Grenzöffnerin trifft Mauerbauer
Morgen ist Angela Merkel erstmals bei Donald Trump. Wird das für den amerikanischen Präsidenten zu einer Lehrstunde?
Washington Wenn Donald Trump seinen Wählern beschreiben will, was dabei herauskommt, wenn Politik zu lasch, zu kompromissbereit und zu wenig patriotisch ist, dann fällt häufig der Name Angela Merkel. Ein „Desaster“sei die Entscheidung der Bundeskanzlerin zur Aufnahme hunderttausender syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge gewesen, hat Trump vor und nach seinem Wahlsieg mehr als einmal gesagt.
Am Dienstagabend unserer Zeit empfängt der Mauerbauer Trump die Grenzöffnerin Merkel zum ersten Mal im Weißen Haus. Die Begegnung verspricht interessant zu werden, denn vorführen lassen will sich die Kanzlerin nicht: Gesundes Selbstbewusstsein heißt das Rezept der Deutschen im Umgang mit dem Populisten im Präsidentenamt.
Merkel habe in der Flüchtlingspolitik einen „katastrophalen Fehler“begangen, sagte Trump nach seinem Wahlsieg der BildZeitung. Per Twitter ließ er die Welt wissen, Merkel „ruiniere“die Bundesrepublik. Auch sonst kommen die Deutschen bei ihm und seinen Leuten nicht besonders gut weg. Die EU und der Euro seien lediglich Vehikel Berlins, sagten Trump und sein Wirtschaftsberater Peter Navarro.
Zugleich gelten die Deutschen als Nato-interne Wehrdienstverweigerer, weil sie trotz ihres Wohlstands vom vereinbarten Ziel von Verteidigungsausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts weit entfernt sind. Wenig Freude hatte Trump auch daran, dass er von Merkel beim ersten Telefonat der beiden Politiker nach Trumps Amtseinführung im Januar über die Verpflichtungen aller Staaten nach der Genfer Flüchtlingskonvention belehrt wurde.
Die Deutschen sorgen sich unterdessen um die kürzlich aufgeflogenen CIA-Schnüffeleien von Frankfurt und um die protektionistischen Tendenzen der neuen US-Regierung, die für die Exportnation Bundesrepublik sehr nachteilig sein könnten: Mehrmals hat Trump mit Strafzöllen für deutsche Autokonzerne gedroht.
Mit Sorge sieht Berlin auch die Versuche der Trump-Regierung, die Außenbeziehungen zu „bilateralisieren“, wie es ein Diplomat ausdrückt: Statt sich mit der EU als Ganzes auseinanderzusetzen, will Trump mit den europäischen Einzelstaaten ins Geschäft kommen. So will Trump vorhandene Meinungsverschiedenheiten, etwa beim deutschen Exportüberschuss, bilateral klären. Das ist eine neue Lage für Merkel, die bei den beiden anderen US-Präsidenten ihrer bisherigen Amtszeit – George W. Bush und Barack Obama – von einem gewissen Grundkonsens ausgehen konnte.
In Washington will die Kanzlerin dem EU-Skeptiker Trump deshalb erläutern, wie die Dinge im europäischen Staatenverbund laufen. Sie werde darlegen, dass der Nationalstaat und die Mitgliedschaft in der EU für Deutschland „zwei Seiten ein und derselben Medaille“seien, sagte Merkel vorab. Dazu gehöre der Hinweis, dass es Kompetenzen wie den Handel gebe, für den die EU-Kommission und nicht die Mitgliedstaaten zuständig seien.
Eine der größten Herausforderungen für Merkel beim Besuch in Washington steht ihr möglicherweise gleich beim Empfang durch Trump bevor. In seiner kurzen Amtszeit hat er sich bereits einen Namen als besonders aggressiver Händeschüttler gemacht, der sein Gegenüber bei der Begrüßung hin und wieder mit einem kräftigen Ruck an sich heranzieht. Wie die in diesen Dingen sehr zurückhaltende Kanzlerin damit umgehen wird, bleibt abzuwarten.