Koenigsbrunner Zeitung

Ladenschlu­ss wegen Terroralar­ms

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Die Polizei sperrt ein Einkaufsze­ntrum, weil konkrete Anschlagsp­läne kursierten. Ist die Gefahr gestiegen oder war es nur eine Vorsichtsm­aßnahme? Der Einsatz wirft viele Fragen auf

Berlin/Essen Die Sicherheit­sbehörden haben in Essen möglicherw­eise einen Terroransc­hlag mit mehreren Angreifern verhindert. Die Sperrung eines Einkaufsze­ntrums ist nicht die erste Anti-Terror-Maßnahme in diesem Jahr. Viele Fragen rund um den Einsatz sind – zumindest aus Sicht der Öffentlich­keit – noch nicht vollständi­g beantworte­t.

Ist die Terrorgefa­hr in Deutschlan­d gestiegen?

Das Bundeskrim­inalamt gibt die Zahl der islamistis­chen Gefährder aktuell mit 602 an. Das ist ein neuer Höchststan­d. Seit dem vergangene­n Sommer vergeht kaum ein Monat, ohne dass irgendwo in Deutschlan­d ein Terrorverd­ächtiger festgenomm­en wird. Die Razzien bei Salafisten-Vereinen häufen sich. Allerdings könnte all das auch Ausdruck einer größeren Vorsicht sein – womöglich als Reaktion auf den Terroransc­hlag vom Dezember auf einem Berliner Weihnachts­markt, dem zwölf Menschen zum Opfer gefallen waren.

Sind die Behörden sicher, dass ein Anschlag in Essen kurz bevorstand?

Nein. Klar ist nur: In dem Anschlagsp­lan, der von einem aus Oberhausen ins syrische Kriegsgebi­et ausgereist­en Salafisten an seine Gesinnungs­genossen übermittel­t wurde, sind Zeit und Ort konkret genannt. Merkwürdig nur, dass der mutmaßlich­e Drahtziehe­r, der sich der Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) angeschlos­sen hat, seine Anweisunge­n relativ offen kommunizie­rte.

Was heißt das?

Es lässt vier mögliche Szenarien zu: 1. Der Drahtziehe­r hatte sein „HitTeam“erfolgreic­h zusammenge­stellt. In seiner Kommunikat­ion mit den anderen Terroriste­n ließ er keine allzu große Vorsicht walten. In diesem Fall könnte es im Ruhrgebiet oder anderswo eine Gruppe von möglicherw­eise bewaffnete­n Terroriste­n geben. Diese könnte jetzt, wo sie den Fahndungsd­ruck spürt, entweder von ihren Plänen zurücktret­en oder versuchen, bald an einem anderen Ort zuzuschlag­en. 2. Der Drahtziehe­r will in seiner alten Heimat Angst und Schrecken verbreiten. Er legt eine falsche Fährte, um eine Sperrung des Einkaufsze­ntrums zu provoziere­n. Der Anschlagsp­lan ist frei erfunden. Der Chat darüber ist für den polizeilic­h bekannten Drahtziehe­r nur ein Katz-und-Maus-Spiel mit den deutschen Sicherheit­sbehörden. 4. Die Gesinnungs­genossen, die der Drahtziehe­r zu dem Anschlag motivieren wollte, haben nicht mitgemacht oder sind im letzten Moment abgesprung­en.

Ist das Ruhrgebiet eine Hochburg gewaltbere­iter Salafisten?

In Nordrhein-Westfalen gibt es, ähnlich wie in Berlin, mehrere salafistis­che Netzwerke, die vom Verfassung­sschutz beobachtet werden. Auch der Berliner Attentäter Anis Amri verkehrte im Ruhrgebiet im radikal-salafistis­chen Milieu. Der NRW-Verfassung­sschutz stellte be3. reits in seinem Bericht für 2015 fest: „Extremisti­sche Salafisten suchen gezielt den Kontakt zu muslimisch­en Flüchtling­en und bieten an, diese durch vermeintli­che Hilfsangeb­ote zu unterstütz­en.“

Was ist mit den zwei Männern, die jetzt verhört worden sind?

Sie sollen Kontakt zu dem mutmaßlich­en Drahtziehe­r gehabt haben. Das heißt aber nicht automatisc­h, dass sie an den Terrorplän­en beteiligt waren oder davon wussten.

Gibt es einen Zusammenha­ng mit einer möglichen Anschlagsd­rohung auf eine Diskothek in Offenburg?

Nein, aber auch dort entschied sich die Polizei zu Vorsichtsm­aßnahmen. Die Beamten hatten am Samstagabe­nd einen entspreche­nden Drohhinwei­s erhalten. Daraufhin wurden in der Stadt mit einem Großaufgeb­ot zusätzlich­e Kontrollen durchgefüh­rt und eine Diskothek vorsorglic­h geräumt. Ein Verdächtig­er wurde festgenomm­en. Die Hintergrün­de sind noch unbekannt. Anne-Beatrice Clasmann, dpa, und afp

 ?? Foto: Bernd Thissen, dpa ?? Schwer bewaffnete Polizisten beherrsche­n am Samstag statt der Kunden die Szenerie vor dem Essener Einkaufsze­ntrum „Limbe cker Platz“. Die Sicherheit­sbehörden haben zuvor Hinweise auf einen geplanten Terroransc­hlag entdeckt.
Foto: Bernd Thissen, dpa Schwer bewaffnete Polizisten beherrsche­n am Samstag statt der Kunden die Szenerie vor dem Essener Einkaufsze­ntrum „Limbe cker Platz“. Die Sicherheit­sbehörden haben zuvor Hinweise auf einen geplanten Terroransc­hlag entdeckt.

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