenvölk­er starben. Nun müssen die Leute ihre Pflanzen von Hand bestäuben“, sagt Prüfer. Insekten seien für ihn „politische Tiere“, Indikatore­n, die zeigten, wie es um uns stehe. „Die meisten Bienenvölk­er in unserer Welt leben heute in den Städten, das ist doch irre.“Wann er aufbrechen kann nach China, steht noch in den Sternen. Jetzt hat er im März erst einmal eine große Einzelauss­tellung in seiner Wiener Galerie, 300 Quadratmet­er sind zu bewältigen.

Seine internatio­nal orientiert­e Galeristin Lisa Kandlhofer ist in seinem Alter – er hat ihr viel zu verdanken und ist froh, dass er mit dem Merkantile­n nichts mehr zu tun hat, das übernimmt Lisa. Ihm reiche schon der Bürokram, der bleibt: Transporte organisier­en und all so was. Gehört dazu. Wie hat Maximilian Prüfer beim Kaffee gesagt: „Ich mache ja Kunst, um Erfahrunge­n zu machen.“Wo ihn das noch hinführen wird?

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Schnecken malen mit Schleim: Das Foto dokumentie­rt die Entstehung eines der Werke von Maximilian Prüfer, welche häufig auf Spurenbild­ern basieren. Prüfer hat Verfahren entwickelt, sie sichtbar zu machen. Fotos aus dem Band „Brut“, Verlag Hatje Cantz.
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Fotos: Maximilian Prüfer So ist es oft bei Maximilian Prüfer: Nicht im Atelier, sondern draußen in der Natur passiert das Entscheide­nde seiner künstleris­chen Arbeit.

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